In der nun doch schon fast 17 Monaten anhaltenden Corona-Pandemie mussten viele in der Gesellschaft erleben, dass sich fast alles geändert hat. Im Besonderen war und ist dies im künstlerischen Bereich zu spüren. Vieles liegt bis heute im Argen.
Es gibt aber Menschen aus diesem Bereich, die zwar in meist veränderter Form, aber dennoch unverdrossen weitermachen und sich von Corona nicht unterkriegen lassen. Zu diesen Menschen gehört der Wahl-Berliner Achim Seuberling.
Im Musikverein und beim Fußballclub als Torwart aktiv
Der gebürtige Mainrother, Jahrgang 1964, war als Kind und Jugendlicher stark in das gesellschaftliche Leben in seinem Heimatort integriert. Zum Beispiel war er fester Bestandteil des Musikvereins Mainroth. Und über das Gymnasium Burgkunstadt als Zwischenstation legte er am Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium Kulmbach sein Abitur ab. Dabei sei sein Vater die treibende Kraft gewesen, sagte er heute im Interview mit dieser Redaktion. Bessere Bildung, bessere berufliche Möglichkeiten habe die devise gelautet.
Bekannter dürfte Achim Seuberling vielen noch als Fußball-Torwart beim FC Mainroth beziehungsweise in schulischen Mannschaften sein, wo sein großes Talent sichtbar wurde. Trotz Anfragen wechselte er den Verein nicht. Sein großes Vorbild war der Torhüter der Weltmeister-Mannschaft von 1974, Sepp Maier.
Die Kneipenmusik für sich entdeckt
Doch mit dem älter werden entdeckte er die Musik in Szenelokalen und Clubs wie die Nürnberger Tafelhalle im Mittelfränkischen für sich. Hier war er dann als Musiker, Bandbegleiter, Helfer oder Organisator tätig.
Im Jahr 2003 ging's für Achim Seuberling in die Hauptstadt nach Berlin, zunächst der Liebe wegen in eine sogenannte Zweiraumwohnung, eine im Ostberliner Stadtteil Weißensee übliche Wohnungsbezeichnung. Ganz gleich wie man es nennt, scheint er dort sein Glück und seine Berufung gefunden zu haben. Nachdem er in der Kiez-Szene Fuß gefasst hatte, konnte er seinen Traum von einer eigenen, fest in der Nachbarschaft verankerten Kulturstätte verwirklichen.
Bemerkenswerter Ort für Theater, Bildende Kunst und Livemusik

Der Mainrother gründete 2008 die Kulturbühne „Sepp Maiers 2raumwohnung“. Der Name ist seinem Wohnort selbst und seinem Fußballidol aus der Kinder- und Jugendzeit gewidmet. Schnell sprach sich im Kiez, aber auch darüber hinaus herum, dass hier eine bemerkenswerte Spielstätte für Kleinkunst mit großer Qualität geboren war. Seuberling hatte ein Ort geschaffen, an dem Bildende Kunst, Livemusik und Theater, besonders Kindertheater, verwurzelt in der Nachbarschaft, gleichermaßen ihren Platz finden konnten.
Seit 2008 haben in „Sepp Maiers 2raumwohnung“ mehr als 200 Konzerte mit Künstlern aller musikalischen Richtungen stattgefunden. Unter anderem die in der Berliner Szene sehr bekannten „Die Zöllner im Duo Infernale“ oder „Bobo & Herzfeld“, „Veronika Harcsa & Nora Thiele“ sowie „Coconami“. Weiterhin gab es mehr als 30 Ausstellungen zu bewundern, etwa von Sabina Grzimek, Harald Hauswald, Hanna Hennenkemper, Mirjana Vrbaški, und dem Wohnheim für Autisten Weißensee. Über 40 Mal gab es Kindertheater sowie spezielle Musiktheater und Kinder-Popkonzerte.
„Insgesamt haben uns in den kleinen Räumen 12 000 Gäste besucht“, erklärt der Betreiber mit Stolz. Durch sein Angebot an Bildender Kunst, Konzerten, Kindertheater und Nachbarschaftsfesten hilft er auch den einkommensschwachen Menschen in seinem Kiez, am kulturellen Leben Berlins teilzuhaben.
„Zuerst waren wir nur zu dritt unter dem Kirschbaum.“
An der Langhansstraße 19 in Berlin-Weißensee haben auch sehr begegnungswirksame Veranstaltungen stattgefunden. So wurde schon 15 Mal ein Hanami-Kirschblütenfest gefeiert. Als er dort einzog, sei ihm im Innenhof der wunderschöne alte Kirschbaum aufgefallen, erklärt der Wahl-Berliner. Dadurch sei die Idee gereift, ein Hanami-Frühstück zu veranstalten.
„Zuerst waren wir nur zu dritt unter dem Kirschbaum“, erinnert er sich Seuberling. Doch aus dem ersten Treffen ist eine Tradition des ganzen Viertels geworden. Die Leute treffen sich mit Picknickkörben unter blühenden Kirschbäumen, um mit der Familie und mit Freunden eine schöne Zeit zu genießen. Kirschlikör und Kirschwasser gehören ebenfalls dazu wie der Film „Grüße aus Fukushima“ von Doris Dörrie. Der Brauch, das Wiedererwachen der Kirschblüten zu feiern, stammt aus Japan erklärt er weiter.
Dabei ist der gebürtige Mainrother Manager, Ausschankwirt, Techniker und seit einiger Zeit wieder Musiker in einem. Deshalb hat er wieder sein Saxofon ausgepackt, auf dem er für Auftritte jeden Tag ein bis zwei Stunden probt.
Eine Ausstellung zeigte Bilder von Kindern aus Flüchtlingsheimen
Auch bemerkenswerte Ausstellungen hat es in „Sepp Maiers 2raumwohnung“ schon gegeben. Die Idee, von Kindern gemalte Bilder zu zeigen, die in Weißenseer Flüchtlingsheime leben, fand viel Beachtung und setzte Akzente in der Weißenseer Kulturszene (Ausstellung „FLUCHT::KIND::MALT“). Berührend sind die Zeichnungen der Kinder, die gegen alle Vorstellung entgegen nicht Flucht, Krieg und Tod zeigen, sondern Motive, wie sie auch von Kindern von nebenan gemalt worden sein könnten.

Auch die Berliner Szenepresse, wie etwas die Berliner Woche, wurde auf das kulturelle Kleinod aufmerksam. 2015 übernahm der von Achim Seuberling gegründete gemeinnützige Verein „Vereinsmaier e.v.„ unter seinem Vorsitz die Trägerschaft. Die nächsten Höhepunkte waren die Auszeichnungen der „Initiative Musik gGmbH Applaus Deutschland“ 2016 und 2017. Applaus steht für „Auszeichnung der Programmplanung unabhängiger Spielstätten“. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien(BKM), Kulturstaatsministerin Prof. Monika Grütters, zeichnete Seuberling mit dem dem „Applaus“ für qualitativ anspruchsvolle, trendsetzende, kreative und herausragende Livemusikprogramme und Spielstätten aus. Der Preis ist mit 12 000 Euro dotiert, das Geld floss natürliche wieder in die Arbeit der Kulturstätte.
Und dann kam 2020 - ... Was für ein Jahr! Ein Jahr, das von Kulturveranstaltern vor allem eins erforderte: Improvisationsgabe. Die fertige Jahresplanung spätestens ab April nur noch unter Vorbehalt im Kalender stehen lassen, absagen oder verschieben. Soforthilfe-Antrag stellen, Spendenaufrufe starten, Livestream-Technik anschaffen und einrichten....
Pandemie: 14-tägig werden „Lebenszeichen“ gesendet
„Doch wieder machten wir aus der Not eine Tugend und renovierten dafür kurzerhand die Künstlergarderobe. Mit verbesserter Livestream-Technik senden wir seitdem 14-tägig ,Lebenszeichen' aus ,Sepp Maiers 2raumwohnung' in Form von Märchenlesungen und Duo-Konzerten“, so Unermüdliche. Und so war es 2021 so, dass zum dritten Mal einen Kulturpreis von Applqaus in Höhe von 5000 Euro an „Sepp Maiers 2raumwohnung“ ging.
Dass neben seiner Familie ein Stück von ihm in Franken geblieben ist, bestätigt der Kulturschaffende gleich im Anschluss an das Gespräch, als er sich erkundigt, was den bei den Mainrother Fußballern und Musikern so los sei.
Info: Wer mehr wissen oder in Berlin einen Abstecher zu der Kleinkunst-Spielstätte machen möchte, klickt mal auf seppmaiers2raumwohnung.de (https://seppmaiers2raumwohnung.de)