„Eigentlich ist eine derartig große Veranstaltung in der Mitte einer Legislaturperiode eher ungewöhnlich“, meinte der Vorsitzende der Freien Bürger Ortsteile Altenkunstadt Georg Deuerling zur Eröffnung der Regionaltagung Tourismus im Hotel „Fränkischer Hof“ in Baiersdorf. Da das Thema Tourismus im oberen Landkreis Lichtenfels den Mitbürgern auf den Nägeln brenne, habe er zusammen mit der EU-Abgeordneten Ulrike Müller diese Tagung anberaumt.
Etwas enttäuscht zeigte er sich über den Besuch der Stadt- und Gemeinderäte aus Altenkunstadt, Weismain und Burgkunstadt, was die Frage aufwerfe, ob an dieser Thematik überhaupt Interesse besteht. „Tourismus ist bei genauem Hinsehen sehr wichtig und hat nicht nur mit wirtschaftlichen Faktoren zu tun, wie im Allgemeinen immer geglaubt wird“, sagte Deuerling. Um etwas im Bereich Fremdenverkehr zu erreichen, sei das Engagement von Leuten wie Simone Seidel und Udo Langer erforderlich, die Initiativen, wie die historischen Stadtführungen in Weismain und andere Ideen ins Leben rufen.
„Wenn im Tourismus etwas erreicht werden soll, müssen die betreffenden Kommunen an einem Strang ziehen, erklärte die EU-Abgeordnete Ulrike Müller. In ihrer Heimat im Allgäu geschehe das sogar länderübergreifend. Eine gepflegte Kulturlandschaft, eine aktive Bewirtschaftung und eine Agrarwirtschaft die mit ländlicher Entwicklung Hand in Hand gehen seien für den Tourismus unverzichtbar. Konzepte müssten mit den Bürgern vor Ort erstellt werden: „Hier müssen die Fragen diskutiert werden, was den Menschen guttut und was der Region guttut“.
Da von den 800 Brauereien in Deutschland 300 in Franken produzieren, müsste viel mehr zusammen geworben werden. „Eine Marke wie 'Gottesgarten am Obermain', wird allein nicht genügen“, betonte die Abgeordnete. Und ein Logo müsste von allen in der Region verwendet werden. So verlasse in Südtirol kein Apfel die Region ohne das Südtirol-Logo. Und auch in Unterfranken machten die Winzer mit ihrem neuen Logo „Wein schöner Land“ sich gemeinsam auf den Weg, um die Region zu stärken. Ein gutes Design komme beim Kunden und den Touristen positiv an. Im politischen Bereich dürfe es nicht sein, dass in Zeiten von Vollbeschäftigung die regionale Wirtschaftsförderung herunter gefahren wird. So werde zwar die Förderung der „Dorfwirtschaften“ besprochen, getan habe sich aber noch nicht viel.
Landtagsabgeordneter Thorsten Glauber erklärte, dass LEADER-Projekte für die Stärkung der innovativen und selbstbestimmten Entwicklung in ländlichen Regionen hilfreich sein können. So sei es gelungen, die seit langem größte zusammenhängende Kirschplantage in Europa in der Gegend um Forchheim, mit dem LEADER-Programm so bekannt zu machen, dass der Zuspruch bei Urlaubern und der Absatz wesentlich steigen. Außerdem müsse eine Infrastruktur geschaffen werden, die auch für den Tourismus zum Tragen kommt. Es genüge sicher nicht, dass der ICE nur durch den „Gottesgarten am Obermain“ durchrauscht.
„Was passiert mit den Gästen eigentlich?“, fragte Tourismusfachmann Alexander Seiz von der Gesellschaft „Hotel und Tourismus Consulting Kohl und Partner“. Es gelte acht Punkte zu beachten: Da der Altersdurchschnitt der Urlauber steigt und Gesundheit immer wichtiger wird, eröffne dies Chancen. So habe das E-Bike einen Siegeszug angetreten, Sicherheit und Ernährung stünden hoch im Kurs bei älteren Urlaubern. „Eine Region muss sich nachhaltig und authentisch präsentieren“, forderte Seiz. Die Urlauber wollten in Regionen eintauchen und sogar ein Heimatkrimi könne werbewirksam sein. „Ein gutes Bier und ein Schäuferla gehören in Franken dazu, wie die Kuckucksuhr im Schwarzwald“, betonte der Fachmann. Dabei gelte es auch Klischees zu bedienen. Inszenierung und gute Qualität seien wichtig und vor allem der Service.
Das könne auch innovativ umgesetzt werden, wie ein Hotelier in Baden-Württemberg beweise, der mit einer „Baumsauna“ trotz allgemeiner Skepsis Erfolge feierte. Auch die Digitalisierung spiele eine Rolle und der Gast honoriere es, wenn Internetzugang vorhanden ist. Die Globalisierung führe zu wechselnden Urlaubstrends, Fremdsprachen seien daher nützlich. „In der Tourismusbranche reichen Mittelmaß und Zufriedenheit nicht mehr aus“, betonte Seiz. Positive Stimmung beim Personal sei ebenfalls wichtig. Junge Menschen in diesem Bereich sollten mit ihren Ideen nicht gleich untergebuttert werden.
„Am Wichtigsten sind eine gute Infrastruktur und ein Projekt mit Lokomotiv-Wirkung.“
Alexander Seiz, Hotel und Tourismus Consulting Kohl und Partner
Am Wichtigsten seien eine gute Infrastruktur und ein Projekt mit „Lokomotiv-Wirkung“. Überall wo Baumwipfel- Pfade entstanden sind, seien sie zu Magneten geworden. Es komme auch gut an, wenn der Gast von seiner Herberge aus, nicht ins Auto steigen muss, um etwas zu erleben. Bonuskarten und Verkehrsverbände, die miteinander arbeiten, seien sehr hilfreich. Außerdem müsse für die Einheimischen eine attraktive Lebensqualität vorhanden sein.
In der Diskussion wurde über viele Ideen debattiert und nicht alle Möglichkeiten positiv bewertet. So warf Bauunternehmer Alois Dechant dem Landkreis Lichtenfels schwere Versäumnisse bei der Förderung des Tourismus vor. Dies sah Udo Langer anders: „Um etwas für die Region zu erreichen, müssen wir endlich eine positivere Einstellung bekommen. Heute ist der beste Tag, um damit zu beginnen“. Auf amüsante Art und Weise stellte Franz Besold seine Region am Obermain vor.