In allen Epochen haben sich die Menschen mit der Liebe auseinandergesetzt, haben Gedichte darüber geschrieben oder Lieder komponiert. „Time stands still“ (Die Zeit steht still) heißt es in einem Liebeslied von John Dowland. Auch wenn das Lied über 400 Jahre alt ist, kann seine Poesie auch heute noch die Menschen berühren. Der jüngste Kultursonntag entführte das Publikum in der Alten Vogtei auf eine musikalische Reise durch die Renaissance.
Stimmen voller Schlichtheit und Kraft
Die Solisten von „Cantus Thuringia“ haben sich der hohen Kunst des Gesangs einer Musikepoche verschrieben, die wie der Popstar Sting unter Beweis stellt, auch heute noch Hit-Qualitäten besitzt. Das Vokalensemble tritt in der Besetzung Anna Kellnhofer (Sopran), Christoph Dittmar (Altus) Mirko Ludwig (Tenor) und Carsten Krüger (Bass) auf. Vier wunderschöne Stimmen voll anrührender Schlichtheit, die sich wunderbar ergänzen. In der Instrumentalbegleitung werden sie von Silvia Müller (Blockflöte) und Christoph Sommer (Lauteninstrumente) ergänzt. Silvia Müller dürfte dem Vogtei-Publikum noch vom Kultursonntag im Dezember in Erinnerung sein. Auch damals waren Werke im Originalklang ihrer Entstehungsepoche zu hören.
Der erste Teil des Konzertabends widmet sich geistlichen Liedern aus dem 16. und 17. Jahrhundert. Es beginnt mit Thomas Tallis, einen Komponisten geistlicher Musik zur Zeit der englischen Reformation. Tallis Choral „O Lord, in thee is all my trust“ erklingt als ein inniges Gebet, das der Hoffnung auf Erlösung von den Sünden Ausdruck verleiht. Neben einem weiteren Choral ließ auch die Suite Nummer 4. für Blockflöte und Basso continuo des Engländers Matthew Locke aus dem 17. Jahrhundert aufhorchen. Eines von zwei reinen Instrumentalstücken des Abends. Henry Purcell galt schon zu Lebzeiten als der bedeutendste englische Komponist. „Cantus Thuringia“ haben den mit dem Ehrentitel „Orpheus britannicus” ausgezeichneten Komponisten mit drei Werken einen gebührenden Platz im Programm eingeräumt.
Der zweite Teil des Abends widmete sich dem elisabethanischen Zeitalter und den weltlichen Liedern. John Dowland spielte nicht nur Laute, sondern komponierte auch viel. Er hat vier Liederbücher veröffentlicht, darunter auch das 1603 erschienene „The Third and Last Booke of Songs or Aires", aus dem das eingangs erwähnte „Time stands still“ stammt.
Wie am Hofe von Königin Elisabeth I.
Der intime Rahmen der Alten Vogtei bietet eine vorzügliche Bühne, für diese Form der Darbietung. Das Publikum wird in eine Zeit zurückversetzt als Königin Elisabeth I. das Land regierte und sich England 1588 gegen die spanische Armada behauptete. Am Hofe gab es hauptberufliche Blockflötisten. John Dowland war knapp 50 Jahre alt, als er im Oktober 1612 die ersehnte Anstellung am englischen Hof erhielt.
„Cantus Thuringia“ singt die Lieder im englischen Originaltext. Zum besseren Verständnis liegen die Übersetzungen in deutscher Sprache dem Programm bei. Das Publikum kann sich ganz dem Musikgenuss hingeben. Gemeinsam mit den Flöten und der Laute formen sich die Stimmen von „Cantus Thuringia“ kunstvoll zu einem harmonischen Ganzen. Ein eher seltener Kunstgenuss, der sicher einer der Höhepunkte der laufenden Saison ist. Entsprechend begeistert fällt der Applaus aus.