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WÜRZBURG: Als erster Würzburger Arzt nur für die Kinder da

WÜRZBURG

Als erster Würzburger Arzt nur für die Kinder da

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    Albert Weiler als Corpsstudent der Moenania im Jahr 1883. Fotot Andreas Mettenleiter
    Albert Weiler als Corpsstudent der Moenania im Jahr 1883. Fotot Andreas Mettenleiter Foto: Mettenleitner

    Um 1800 rückten Kinder als eigene Patientengruppe in das Gesichtsfeld der Ärzte – vorher wurden sie wie „kleine Erwachsene“ behandelt. Eine eigene Kinderklinik entstand Mitte des 19. Jahrhunderts im Juliusspital. 1895 eröffnete schließlich der erste niedergelassene Pädiater in Würzburg seine Praxis: Albert Weiler (1863 bis 1917), der seitdem völlig in Vergessenheit geraten ist.

    Der gebürtige Pfälzer kam 1883 zum Studium nach Würzburg, wo er ins Corps Moenania eintrat. Stolz präsentiert er sich auf seinem Rezeptionsbild mit Band und Mütze – und standesgemäß mit einem markanten Schmiss unter der linken Unterlippe: Beweis seines studentischen „Schneids“ und seiner akademischen Herkunft. Bei den „Mainländern“ traf er auf weitere jüdische Glaubensgenossen, unter anderem den bekannten Würzburger Frauenarzt und späteren Hofrat Leon Oppenheimer.

    Eine gute Partie gemacht.

    1887, gleich nach dem Staatsexamen, heiratete er die ein Jahr jüngere Mathilde Schwabacher, eine gute Partie, stammte seine Gattin doch aus einer einflussreichen und wohlhabenden jüdischen Familie: Sie war das sechzehnte von insgesamt siebzehn Kindern des Amson Wolff Schwabacher (1811 bis 1875), der, aus Heidingsfeld kommend, 1833 als Goldarbeiter und Juwelier das Würzburger Bürgerrecht erhielt und später Weinberge erwarb, um es auch als Weinhändler zu beträchtlichem Wohlstand zu bringen. Weilers deutlich älterer Schwager Adolf (1839 bis 1924), Besitzer der prosperierenden Bohnesmühle, war Stadtverordneter und spielte eine führende Rolle in der jüdischen Gemeinde.

    Nach der Promotion 1888 ließ sich das junge Paar zunächst in Weilers Geburtsstadt Winnweiler nieder, wo dieser eine Allgemeinpraxis eröffnete, die er 1891 ins benachbarte Obermoschel verlegte. Diese Existenz scheint ihn aber nicht befriedigt zu haben: In Berlin, als Assistent vermutlich am renommierten Kaiserin-Auguste-Viktoria-Kinderkrankenhaus, wo damals viele jüdische Ärzte tätig waren, erwarb er sich fundierte pädiatrische Kenntnisse.

    Eine Niederlassungs-Annonce im „Generalanzeiger“.

    Im Juli 1895 kehrte der 31-Jährige dann in seine Studienstadt Würzburg zurück, um eine Kinderarztpraxis zu eröffnen. Seine Niederlassungs-Annonce im „Generalanzeiger“ ist in zweierlei Hinsicht interessant: Zum einen bezeichnet er sich hier noch als „praktischer Arzt und Kinderarzt“, während er später nur noch als Kinderarzt firmiert. Offenbar war der junge Doktor zunächst noch skeptisch, ob sich genügend kleine Patienten finden würden! Zum zweiten ist die Sonntagssprechstunde ein deutlicher Hinweis auf seine jüdische Glaubenszugehörigkeit.

    Würzburg war für Ärzte damals ein gutes Pflaster: Nach dem Abbruch der Befestigungsanlagen wuchs die Stadtbevölkerung rasch an. Zuzüge und die hohe Geburtenrate der Kaiserzeit sorgten für große Kinderzahlen. Und die hohe Säuglingssterblichkeit, die Gefahr von Infektionskrankheiten – Schutzmaßnamen gab es außer der Pockenschutzimpfung noch keine – sowie Mangelerkrankungen, schlechte hygienische Verhältnisse und Unkenntnis über richtige Säuglingspflege gaben tüchtigen Kinderärzten Lohn und Arbeit.

    Schon bald großes gesellschaftliches Ansehen genossen.

    Um Kinder aus dem Proletariat kümmerten sich damals die Armenärzte in der Medizinischen Poliklinik; stationäre Patienten wurden in der Kinderklinik des Juliusspitals behandelt. Wohlhabendere Familien ließen sich dagegen einen Arzt ins Haus kommen. Schon allein in der weitverzweigten, kinderreichen Schwabacher-Dynastie dürfte Weiler allerhand Kranke zu behandeln gehabt haben. Kein Wunder, dass der Doktor schon bald großes gesellschaftliches Ansehen genoss: Er war Vorsitzender des jüdischen Geselligkeitsvereins „Casino“ und erhielt 1911 das Würzburger Bürger- und Heimatrecht. Im Ersten Weltkrieg – damals war er bereits 50 Jahre alt – musste Weiler nicht ins Feld ziehen, erhielt aber für sein Engagement in Würzburg das König-Ludwig-Kreuz für Verdienste in der Heimat und den Sanitätsratstitel.

    Schlaganfall im Alter von nur 54 Jahren.

    Als ortsansässiger Philister des Corps Moenania durfte er 1896 den Bau des repräsentativen „Mainländerheims“ im Stile einer mittelalterlichen Ritterburg am Fuß der neuen Löwenbrücke und 1914 das mit großem Aufwand begangene hundertjährige Stiftungsfest seines Studentenbundes miterleben. Sein Tod – vor hundert Jahren – am 25. Dezember 1917 an einem Schlaganfall im Alter von nur 54 Jahren ersparte Weiler die wohl sonst unvermeidlichen Demütigungen und Verfolgungen im Dritten Reich.

    Die Beerdigung, so der General-Anzeiger vom 29. Dezember 1917, fand unter großer Beteiligung der Öffentlichkeit statt: Vertreter des Roten Kreuzes und des Säuglings-Fürsorgevereins, des Israelitischen Krankenhauses, des ärztlichen Bezirksvereins und des Corps Moenania legten Kränze nieder. Weilers Grab auf dem 1882 errichteten neuen jüdischen Friedhof besteht – nicht weit von dem Leon Oppenheimers – noch heute. Gattin Mathilde starb 1923. Eine der beiden Töchter heiratete den jüdischen Zahnarzt Siegmund Hamlet.

    Zulassung von Frauen zum Medizinstudium.

    Interessant ist, dass sich nur wenige Jahre nach Weiler ein weiterer Kinderarzt in Würzburg niederließ, Adam Hofmann (Jg. 1860), der seine Facharztausbildung als Assistent der Würzburger Medizinischen Poliklinik erhalten hatte. Daneben behandelten natürlich auch die Allgemeinpraktiker wie Josef Wördehoff Kinderkrankheiten. Bekannte jüdische Kinderärztinnen waren – nach der Zulassung von Frauen zum Medizinstudium – in Würzburg Klara Oppenheimer und Bertha Wechsler. Die älteste heute noch bestehende Würzburger Kinderarztpraxis gründete nach dem Ersten Weltkrieg Helmut Zoepffel zusammen mit seiner Ehefrau und Kollegin Marianne.

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