„Die ältesten Zeugnisse christlichen Gottesdienstes findet man in der Bibel. Genauer gesagt in der Apostelgeschichte, die das Leben der frühchristlichen Gemeinden beschreibt.“ Mit dieser Feststellung eröffnete Domkapitular Professor Peter Wünsche aus Bamberg seinen Vortrag zum Thema „Gott feiern durch die Jahrhunderte – Zur Geschichte der christlichen Liturgie“. Die katholische Kirchengemeinde Altenkunstadt setzte damit den Veranstaltungsreigen aus Anlass ihrer 1200-Jahr-Feier fort.
Dem Referenten zufolge nahmen die Urchristen in Jerusalem noch am Gottesdienst im Tempel teil: „Man brach also nicht sofort mit dem jüdischen Glaubensleben.“ Daneben feierten sie aber auch bei sich daheim Gottesdienst mit einer christlichen Hausliturgie. Nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels 70 nach Christus wurde die häusliche Feier zur Hauptform.
Das Herrenmahl der Christen
Wie sah nun das Herrenmahl der Christen aus? Laut Wünsche unterschied es sich vom Ablauf her nur unwesentlich von der jüdischen Tradition. Bevor der Hausvorstand das Brot brach in dem Bewusstsein, dass Jesus darin gegenwärtig ist, segnete er es. Nach dem Mahl folgten ein Dankgebet und ein Segensgebet über einem Becher Wein. Der christliche Gottesdienst, der in erster Linie aus dem abendlichen Brot brechen bestand, wurde im kleinen Kreis gefeiert. Die Größe der Gemeinden bewegte sich anfangs zwischen 30 und 40 Gläubigen.
Im frühen zweiten Jahrhundert verlegte man die Feier auf den Morgen und trennte „das Sättigungsmahl vom eigentlichen Gottesdienst“. Wer nicht daran teilnehmen konnte, dem wurde das heilige Mahl von Diakonen gebracht. Als Orte der Zusammenkunft dienten zu Hauskirchen umgewidmete Wohnhäuser.
„So lange die Gemeinden klein waren, reichten diese auch völlig aus“, erklärte der Domkapitular. Dies änderte sich aber schlagartig mit Kaiser Konstantin und der Befreiung der Christen im vierten Jahrhundert. Man baute nun für die Gemeinden große Basiliken als Versammlungsräume. Für den Klerus bildete sich ein eigener Stand aus. Erste liturgische Bücher wurden verfasst. „Die Kirche kam zu jener Zeit zu Ansehen und Geld und konnte es sich daher leisten, schöne Gotteshäuser zu errichten.“
Im Mittelalter veränderte sich der Gottesdienst. Der Chorraum in den Sakralbauten war der Geistlichkeit vorbehalten, was zur Folge hatte, dass Volk und Klerus den Kontakt zueinander verloren. „In der Gestaltung der Basiliken kam dies besonders zum Ausdruck“, betonte Wünsche. „Beten war Sache des Klerus, das Volk war zum Arbeiten da.“
Die Liturgie als „Abbild göttlicher Ordnung“ wurde in kostbaren Büchern festgeschrieben, ebenso der rituelle Ablauf. „Latein als Liturgiesprache vergrößerte in den germanischen Ländern die Distanz zwischen Volk und Liturgie“, bedauerte der Redner. Kunstvolle Gesänge traten an die Stelle des Volksgesangs, die Fürbitten der Gläubigen verschwanden aus dem Gottesdienst, und auch der Kommunionempfang verlor an Bedeutung: „Aus Angst, unwürdig zu kommunizieren, blieben die Menschen lieber dem Tisch des Herrn fern.“ Es entstand eine „Schaufrömmigkeit“. Der Gottesdienst wurde laut Wünsche immer prächtiger. Im Spätmittelalter kamen Monstranz, Tabernakel und eucharistische Prozessionen auf: „Man wollte das Heilige sehen. Der Gottesdienst wurde zum heiligen Spiel und das Volk in die Zuschauerrolle gedrängt.“
Die frühe Neuzeit brachte nicht nur die Reformation, sondern auch Reformen. Man wollte zurück zu den Ursprüngen und nach den Normen der Väter seinen Glauben leben. Aller Aberglaube sollte aus dem Gottesdienst getilgt werden. Der Priester durfte nur noch einmal am Tag die heilige Messe zelebrieren. Gottesdienstsprache blieb aber Latein.
„Gottesdienst soll vernünftig sein“, lautete die Leitlinie der katholischen Kirche im 20. Jahrhundert. Tod und Auferstehung rückten wieder in den Mittelpunkt der Liturgie. Vor allem aber wollte man dem Volk die Liturgie zurückgeben: „Die Gläubigen sollten nicht mehr nur zuschauen, sondern aktiv am Gottesdienst teilnehmen.“ Eine liturgische Bewegung entstand, ökumenische Beziehungen zu den Ostkirchen wurden aufgenommen.
Der Referent berichtete vom Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965), das sich gleich zu Beginn mit der Liturgie beschäftigte. Dabei erkannte man, dass „Liturgie als zentrales Handeln der Kirche sich ändert und sich auch ändern muss, weil auch der Mensch sich ändert“. Zu feiern ist sie unter den Bedingungen der jeweiligen Kultur, wobei die Eucharistie als Kern erhalten bleiben muss. Dem Konzil war es wichtig, dass Kirche und Volk gemeinsam feiern: „Deshalb wurden auch die Fürbitten als Gebet der Gläubigen wieder in den Gottesdienst aufgenommen und die Verkündigung des Wort Gottes sollte in der Volkssprache erfolgen“.
„Eine Liturgie im Wandel sichert nicht zuletzt die Lebendigkeit im Glauben.“
Peter Wünsche Domkapitular
„Für die Kirche kann eine gute Mischung aus Tradition und Neuem nur von Vorteil sein. Und eine Liturgie im Wandel sichert nicht zuletzt die Lebendigkeit im Glauben“, fasste der Domkapitular zusammen. Mit heimischem Gerstensaft und einer Jubiläumskerze bedankten sich Pfarrgemeinderatsvorsitzender Thomas Geldner und Diplom-Theologe Josef Motschmann bei Professor Dr. Peter Wünsche für den kurzweiligen Streifzug durch die Kirchengeschichte.