Als im März 1990 das letzte Paar Schuhe in Burgkunstadt vom Band lief, ging eine über 100-jährige Erfolgsgeschichte zu Ende. „Auf sicherem Fuß in die Zukunft“ lautete noch 1988 eine Zeitungsnotiz, die sich sehr schnell als Seifenblase erwies. Einer der Pioniere der Burgkunstadter Schuhindustrie war Hans Püls, der am 28. März 1973 als Gerberssohn im elterlichen Haus am Mühlbach geboren wurde. Seine Erfolgsgeschichte, die 1902 begann und in zahlreiche Stiftungen mündete, soll hier nachgezeichnet werden.
Eine dieser Stiftungen, das Kriegerdenkmal auf dem Burgkunstadter Friedhof, wurde 1923 nach seinen Entwürfen von den Steinwerken Diroll errichtet. Der Bildhauer Maisel aus Coburg meißelte dazu aus Kleinziegenfelder Naturstein eine Kreuzigungsgruppe.
Hans Püls übernahm nach Jahren der Wanderschaft im Jahr 1897 von Vater Gerberei, Ledergroßhandlung, Brauerei und Fuhrbetrieb. Im gleichen Jahr verheiratete er sich mit seiner Frau Therese, die ihren Mann zeitlebens tatkräftig im Betrieb unterstützte. Als dieser 1901 Max Pretzfelder kennenlernte, beschlossen sie, gemeinsam eine Schuhfabrik zu errichten. Diese wurde 1902 unter dem Firmennamen „Pretzfelder & Co“ aus der Taufe gehoben. Als erstes Fabrikgebäude diente Pretzfelders Haus.
In Handarbeit
Die Schuhfabrikation steckte zu der Zeit noch in den Kinderschuhen, gefertigt wurde fast ausschließlich in Handarbeit. Vorhandene Maschinen hatten Fußantrieb. Zu Beginn waren 25 Schuster beschäftigt, aber bereits 1903 waren es 56 Mitarbeiter. Die Fertigungsräume in Pretzfelders Haus waren bereits nach einem Jahr zu klein, und man zog in das modernere Gebäude der neuen Gerberei von Hans Püls am Mühlbach um, das vergrößert und modernisiert worden war.
Mit dem Einbau einer der modernsten Kraftanlagen mit einem Niederdruckheizkessel wurde die Fabrik zu einem leistungsfähigen maschinellen Betrieb umgestellt. Fabriziert wurden Herren- und Knabenartikel; zur wirtschaftlicheren Ausnutzung wurde Kinderschuhwerk mitgefertigt. Um 1904 wurde die Firma in „Pretzfelder & Püls“ umbenannt und firmierte mit dem Schusterjungen, der heute noch in der Bahnhofsstraße vor der ehemaligen Püls-Schuhfabrik steht, als Markenzeichen. 1911 kaufte Hans Püls in der Bahnhofsstraße gegenüber der Weiermann-Schuhfabrik eine große Fläche zum Preis von 5420 Goldmark und baute ein neues Fabrikgebäude. Auf festen Fundamenten wurden Parterre und zwei Stockwerke errichtet, daneben entstand eine Wohnvilla.
1912 trennte er sich von Pretzfelder und machte sich selbstständig. Die neue Firma nannte sich Hans Püls, Schuhfabrik, ihr Markenzeichen waren ab sofort die drei Pilze. Stets darum bemüht, sich dem Fortschritt anzupassen, verbesserte er ständig den Maschinenpark und erhöhte die Produktion. Dann kamen der Erste Weltkrieg und die Inflation. Materialmangel und andere Widrigkeiten brachten die Produktion aus dem Gleichgewicht. Allerdings musste der Betrieb nicht stillgelegt werden.
Von Püls über Hühnlein bis Baur
Nach 1920 regte sich die Bautätigkeit wieder, und Hans Püls ließ ein repräsentatives Verwaltungsgebäude mit Parkanlage errichten. Bereits 1925/26 folgte ein dreistöckiger Fabrikbau entlang der Bahnhofsstraße. Als beste Mitarbeiter bewährten sich in den Jahren des Wiederaufbaus die späteren Schuhfabrikanten August und Otto Hühnlein, die bei Püls gelernt hatten. Ihr Schwager Friedrich Baur wurde ab 1922 Prokurist. Dieser schlug später einen ganz anderen Weg ein, als erster deutscher Schuhversender gründete er das Versandhaus Baur. Aber das ist eine andere Lebensgeschichte.
Bei Püls stiegen die Produktionszahlen unaufhaltsam in die Höhe. Im Jahr 1927 fertigten 800 Beschäftigte 751 196 Paar Schuhe im Jahr, das sind etwa 5000 Paar pro Tag. Eine beachtliche Leistung. Die Firma zählte zu der Zeit zu den bedeutendsten in Bayern. In dieser Hoch-Zeit erwies sich Hans Püls als Mäzen seiner Heimatstadt. Er stiftete ein Kinderheim, das in der Bahnhofstraße an der Stelle des heutigen Baur-Hochhauses stand. Es erhielt zu Ehren seiner Frau den Namen „Theresien-Kinderheim“. Daneben beteiligte er sich finanziell an der Errichtung vieler Siedlungshäuser, ließ die katholische Kirche renovieren und spendete eine Glocke. Schon 1923 hatte er das eingangs erwähnte Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges gestiftet, weil die Stadt hierfür kein Geld hatte.
Für sein unermüdliches soziales Engagement wurde ihm bereits 1923 die Ehrenbürgerwürde der Stadt verliehen, 1928 wurde er zudem zum „Geheimen Kommerzienrat“ ernannt und er erhielt den „Preußischen Verdienstorden“ sowie den Päpstlichen Gregoriorden der höchsten Stufe. Seinem herausragenden sozialen Einsatz trug der Stadtrat später Rechnung, als er eine Straße in der „Schulsiedlung“ nach ihm benannte.
Am 18. Juli 1943 verstarb Hans Püls, sein Sohn Georg trat die Nachfolge an. Als sich die heimische Wirtschaft langsam von den verheerenden Folgen des Zweiten Weltkriegs erholt hat, zählt die Firma Püls 350 Beschäftigte (1952). Die höchste Produktionsleistung erzielte die Firma Hans Püls unter der Leitung seines Enkels Robert im Jahr 1969 mit 1 013 000 Paar Schuhen im Jahr. Diese Leistung vollbringen 826 Mitarbeiter.
Der FAZ einen Bericht wert
In den Jahren 1970 bis 1974 schrumpft die deutsche Schuhproduktion um mehr als 30 Prozent. Wegen der immer weiter sinkenden Auftragszahlen sah sich Robert Püls gezwungen, im März 1976 die Firma Hans Püls zu liquidieren. „Die Schließung der Püls-Schuhfabrik fand sogar ihren Niederschlag im Wirtschaftsteil der ,Frankfurter Allgemeinen‘ am 31. März 1976. Hier nannte Robert Püls ,als Ursache für die schlechte Absatzlage in erster Linie den beträchtlichen Importdruck auf den Schuhmarkt. Dies gelte besonders für den Bereich Sportartikel, während das Unternehmen bei den ,Globetrotter‘-Straßenschuhen in einer mittleren Preislage nicht ganz so stark unter den Importen zu leiden hatte‘. Mit der Einstellung der Produktion unter der Leitung von Robert Püls endete eine Familientradition auf dem Gebiet der Schuhherstellung, die fest mit Burgkunstadt verbunden gewesen war“ (Auszug aus „Borkuschter Mosaik“ – eine etwas andere Stadtgeschichte).