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Tradition: Bräuche, Essen, Alkohol - die fränkische Kirchweih

Tradition

Bräuche, Essen, Alkohol - die fränkische Kirchweih

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    Bier gehört zur fränkischen Kirchweih dazu. (Archivbild)
    Bier gehört zur fränkischen Kirchweih dazu. (Archivbild) Foto: Daniel Vogl/dpa

    «Wer hat Kerwa?» In fast jedem fränkischen Dorf ist diese Frage im Frühjahr, Sommer oder Herbst ein Wochenende lang zu hören. Die Antwort: «Wir ham Kerwa.» Die Kerwa - oder eben Kirchweih - ist ein Herzstück fränkischer Tradition. Und eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Martin Ritter vom Landesverein für Heimatpflege sagt: «Es gibt so viele regionale und lokale Besonderheiten der fränkischen Kerwa, dass man wohl ein ganzes Buch damit füllen könnte.»

    Woher kommt's?

    Ursprünglich hatte das Fest einen kirchlichen Charakter, denn gefeiert wurde der Weihetag der Kirche oder der Namenstag des Kirchenpatrons. Nach und nach gesellten sich weltliche Elemente hinzu: «Familien kamen zusammen, es gab Tanz, Belustigung und manchmal Markttreiben, vor allem aber viel Essen und Trinken», schildert Julia Krieger, stellvertretende Bezirksheimatpflegerin des Bezirks Mittelfranken. Die Kirchweih sei seit etwa 1500 das zentrale Ereignis des Jahres gewesen. «Es wurde alles aufgeboten, was möglich war.»

    Die Kerwa und die Obrigkeit

    Im territorial zersplitterten Franken habe das Fest lange unter dem Reglement der jeweiligen Landesherrschaft gestanden, sagt Krieger. Dies habe sich gewandelt, als Franken ein Teil des bayerischen Königreichs wurde. «Es änderten sich die vormals starren und reglementierten Abläufe zugunsten eines lebendigeren Festgeschehens, wie es auch heute die Kirchweih prägt.»

    Günter Dippold, oberfränkischer Bezirksheimatpfleger, in einem Vortrag: «Die Kerwa war nicht statisch.» Mancher Brauch entwickelte sich, verschwand wieder. «Örtliche und regionale Unterschiede bildeten sich heraus», so Dippold weiter. Besonders in lutherischen Regionen sei das Kerwatreiben kritisch gesehen worden. Der Coburger Obrigkeit sei die Kerwa 1684 als ein bloßes «freß-, sauf-, tanz- und spielfest» erschienen, zitierte Dippold aus einer historischen Quelle.

    Um die Ausschweifungen einzudämmen und zu verhindern, dass die Menschen jedes Wochenende auf einer anderen Kerwa feierten, gab es in allen Regionen Versuche, einen einheitlichen Kerwatermin für alle zu finden - die «Allerweltskirchweih». Geklappt hat das nicht. So haben auch heute noch viele fränkische Dörfer ihren eigenen Termin - manche inzwischen auch ganz ohne Kirche im Dorf.

    Warum die Kirchweih Jahrhunderte überdauert hat

    «Jeder Brauch ist umso lebendiger, umso mehr er sich wandelt», sagt Expertin Krieger. «Kirchweih ist ein Sammelbecken vielfältigster kultureller Ausdrucksformen.» Dazu gehörten Musik, Tanz, Verzeiler, traditionelle Speisen und Kleidung.

    Das Fest hat sich gewandelt, hat politische Veränderungen sowie Kriegs- und Notzeiten überstanden. «Alle Bräuche waren und sind permanent Veränderungsprozessen unterworfen, denn sollten sie irgendwann einmal nicht mehr zeitgemäß sein, würden sie schlichtweg aufhören fortzubestehen», sagt Ritter.

    Krieger betont: «Die hohe Anpassungsfähigkeit des Festes ist ein wichtiger Grund, weshalb es die Jahrhunderte überdauert hat. Sie macht die Kirchweihfeste in Franken lebendig, fit für die Zukunft und in ihrer jeweiligen Unverwechselbarkeit zu einem wertvollen Kulturgut.»

    Was gibt's zu Essen?

    Gleich vorneweg: Für Veganer ist das Speisenangebot einer Kerwa überschaubar, wobei sich auch hier vermutlich die Speisekarten anpassen, um anschlussfähig zu sein. Wenn deftiges Essen wie Krenfleisch oder Schlachtschüssel gereicht wird, so erinnert das an die Zeiten, als Fleischgerichte im Alltag die Ausnahme waren. Die Küchla - ein Schmalzgebäck aus Hefeteig - sind ebenso typisch für eine Kirchweih. Und Bier und Schnaps natürlich auch.

    Das Programm einer Kirchweih

    Das ist von Dorf zu Dorf verschieden. Manchmal wird einfach nur ein Kerwabaum aufgestellt und es wird in einem großen Zelt gefeiert, zuweilen auch mit Pop- und Rockmusik - anderswo leben alte Traditionen weiter. Die Lindenkirchweih in Limmersdorf (Landkreis Kulmbach) zum Beispiel hat es auf die bundesweite Liste des immateriellen Kulturerbes der Unesco geschafft. Zur Kirchweih tanzen hier die Kerwaburschen und -madla auf einem Tanzpodest in der Krone eines Lindenbaums. Nur noch wenige Orte pflegen diesen Brauch.

    Weitere mögliche Elemente einer Kerwa sind das Aufstellen eines Kerwabaums in der Dorfmitte, ein Festumzug, verschiedene Tanz-Variationen oder eine Kirchweih-Predigt, die Geschehnisse aus dem Ort aufs Korn nimmt.

    Gibt's Grenzen - oder nicht?

    Es wird gegrölt, es riecht nach Bier und Schnaps, manche Lieder überschreiten geschmackliche und ethische Grenzen. Aber gibt es an einer Kerwa etwa keine Grenzen? Dazu sagt Julia Krieger: «Kirchweih ist natürlich kein rechtsfreier Raum. Aber Kirchweih war seit jeher Ausnahmezustand.» Und weiter: «Wir wüssten weniger über die Geschichte und die wilden Aspekte der Kirchweih, wenn diese geduldeten Grenzen nicht immer wieder überschritten worden wären und seit dem 15./16. Jahrhundert nicht bedenklich viele Hinweise auf Schlägereien, Zank und Trunksucht Eingang in Quellen wie Strafakten oder Gerichtsprotokolle gefunden hätten.»

    Hat die fränkische Kerwa eine Zukunft?

    Hier sind sich die Experten einig - und bejahen diese Frage. Michael Ritter vom Landesverein für Heimatpflege sagt, dass Kirchweihen und auch andere Veranstaltungen wie Volksfeste oder Brauereifeste einen enormen Zulauf erfahren. «Selbst nach der einschneidenden Zäsur der Corona-Jahre gelang ein rascher Wiederaufschwung. Ein Ende des Booms ist nicht abzusehen.»

    Den Veranstaltern werde es - so wie in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten – sicher gelingen, die Attraktivität der Feste hochzuhalten. Doch es gibt praktische Hindernisse: Die Auflagen zum Schutz etwa vor Anschlägen würden den Veranstaltern stattliche Zusatzkosten abverlangen und Haftungsrisiken zumuten. «Inwieweit Vereine oder sonstige Personengruppen, die Kirchweihfeste oftmals organisieren, dazu bereit und in der Lage sind, wird sich zeigen.»

    In Limmersdorf wird zur Kirchweih auf einem Podest in einer Lindenbaumkrone getanzt. (Archivbild)
    In Limmersdorf wird zur Kirchweih auf einem Podest in einer Lindenbaumkrone getanzt. (Archivbild) Foto: picture alliance / dpa
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