Andreas Braun sitzt im Besprechungszimmer auf der anderen Seite der Plexiglasscheibe und strahlt hinter seiner Maske. Zum Jahresbeginn hat er seine neue Stelle als Leiter der Kreuzberg-Kindertagesstätte in Altenkunstadt angetreten, und man merkt ihm die Freude über diesen Neubeginn an. Auch wenn es mit Anmeldewoche, Jahresschluss und Kennenlernterminen, auch bei Bürgermeister Robert Hümmer und Geschäftsleiter Alexander Pfaff von der Gemeinde Altenkunstadt, gleich richtig zur Sache ging. Gestresst wirkt er nicht.
„Ja, das war eine turbulente Zeit. Aber ich wurde gut unterstützt vom Träger, der Caritas gGmbH Sankt Heinrich und Kunigunde, und von meinem Team“, erklärt der 37-Jährige und lächelt. Er verteilt viel Lob in diesem Gespräch, für seine „sehr engagierten, sehr gut qualifizierten“ Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für das Heilpädagogische Zentrum, das ihm Luft und Raum zur Einarbeitung gebe und ihn komplett für die Leitungsfunktion freistelle. Ihm nimmt man das positive Urteil auch ab, ist er doch in seiner bisherigen Laufbahn schon viel herumgekommen und hat viel gesehen.
Der Zivildienst bei Regens Wagner verändert sein Leben
Dabei entsprach diese gar nicht seinen ursprünglichen beruflichen Plänen. Nach der Schule hat Braun eine Ausbildung zum Zierpflanzengärtner absolviert und wollte auch dabei bleiben. Dann kam die Einberufung – er gehörte zu den letzten Jahrgängen, die gemustert wurden. Die Entscheidung für den Zivildienst bei Regens Wagner in Burgkunstadt sollte sein Leben verändern.
„Die Arbeit mit Kindern ist grundsätzlich etwas ganz Besonderes. Diese Unvoreingenommenheit, diese Herzlichkeit, man bekommt sofort eine Rückmeldung, wenn ihnen etwas gefällt“: Braun meint, dass der Beruf von der Gesellschaft immer noch unterschätzt wird. „Man erfährt Sinn. Das geht tiefer als in manch anderen Berufen!“
„Ohne Zivildienst würde ich nicht hier sitzen. Ich hätte das nie erlebt, wenn ich nicht gemusst hätte.“
Andreas Braun, Leiter der Kreuzberg-Kindertagesstätte
Andreas Braun ist froh und dankbar für seine Zeit bei Regens Wagner. „Ohne Zivildienst würde ich nicht hier sitzen“, ist er sich bewusst. „Ich hätte das nie erlebt, wenn ich nicht gemusst hätte.“ Er würde deshalb auch ein soziales Jahr für alle befürworten. Schließlich hätten viele bei ihrer Berufswahl gar nicht auf dem Schirm, was für eine Vielfalt an Entwicklungsmöglichkeiten der pädagogische und soziale Bereich bietet.
Für Erzieher sei eine fünfjährige Ausbildung erforderlich. Es gebe viele Weiterbildungsmöglichkeiten, man könne ein Studium draufsatteln oder sich zum Fachwirt weiterbilden. Zum Einsatz kämen die pädagogischen Fachkräfte nicht nur in Betreuungseinrichtungen, sondern zum Beispiel auch in Beratungsstellen oder Reha-Kliniken und zu unterschiedlichen Tages- oder auch Nachtzeiten. So ließen sich Beruf und Familie unter einen Hut bringen, erklärt der zweifache Vater, der mit einer Erzieherin verheiratet ist. Andreas Braun lächelt. „Ohne Zivildienst hätte ich auch meine Frau nicht kennengelernt.“
Für Fußball und die richtig wilden Spiele
Er ließ sich zum Heilerziehungspfleger ausbilden, arbeitete erst bei Regens Wagner in Burgkunstadt, dann im Hort in Redwitz. Es folgten die Weiterbildung zur pädagogischen Fachkraft und die Arbeit als Springer in Betreuungseinrichtungen des evangelischen Dekanats Michelau, dann der Wechsel nach Thurnau, wo er sich zum Fachwirt im sozialen Bereich qualifizierte. Die letzte Station vor Altenkunstadt war eine Anstellung in Lichtenfels.

Es ist ein Berufsfeld, in dem Männer immer noch exotisch wirken. Braun hat schon Anfeindungen erlebt – böse, derbe Anspielungen. Aber das Rollenbild ändere sich, und mittlerweile fänden gerade Frauen es gut, wenn ihre Kinder auch tagsüber eine männliche Identifikationsfigur haben. Er schmunzelt. „Und die Väter freuen sich, dass ihre Jungs jemanden zum Fußball spielen haben.“ Bei den Kindern stünden Erzieher hoch im Kurs, weil sie sie als robuster einschätzten und mit ihnen deshalb wildere Spiele spielten.
Spott kennt Andreas Braun auch, etwa: „Ach, ein bisschen Kaffee trinken mit den Kindergärtnerinnen, was?“ Damit kann er umgehen. Auch wenn es ihm natürlich nicht gefällt, dass Erzieherinnen und Erziehern generell wenig Wertschätzung entgegengebracht wird. Für viele sei Kinderbetreuung etwas, das Mütter daheim nebenbei machen.
Von Kleingruppenarbeit bis zur Medienkompetenz
Aber es sei ja längst nicht mehr damit getan, sich mit den Schützlingen hinzusetzen und zu spielen. In den meisten Familien arbeiten mittlerweile beide Elternteile Vollzeit. Das heißt, der Kindergarten muss vieles auffangen, muss leisten, wofür daheim die Zeit nicht bleibt. Und die Erwartungshaltung der Eltern habe sich geändert. Sie forderten Kreativität, Kleingruppenarbeit, Naturerlebnisse, Regionalität, zählt der Kita-Leiter auf. Künftig werde sicher auch Medienkompetenz eine größere Rolle spielen.
Und natürlich erwarte auch der Träger eine Weiterentwicklung des pädagogischen Konzepts, damit die Einrichtung gut für die Zukunft aufgestellt ist. Aber Braun denkt nicht, dass er in Altenkunstadt viel ändern muss. „Meine Schwerpunkte decken sich mit dem, was hier praktiziert wird: rausgehen in die Natur, Bewegung, reelle Erlebnisse schaffen.“ Beziehungsweise, mit dem, was hier zu normalen Zeiten praktiziert wird. Corona schränkt auch die Erzieherinnen und Erzieher ein. Gruppen übergreifende Projekte fallen zurzeit weg, genauso wie Besuche im Seniorenheim, bei heimischen Handwerkern oder Firmen.
Trotzdem hätten die Jungen und Mädchen den Kindergarten jetzt noch mehr schätzen gelernt: Hier könnten sie sich weiterhin treffen, und zwar mindestens vier Stunden am Stück. Denn das ist es, was zurzeit am meisten fehlt – Begegnungen. Ansonsten, so erlebt es Braun, verkraften die Kinder die Corona-bedingten Änderungen gut. Vor allem die Kleineren würden ja nur eine Betreuung mit Maske kennen. Also vermissten sie auch nichts.
Warum „Tür-und-Angel-Gespräche“ mit den Eltern so fehlen
Der Kita-Leiter wiederum realisiert jetzt, da die Eltern ihre Kinder nur bis zum Eingang bringen dürfen, wie wichtig die kleinen „Tür-und-Angel-Gespräche“ früher waren: kurze Unterhaltungen beim Bringen und Holen der Kinder, in denen wichtige Informationen weitergegeben wurden. Etwa, wenn die Tochter am Nachmittag vorher Streit mit dem Nachbarskind hatte. Dann war klar, warum die beiden in der Gruppe grad nicht miteinander spielen wollten.
Trotzdem hat Andreas Braun sich auch über so manches Wiedersehen freuen können. Der 37-Jährige ist in Theisau geboren, viele der Eltern sind in seinem Alter. Da sind Väter dabei, mit denen er früher Fußball gespielt hat, Mütter, die er von der Schule kennt. Und so ist die Arbeit in der Kreuzberg-Kita in Altenkunstadt für ihn auch ein bisschen eine Rückkehr zu den Wurzeln.