Bernd Hoffmann, ehemaliger Geschäftsführer der Maschinenfabrik Fischer aus Burgkunstadt, kramt nicht nur jede Menge Erinnerungen aus seinem Gedächtnis hervor, sondern aus seiner Hosentasche auch eine Packung Tempos, wie Papiertaschentücher landläufig genannt werden. Für den Burgkunstadter ist das ein Beispiel für einen Markennamen, der zum Gattungsnamen geworden ist. Geschäftsführer Detlef Knorr greift dieses Bild auf: „Wenn man in der Reifenindustrie von einer Cordschneideanlage spricht, dann ist oft von einer 'Fischeranlage‘ die Rede. Unser Firmenname ist quasi zu einem Synonym für Cordschneideanlagen geworden.“
Kein Wunder bei einem Marktanteil von 70 Prozent. „Von den zehn erfolgreichsten Reifenherstellern vertrauen neun dem Know-how aus Burgkunstadt“, streicht Knorr heraus. Die Firma Fischer, Weltmarktführer im Bereich der Cordschneideanlagen für die Reifenindustrie, feiert heuer 75-jähriges Bestehen.
„Wir sind im Sondermaschinenbau tätig. Wenn man die Erwartungen erfüllt und das Produkt stimmt, dann spricht sich das weltweit in der Reifenbranche herum.“
Bernd Hoffmann, ehemaliger Geschäftsführer
In der Firmenchronik steht: „Als wir Anfang der 50er Jahre auszogen, um die Welt zu sehen, wer glaubte damals schon, dass die Welt einmal zu uns kommen würde.“ Inzwischen pflegt man Geschäftsbeziehungen mit Kunden aus 65 Ländern. Zwei Tochterunternehmen wurden 1983 und 2009 gegründet: in Lawton im US-Bundesstaat Oklahoma und im chinesischen Qingdao, der ehemaligen deutschen Kolonie.
Wie wurde aus einem mittelständischen Maschinenbaubetrieb aus Oberfranken eine Firma von Weltrang? Der Helmbrechtser Heimatkundler Otto Knopf spricht in seiner historischen Abhandlung über die Firma Fischer („Der Beginn einer eisernen Epoche“) 2003 vom „großen Wurf“, zu dem das Unternehmen 1971 ausgeholt hatte. „Damals wurde von Textilcord- auf Stahlcordreifen umgestellt. Stahlcord, ein Seil aus Stahldraht versehen mit einer dünnen Schicht Messing oder Zink, kombiniert mit Gummi, lässt sich nur schwer schneiden. Uns gelang es, mit einem neuen Verfahren, das Problem zu lösen“, erinnert sich Hoffmann.
Hinter dem internationalen Erfolg steckt für Geschäftsführerin Simone Thies, die zusammen mit Detlef Knorr und Ralf Klenner das Unternehmen leitet, auch ein hartes Stück Arbeit, Klinkenputzen und so manch gute Idee. Jede Maschine, die die Burgkunstadter Werkshallen verlässt, ist ein Unikat. „Wir sind im Sondermaschinenbau tätig. Auf diesem Gebiet ist es wichtig, auf die Wünsche des Kunden einzugehen. Wenn man die Erwartungen erfüllt und das Produkt stimmt, dann spricht sich das weltweit in der Reifenbranche herum“, erläutert Hoffmann.
Begonnen hatte alles mit anderen Produkten. Firmengründer Karl Eugen Fischer (1894 bis 1977) erwarb 1940 im lothringischen Saargemünd eine stillgelegte Maschinenfabrik, wo er Tresoren fertigte. Vier Jahre später wurde der Betrieb nach Burgkunstadt zwangsverlagert und bezog nicht mehr genutzte Räume der Schuhfabrik „Obermain“. Knopf spricht in seiner Chronik vom „Beginn einer eisernen Epoche“. 1947 erfolgte die Übersiedlung in ein eigenes Werksgebäude in den Mainauen unweit des Burgkunstadter Bahnhofs.
Anfang mit Brücken und Bratpfannen
In den ersten Jahrzehnten wurden Produkte hergestellt, die man heute nicht mehr mit der Firma Fischer in Verbindung bringen würde. Auf Anordnung der amerikanischen Militärregierung wurden die im Krieg zerstörten Brücken wieder aufgebaut. Etwa die Eisenbahnbrücke zwischen Hochstadt und Redwitz, die mangels anderem Material aus Flakgeschützrohren hergestellt worden war. Später verließen 40 000 Bratpfannen und über 600 eiserne Küchenherde den Betrieb. Auch Webstühle wurden gebaut. „Die Firma Fischer war früher sehr flexibel“, kommentiert Hoffmann die damalige Produktpalette. Dahinter steckt für Thies jede Menge Unternehmergeist und Findigkeit.
Zurück zur Gegenwart. Das Schlagwort vom Fachkräftemangel ist in aller Munde. Leidet auch die Firma Fischer, die Ende September 521 Mitarbeiter zählte, darunter? „Es ist uns bislang immer gelungen, alle vakanten Stellen und Ausbildungsplätze zu besetzen“, freut sich Thies. Der gute Ruf des Unternehmens trägt für sie maßgeblich dazu bei. Sicherlich auch manche pfiffige Idee, mit der das Unternehmen bei der Lehrlingsakquise aufhorchen lässt: Im Rahmen von Workshops werden jungen Leuten Berufe wie Konstruktionsmechaniker vorgestellt. Auch einen Lehrertag gibt es, an dem Pädagogen in die Rolle von Lehrlingen schlüpfen. Sie werden zu Multiplikatoren, die ihr erworbenes Wissen in die Schulen hineintragen.
Gute Auftragslage entgegen dem Trend
Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht in seiner Herbstumfrage von einer Eintrübung der Konjunktur aus. Trifft das auch auf die Firma Fischer zu? Thies schüttelt den Kopf. „Davon spüren wir nichts. Bei uns sind bereits die ersten Vorbestellungen für das Jahr 2016 eingegangen. Wir gehen voller Zuversicht in das neue Jahr“, zieht sie ein positives Fazit.