Jede Stimme, 100 Prozent, hatte Barbara Stamm für ihren Landtagskollegen Oliver Jörg gefordert, als die Würzburger CSU am Wochenende ihr Vorstandspersonal wählte. Aber sieben von 95 folgten nicht der Landtagspräsidentin. 88 Delegierte der Kreisvertreterversammlung, 94,6 Prozent, wählten Jörg als Kreisvorsitzenden wieder. Seit 2005 ist er im Amt, im Turnus von zwei Jahren wird gewählt.
Zuvor hatte Stamm leidenschaftlich für ihn geworben. Er präge die Wissenschafts-, Bildungs- und Kulturpolitik im Freistaat „ganz entscheidend“ mit. Ministerpräsident Seehofer binde ihn „immer wieder mit ein“, die Rektoren der bayerischen Universitäten setzten „ein Riesenvertrauen“ in ihn. Jörg ist stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Wissenschaft und Kunst im Landtag.
Jeder in München schaut nach Würzburg, sagt Barbara Stamm
Stamm pries ihn als menschlich, freundlich, geduldig und hartnäckig. Ihr zufolge genießt Jörg großes Ansehen in München. Dort wüssten „alle“, was er leistet, und „jeder“ achte darauf, wie sein Kreisverband ihn wählt. Und weil die Landkreis-CSU den Kürnacher Bürgermeister Thomas Eberth mit 100 Prozent zu ihrem Vorsitzenden gemacht hat, sollte Jörg nach dem Willen der Landtagspräsidenten nicht schlechter dastehen.
Jörg präsentierte sich zufrieden mit seinem Ergebnis. Er sagte, die Würzburger Christsozialen hätten noch nie einen Kreisvorsitzenden mit 100 Prozent gewählt.
Vom Einfluss von Parteimitgliedern auf die Politik
Er hat Vorgänger, die nicht müde wurden, ihre eigenen Verdienste zu preisen. Jörg agiert anders. In seinem Rechenschaftsbericht umschmeichelte er die Parteimitglieder. Er lobte ihr Engagement und bestärkte sie. So habe die Würzburger CSU in den vergangenen zwei Jahren weit über 500 Veranstaltungen, öffentliche und interne, absolviert.
Er versicherte den Mitgliedern, sie würden Impulse geben und Einfluss nehmen auf die Politik. Eines seiner Beispiel war das Helmholtz-Zentrum, das sich in Würzburg ansiedeln will. Die Basis habe diese Entscheidung vorbereitet, durch einen Passus im Parteiprogramm, nach dem in Nordbayern mehr wissenschaftliche Exzellenz angesiedelt werden solle.
Jörg streichelte seine Zuhörer: „Euer Engagement ist oft mühselig, aber richtig und die einzige richtige Möglichkeit für diese Stadt, auch langfristig etwas zu verändern.“ Immer sei die Partei durch ihre fleißigen Mitglieder „draußen“ präsent, sie entwickle ihre politischen Ideen „mit den Menschen gemeinsam“. Er sprach mit dem Selbstbewusstsein des Funktionärs einer Partei, die seit 60 Jahren Wahlen gewinnt.
Der kleine Dämpfer kommt am Schluss
Ein leiser Hauch von Zweifel kam nur auf, als er über die Entwicklung der Mitgliederzahlen sprach. Zwar liege die Zahl der Eintritte über der der Austritte. Dennoch habe die Würzburger CSU-Filiale in den vergangenen zwei Jahren 19 Mitglieder verloren. 988 seien sie noch. Ein Grund für Existenzsorgen sei das nicht, „bei uns schaut’s insgesamt nicht schlecht aus“, aber „der Auftritt nach außen muss wesentlich besser werden“.
Die Delegierten – 95 von 105 waren gekommen – lauschten ihm still. Einmal brachte er die Gemüter in Wallung, am Schluss seiner Rede, als er für eine Tiefgarage unter dem Kardinal-Faulhaber-Platz warb. Da ging seine Stimme im Jubel des Parteivolkes unter.
Als Jörgs Stellvertreter wurden Christina Curtaz-Dörsam und die Stadtratsmitglieder Wolfgang Roth und Kurt Schubert wiedergewählt. Neu im Stellvertreter-Quartett ist Andreas Förster. Der Vorsitzende des CSU-Ortsvereins Stadtmitte 2 betreibt eine Kanzlei für Investmentberatung. Stadtratsmitglied Aron Schuster hatte sich aus beruflichen Gründen nicht mehr zur Wahl gestellt.
Zeit für Debatten war vorgesehen, aber Bedarf gab es offenbar keinen. Niemand meldete sich. Für eine kleine Überraschung sorgten die Delegierten trotzdem. Bei der Wahl der Delegierten für den Landes-Parteitag stimmten von 91 nur 77 für Barbara Stamm.