Der Blick auf die parteieigene Galerie früherer Vorsitzender, neudeutsch „Hall of Fame“ (Ruhmeshalle) genannt, ist geeignet, CSU-Chef Markus Söder die Laune zu vermiesen. Grüßen aus der Reihe über ihm doch Erwin Huber und Horst Seehofer. Die beiden Ex-Vorsitzenden ergreifen zunehmend die Gelegenheit, Söders Kurs öffentlich zu kritisieren – gerne garniert mit dem Hinweis auf dessen Wahlergebnisse, die hinter denen der Vergangenheit zurückgeblieben sind.
Das stört frühere CSU-Vorsitzende an Söders Kurs
Als „strategische Fehlentscheidung“ bezeichnete jetzt Seehofer in einem Interview mit der Zeitschrift Stern Söders-Anti-Grünen-Kurs, Huber hatte sich vor wenigen Wochen ähnlich eingelassen. Als Gast der Grünen-Landtagsfraktion in Passau sagte er: „Ich glaube, dass wir 2028/29 froh sein können über starke Grüne als mögliche Koalitionspartner.“ Söder ist nicht amüsiert, sprach von „Ratschlägen von der Seitenlinie von gestern.“ Doch jetzt grummelt es auch bei denen, die als die Zukunft der Partei gelten. Wenn auch aus anderen Gründen.
Landesversammlung der Jungen Union in Aschaffenburg, der in Bayern mehr als 20.000 Mitglieder zählende Parteinachwuchs wählt einen neuen Vorsitzenden. Söder wird beim Einzug umjubelt, hernach ist die Schlange für Selfies mit dem Vorsitzenden lang. Es sieht alles aus nach dem üblichen Heimspiel für den Parteichef bei einer Organisation, in der seine treuesten Fans sitzen. Doch im nichtöffentlichen Teil sieht sich der Parteichef mit deutlicher Kritik konfrontiert. Das haben Teilnehmer gegenüber unserer Redaktion bestätigt. Söder sieht sich genötigt, auf seinen hohen persönlichen Einsatz für die Partei zu verweisen, der unstrittig ist: „Ich reiße mir auf Deutsch den Arsch auf.“ Teilnehmer bestätigen den Satz. Sie sehen auch, wie Generalsekretär Martin Huber mitschreibt. Er kann viel Lob für den Parteichef notieren, aber eben auch Kritik an zwei Punkten, für die gerade Söder persönlich steht.
Die Mütterrente bringt die Junge Union auf die Palme
Söders große Medienpräsenz auf allen Kanälen, seine alles dominierende Rolle in der CSU gefällt nicht jedem. „Wir haben zu wenig Köpfe“, soll ein Delegierter gesagt haben. Vor allem aber bringt den Parteinachwuchs ein politisches Lieblingsprojekt Söders auf die Palme: die Ausweitung der Mütterrente. Fünf weibliche Delegierte bringen einen Antrag ein und durch. Dessen Forderung: Die Mütterrente III soll in der Bundesregierung gestoppt werden. Es ist nicht mehr als ein Signal, denn politisch ist es dafür längst zu spät. Die milliardenschwere Aufbesserung der Renten von rund zehn Millionen Menschen, deren Kinder vor 1992 geboren sind, ist beschlossen und besiegelt. Das sei eine Frage der Gerechtigkeit, sagt Söder stets. „Wer gegen die Mütterrente ist, hat kein Herz.“
Den in Aschaffenburg neu gewählten Vorsitzenden der Jungen Union in Bayern beeindruckt das offenbar wenig. Manuel Knoll, 35-jähriger Landtagsabgeordneter aus Höchstädt (Kreis Dillingen), hat schon registriert, dass es bei seiner Bewerbungsrede vor dem CSU-Nachwuchs den meisten Applaus gab, als er die Mütterrente kritisierte. Die dafür nötigen zusätzlichen fünf Milliarden Euro sollen mit Steuergeld finanziert werden. „Die Rentenpolitik darf nicht dazu führen, dass die Investitionen auf der Strecke bleiben,“ sagt Knoll im Gespräch mit unserer Redaktion. „Nur Brücken sanieren reicht nicht.“
Kritik an Söder: Das musste sich der CSU-Vorsitzende vom Partei-Nachwuchs anhören
Nach Knolls Beobachtung war die Debatte auch „Ausdruck eines Stücks Frustration“. Der Parteinachwuchs frage sich, wo der versprochene Herbst der Reformen bleibe. Knoll: „Da ist es doch legitim, dass man kritische Worte findet, ohne dass man die Personen infrage stellt.“
Denn tatsächlich lief es für die CSU in Bayern schon schlechter, sie ist deutlich weniger vom Abwärtstrend betroffen als CDU und SPD. Die letzten Wahlumfragen im Freistaat lagen bei 39 Prozent, das liegt über den Ergebnissen der Christsozialen bei vergangenen Bundes-und Landtagswahlen. Damals waren es rund 37 Prozent. Die Zustimmungswerte für Söder liegen bei deutlich über 40 Prozent. Wenngleich er – auch das zeigen Umfragen – polarisiert.
Innerhalb der CSU aber sei die Zustimmung für den Kurs des Parteivorsitzenden riesig, versichert Generalsekretär Huber auf Anfrage. „Die CSU steht ganz klar: Wir wollen kein Schwarz-Grün.“ Auch den Ärger mit der Mütterrente will Huber abmoderieren: „Dass die Junge Union in einer Sachfrage mal anderer Meinung ist, steht doch für eine lebendige Partei.“ Wie genau es um das Innenleben dieser Partei bestellt ist, könnte sich Mitte Dezember zeigen. Dann ist in München Parteitag mit Vorstandswahlen – und die gelten als gut messbarer Stimmungstest.
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