Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt in einem großen Verfahren wegen Verdachts auf Schwarzarbeit gegen mehrere selbstständige Regalauffüllerfirmen, die in Supermärkten eines großen Lebensmittelkonzerns tätig waren. Den mehr als 70 Beschuldigten wird unter anderem das Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt, das Einschleusen von Ausländern und Steuerhinterziehung vorgeworfen. Das teilten Staatsanwaltschaft, Polizei und Zoll in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit.
Die Regalauffüllerfirmen werden von Subunternehmen eingesetzt, die der Lebensmittelkonzern mit dem Befüllen der Regale beauftragt hat. Und diese sollen ihre Arbeitnehmer nicht steuerlich und bei der Sozialversicherung angemeldet haben. Es handle sich um mehrere Tätergruppen im südbayerischen Raum, sagte der zuständige Staatsanwalt Klaus Liebl. Die Regalauffüller selbst, viele davon aus Afghanistan, die für ihre Tätigkeit oftmals nicht den Mindestlohn bekommen hätten, sind nicht unter den Beschuldigten.
Jahrelange Ermittlungen, acht Haftbefehle
Die Ermittlungen laufen seit mehreren Jahren. Acht Haftbefehle hat die Staatsanwaltschaft bis heute erwirkt. Ein Angeklagter muss sich demnach bereits vor dem Landgericht München I verantworten, drei weitere Beschuldigte sitzen in Untersuchungshaft, weitere sind flüchtig. Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen sei von einem Schaden für die öffentliche Hand und die Sozialversicherungsträger von mindestens 20 Millionen Euro auszugehen. Es sei aber die Frage, ob dies nur die «Spitze des Eisbergs» sei und noch mehr dazukommen werde, sagte Liebl.
Ermittelt wird auch gegen einen Mitarbeiter des Lebensmittelkonzerns. Dieser sei für die Auftragsvergabe an die Subunternehmer verantwortlich gewesen, sagte Liebl. Ihm wird Beihilfe vorgeworfen, weil er von dem «System» gewusst haben soll. Es gebe aber keinen Anfangsverdacht gegen einen Geschäftsführer des Lebensmittelkonzerns, betonte der Staatsanwalt.
Umfangreiche Durchsuchungen
Zuletzt durchsuchten die Behörden in dieser Woche Wohn- und Geschäftsräume unter anderem in München und Unterammergau. Beteiligt waren rund 50 Beamte von Zoll, Polizei und Steuerfahndung. Dabei seien umfangreiche Unterlagen und Speichermedien sichergestellt und Vermögenswerte in Form von Bankguthaben und Immobilien gesichert worden.
Ausgangspunkt des gesamten Verfahrens waren - schon vor einigen Jahren - Schwarzarbeit-Kontrollen von Behörden aus Murnau und Weilheim in mehreren Supermärkten des Lebensmittelkonzerns in Südbayern. Später stießen die Ermittler auf weitere Tätergruppen. Manche der Regalauffüllerfirmen bestanden den Angaben zufolge nur wenige Monate - deshalb sei der Verdacht entstanden, dass es sich dabei um reine «Scheinunternehmen» gehandelt habe. Das «Geschäftsmodell» sei von anderen Tätern quasi kopiert worden - wobei die verschiedenen Tätergruppen nichts direkt miteinander zu tun gehabt hätten. Es sei ein System entstanden, dass sich über die Jahre entwickelt habe, hieß es.
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