„Hamburg ist auch meine Heimat, genauso wie Würzburg. Da mache ich keinen Unterschied.“ Das sagte Bernd Hollerbach im November 2016 dieser Redaktion, als er mit den Würzburger Kickers gerade für mächtig viel Staunen sorgte in der zweiten Fußball-Bundesliga. Nun also, eineinviertel Jahre später, wechselt der 48-jährige Fußballlehrer und ehemalige Profi von seiner einen Heimat, wo er sich mit dem schweinsgaloppartigen Durchmarsch von der Regionalliga ins Unterhaus trotz des direkten Wiederabstiegs ein Denkmal setzte, in seine andere, wo er einst als großer Publikumsliebling vom Anhang und vom Boulevard gefeiert wurde.
Bei seinem Lieblingsklub
Jedenfalls meldet unter anderem mit der „Bild“ genau jene Zeitung, die Hollerbach zu seiner aktiven Fußballer-Zeit stets wohlgesonnen war, dass Bernd Hollerbach seine erste Station als Cheftrainer in der Bundesliga am Montag, 22. Januar, antreten wird: bei seinem Lieblingsklub Hamburger SV.
„Wir wissen, wer der neue Trainer wird, aber wir müssen noch formale Dinge abschließen. Er wird am Montag um 15 Uhr das Training leiten“, sagte Heribert Bruchhagen, der Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV am Sonntag. Den Namen Hollerbach wollte Bruchhagen noch nicht bestätigen, er sagte lediglich: „Wir setzen darauf, dass der neue Trainer die Verunsicherung löst.“
Reden über Transfers
Unvorbereitet tritt Hollerbach seinen Dienst offenbar nicht an, wie Bruchhagen indirekt bestätigte: „Wir mussten einen Plan B im Kopf haben, der neue Trainer konnte sich bereits mit unserem Kader auseinandersetzen, aber er wusste auch immer, dass es unser Ziel war, den Trainer nicht zu wechseln“, sagte Bruchhagen. Nach dem 0:2 gegen Schlusslicht Köln am Samstagabend hatte sich das Ziel des Vorletzten offenbar geändert. Trainer Markus Gisdol wurde am Sonntagvormittag gefeuert, und mit ihm seine Co-Trainer Frank Fröhling und Frank Kaspari. Bruchhagen betonte auch, der neue Trainer könne mit Sportchef Jens Todt auch über Transfers reden. Investor Klaus-Michael Kühne sei in den Trainerwechsel nicht involviert gewesen, aber „komplett informiert“ worden. Das könnte auch bedeuten: Kühne öffnet erneut die Schatulle, und Hollerbach darf sich nach neuem Personal umschauen und einkaufen gehen.
„Ich trage die Raute im Herzen“, sagte Hollerbach, der am Sonntag für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, einmal – und meinte den Hamburger SV, für den er von 1996 bis zu seinem Karriereende 2004 insgesamt 197 Bundesligaspiele bestritt und nun laut „Bild“ einen Vertrag bis 2019 bekommen soll. Seine Profikarriere begann Hollerbach ebenfalls in Hamburg. In der Winterpause der Saison 1990/91 wechselte er vom damaligen Bayernligisten Kickers Würzburg zum FC St. Pauli, mit dem er zwar gleich aus der Bundesliga absteigen musste, aber 1995 auch wieder zurückkehrte ins Oberhaus. in 143 Partien trug Hollerbach das Leibchen des legendären Kiezklubs, den er nach dem Aufstieg in Richtung 1. FC Kaiserslautern verließ, wo der Würzburger allerdings nicht glücklich wurde. Nach nur einem halben Jahr verpflichtete ihn Felix Magath, der gerade neuer Trainer beim Hamburger SV geworden war – der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Die Vergleiche mit Felix Magath
Als Magaths Assistent wurde Hollerbach 2009 deutscher Meister mit dem VfL Wolfsburg, wo die beiden zwei Jahre später erneut anheuerten, zwischenzeitlich saßen die beiden bei Schalke 04 auf der Trainerbank. Natürlich wird Hollerbach immer wieder angesprochen auf seinen Mentor Magath. Aber das ist ihm ein Greul, und Vergleiche mit dem gebürtigen Aschaffenburger mag der Rimparer noch viel weniger. Mit Freunden schafkopfen die beiden noch heute regelmäßig, und man darf davon ausgehen, dass sich Hollerbach mit Magath über das Engagement beim HSV ausgetauscht hat. „Ich habe viel von ihm gelernt: Disziplin, Ordnung und Dinge über körperliche Fitness“, erzählte Hollerbach mal. Nun hat er die Gelegenheit, auch in Deutschlands Premiumliga endgültig aus dem Schatten Magaths herauszutreten.
Auch wenn es ganz bestimmt eine Herzensangelegenheit für Hollerbach ist – er steht vor einer Herkulesaufgabe. „Vorzeitige Trennungen von Trainern sind grundsätzlich nicht gewollt, aber wir glauben, dass neue Impulse zwingend notwendig sind, um das nach wie vor angestrebte Ziel Klassenerhalt zu erreichen“, sagte Bruchhagen noch. Der Vorletzte hat fünf Punkte Rückstand auf den die Liga sichernden 15. Platz. Das Bundesliga-Gründungsmitglied, das noch nie abgestiegen ist, hat nach 19 Spielen genauso viele Punkte wie Törchen geschossen: gerade einmal 15 (nur der Letzte Köln traf noch einmal weniger). Der HSV ist also im Sturzflug in Richtung zweite Liga unterwegs. So wenige Zähler hatte der Traditionsverein nicht einmal im Relegationsjahr 2013/14 und in der Katastrophensaison 2016/17 zu diesem Zeitpunkt der Spielzeit.
Der Dauerkrisenklub
Gisdol hatte früh gewarnt und Verstärkungen gefordert. Bekommen hat er sie nicht. Die Schulden des Vereins haben mit 105,5 Millionen Euro einen Höchststand erreicht. Das abgelaufene Geschäftsjahr endete mit dem zweithöchsten Minus der Klubgeschichte: 13,4 Millionen Euro. Der Abstieg in die zweite Liga mit dann deutlich geringeren Einnahmen aus Fernsehgeldtopf, Ticketverkauf und Werbeeinnahmen würde die Misere erst recht vertiefen, vermutlich sogar die Existenz bedrohen.
In den Jahren von Abstiegskampf und Niveauverfall seit 2013 verbrannte der HSV gut 120 Millionen Euro für Transfers. Sechs Trainer mit unterschiedlichen Spielideen mühten sich mehr schlecht als recht, vier Sportchefs bastelten am Mannschaftsgefüge. Zweimal erhielt der HSV die Klasse nur über die Relegation. Der einstige Europapokalsieger der Landesmeister verkam durch Misswirtschaft, Selbstüberschätzung, Dilettantismus, Indiskretionen und Eitelkeiten zum Dauerkrisenklub.
Das nächste Ziel
Das soll nun also Bernd Hollerbach ändern und den HSV retten. Als Cheftrainer in Würzburg konnte er nie die Klasse halten. Zweimal ging's hoch, einmal runter. Nach dem Abstieg im Mai 2017, der durch eine komplett sieglose Rückrunde besiegelt worden war, trat Hollerbach dann zurück bei seinem Zweitlieblingsklub und erholte sich von dreieinhalb Jahren Dauerstress auch mit einigen Urlauben fern seiner Heimaten. Hollerbach hatte stets betont, zurückkehren zu wollen in die Bundesliga. Dieses Ziel hat er erreicht. Das nächste lautet: drinbleiben. Was für seinen neuen Arbeitgeber gilt – und auch für ihn.
Mit Informationen von dpa