Angelika Oppel schlürft an ihrem heißen Chay. So wird der Tee im Iran bezeichnet. Sie ist wieder einmal eingeladen bei ihren Nachbarn Neda Ashgar und Morteza Zand. Die 70-Jährige wohnt neben dem ehemaligen Altenkunstadter Kloster, wo das junge iranische Ehepaar eine von insgesamt acht Parteien ist. Denn das Gebäude, das einst Ordensschwestern beheimatete, ist heute eine Asylunterkunft.
Die resolute Rentnerin bezeichnet sich selbst als Herbergsmutter für die beiden iranischen Ehepaare, die beiden Männer aus Afghanistan, den Iraker und den Iraner, die aktuell in dem Haus wohnen, das namensgebend für die gesamte Straße war. Angelika Oppel kümmert sich ebenso um die Asylbewerber wie Claudia Küffner und Katrin Geldner-Bergmann.
„Hier sind keine Taliban. Wenn, dann müssen sie vor mir Angst haben.“
Angelika Oppel mit einem Augenzwinkern

Diese drei Frauen stehen Beispiel gebend für das aktuell gute Miteinander von Christen und Muslimen in der Altenkunstadter Klosterstraße. In einer Straße, in der einst Christen und Juden friedlich zusammenlebten. Nun sind es Geflüchtete aus muslimisch geprägten Ländern, die ausgerechnet in einem ehemaligen Franziskanerinnen-Kloster untergebracht sind. Das Franziskanerinnen-Mutterhaus „Maria Stern“ in Augsburg führte in diesem Gebäude ab 1890 eine Kloster-Filiale. Die Ordensfrauen leiteten hier von 1930 bis 1972 auch ein Kinderheim, ehe das Augsburger Mutterhaus die „Filiale“ am Obermain wegen Nachwuchsmangel auflöste. Viele Jahre nutzte die Abtei „Maria Stern“ das Gebäude für Mietwohnungen, ehe sie es vor etwa fünf Jahren an einen Investor verkaufte, der daraus eine Asylunterkunft machte.
Schwester und Mama zugleich für „meina Kinner“
Wo einst die resolute Schwester Celerine im Klosterkindergarten ein Auge auf die ihr anvertrauten zirka 70 Mädchen und Jungen hatte, schaut nun die nicht minder durchsetzungsstarke Angelika Oppel nach dem Rechten. Wie kam sie überhaupt dazu, sich für die Asylbewerber ehrenamtlich zu engagieren? „Morteza, einer der Bewohner, hatte einen Unfall und wurde danach ungerecht behandelt. Da habe ich mich als direkte Nachbarin eingemischt“, erzählt sie. „Seitdem bin ich für alle da, quasi als Schwester und Mama zugleich für meina Kinner.“

Katrin Geldner-Bergmann fand über Angelika Oppel den Weg ins Helferinnen-Trio. Die Nachbarin von Gegenüber bezeichnet sich selbst als „Angelikas Sekretärin“. Die 44-Jährige kümmert sich um den gesamten Schreibkram für die „Chefin“, für die ein Computer neumodisches Zeugs ist. Claudia Küffner hingegen kam über eine Anfrage der inzwischen im gesamten Landkreis tätigen Aktiven Bürger zu ihrer ehrenamtlichen Arbeit. Sie ist seit Bestehen der Asylunterkunft im Kloster dabei. Aus anfänglicher Nachhilfe in Deutsch wurde eine immer umfassendere Betreuung.
„Niemand erklärt ihnen, was sie machen sollen. Das ist sehr schade. Dabei sind sie sehr willig.“
Katrin Geldner-Bergmann zum Umgang mit Asylbewerbern
Und die ist auch nötig, haben doch all die Geflüchteten, die über das Auffanglager in Bamberg und teils über das Heim in Weismain den Weg nach Altenkunstadt gefunden haben, keine Ahnung von den Gepflogenheiten in ihrer neuen Heimat Deutschland. Die drei Damen fahren ihre Schützlinge zum Arzt, zum Impfen, zu den Ämtern. Sie helfen ihnen beim Ausfüllen notwendiger Formulare. „Man muss sich dabei teils erst selbst mal schlau machen“, weiß Claudia Küffner. „Wie soll dies ein Asylbewerber kapieren?“ Katrin Geldner-Bergmann ergänzt: „Niemand erklärt ihnen, was sie machen sollen. Das ist sehr schade. Dabei sind sie sehr willig.“
Ehepaar nach zwei Jahren in Altenkunstadt wieder vereint
Neda Ashgar zum Beispiel. Die junge Frau spricht schon erstaunlich gut deutsch, obwohl sie erst seit zwei Jahren in Deutschland ist. Nachdem sie auf ihrer Flucht von ihrem Mann getrennt worden war und zwei Jahre in kroatischer Haft verbracht hatte. Hier in Altenkunstadt ist sie mit ihm wieder vereint. Sie hat hier mit Hilfe der drei Damen ebenso eine Arbeit gefunden wie einige andere Bewohner des Klosters.
Alle eint die Erleichterung, hier in Frieden leben zu können. „Hier sind keine Taliban. Wenn, dann müssen sie vor mir Angst haben“, sagt eine ausnahmsweise mal lächelnde Angelika Oppel im Scherz. „Ich bin die, die gerne schimpft. Das ist mein Hobby.“ Sei es bei der richtigen Trennung des Mülls oder anderem. Doch im Grunde ist die rüstige Rentnerin die gute Seele des Hauses. Kein Wunder, dass Neda sagt: „Ohne die Angelika geht nichts!“

Alle drei heimischen Helferinnen erhalten für ihre Tätigkeit große Dankbarkeit zurück. Sie werden zu einem Tee hereingebeten, werden zum Essen eingeladen oder erhalten Hilfe beim Holzaufschlichten. „Die freuen sich schon sehr, wenn sie sehen, was wir für sie alles gemacht haben“, betont Claudia Küffner. Sie berichtet auch von zwei jungen Afghanen, die sie länger betreut hat. Mit ihnen hat sie noch immer telefonischen Kontakt, obwohl beide aus Angst vor Abschiebung inzwischen in ein anderes Land weitergezogen sind.
„Im Landratsamt Lichtenfels sind die Leute sehr hilfsbereit. Mit manchen der anderen Behörden aber kann man verzweifeln.“
Claudia Küffner
Überhaupt der Umgang mit den Behörden. Da haben Claudia Küffner und Katrin Geldner-Bergmann ihre Erfahrungen schon gemacht. Zwiespältige nämlich. „Im Landratsamt Lichtenfels sind die Leute sehr hilfsbereit“, verteilt Küffner ein dickes Lob, um hinterherzuschieben: „Mit manchen der anderen Behörden aber kann man verzweifeln.“ So ist es ein weiter Weg, bis ihre Schützlinge einen unbefristeten Aufenthaltsstatus erlangen. Vor allem alleinstehende Männer haben es schwer.

Besonders Angelika Oppel täte es sehr leid, wie sie sagt, wenn einer der Altenkunstadter Klosterbewohner wieder weg müsste. „Ich mag die doch alle. Die sind wie meine Kinder!“ Man merkt ihr an, dass sie für ihr Rentnerdasein noch einmal eine erfüllende Aufgabe gefunden hat.