Mit dem Abbau von 62 Vollzeitstellen beim Baur Versand sind die Einschnitte durch das Umstrukturierungsprogramm Fokus der Konzernmutter Otto Group zwar hart, aber nicht so schlimm wie anfangs mit bis zu 210 wegfallenden Jobs angekündigt ausgefallen. Zwar werden Teile des Einkaufs, etwa für Möbel und Einrichten, künftig von Hamburg aus erledigt, doch bleiben wichtige Bereiche am Obermain, vor allem die Damenoberbekleidung. Bis zu 40 qualifizierte Arbeitsplätze solle in den kommenden zwei Jahren im Bereich E-Commerce und Werbung geschaffen werden, wo Baur Aufgaben für Otto übernehmen soll.
Nachdem die Mitarbeiter über die Entscheidungen, wie berichtet, am Dienstag informiert wurden, stellten die Geschäftsführer Aliz Tepfenhart und Albert Klein gestern gemeinsam mit der fünfköpfigen Verhandlungsgruppe des Betriebsrats unter Regie von Horst Bergmann die Auswirkungen für Baur vor. Geschäftsleitung und Betriebsrat hätten „hart und bis zur Schmerzgrenze gerungen“ um dieses für Baur positive Ergebnis zu erreichen, erklärte Albert Klein. „Wir haben erreicht, dass die Eigenständigkeit von Baur als Marke im Portfolio der Otto Group erhalten bleibt“, betonte er. Dies bedeute auch ein Bekenntnis zum Erhalt der rund 4200 Arbeitsplätze und zum Standort Burgkunstadt, Altenkunstadt und Weismain.
Die Umstrukturierung des gesamten Konzerns sei notwendig, um Otto, Baur und Schwab im immer härteren Online-Geschäft (80 Prozent des Umsatzes) wettbewerbsfähig gegenüber der Konkurrenz wie Amazon zu machen. Dazu müssten die Kräfte aller Konzernteile gebündelt und vor allem im Einkauf Überschneidungen vermieden werden. Ziel der Umstrukturierung sei ein weiteres Wachstum nach dem Rekordergebnis von acht Prozent Umsatzsteigerung im vergangenen Geschäftsjahr. So visiert Baur für das Frühjahrs- und Sommergeschäft ein Plus von zehn Prozent und für den Winter weitere Zuwächse an.
Einkauf für Damenkleidung bleibt
Daher werde Baur den Einkauf für Möbel und Einrichten künftig nach Hamburg abgegeben (Klein: „Das bedeutet nicht, dass unsere Leute das nicht gut gemacht hätten“). Baur behalte die Einkaufsbereiche Schuhe, Schmuck und Uhren, Sport- und Hartwaren, Haushalt, Leuchten und Geschenke. Und Damenoberbekleidung, die wegen der Konzentration auf Kundinnen zwischen 40 und 55 Jahren für Baur besonders wichtig ist, wird weiterhin in Weismain eingekauft – in Abstimmung mit dem Zentraleinkauf in Hamburg. Damit werde die bisherige Politik, gerade mit Eigenmarken wie Annison, Cheer oder Viance bewusst auch im Katalog zu werben bestätigt. „Dass der Einkauf zentral in Hamburg gesteuert wird, heißt nicht, dass alles in Hamburg eingekauft wird, sondern es bleiben genug Aufgaben für uns“, betonte Aliz Tepfenhart.
Da Werbung und E-Commerce besondere Stärken von Baur sind, werden diese Bereiche ausgebaut, um künftig Dienstleistungen für die gesamte Otto Group zu erbringen, erklärte Klein. In dem geplanten E-Commerce-Kompetenzzentrum und einer Foto- und Werbeagentur könnten bis zu 40 qualifizierte Stellen in den nächsten beiden Jahren geschaffen werden.
„Geschäftsführung und Personalleitung wollen alles daran setzen, dass möglichst keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden müssen.“
Albert Klein Baur-Geschäftsführer
Dank konsequenter Verhandlungen, einer vorausschauenden Personalpolitik (Offenhaltung von Stellen oder Besetzung mit Zeitarbeitskräften), der Nutzung von Fluktuation und Versetzungen sei es gelungen, die Zahl der abzubauenden Stellen auf 62 zu begrenzen. In Gesprächen mit diesen Mitarbeitern solle in den nächsten Wochen eine sozialverträgliche und schnelle Lösung gefunden werden. „Geschäftsführung und Personalleitung wollen alles daran setzen, dass möglichst keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden müssen“, versicherte Albert Klein.
Das Ziel den Arbeitsplatzverlust so klein wie möglich zu halten, sei in den Verhandlungen mit dem Otto-Konzern erreicht worden, bestätigte Betriebsratsvorsitzender Horst Bergmann. In den vergangenen 264 Tagen hätten die Arbeitnehmervertreter alles gegeben, um die Konzernspitze mit Argumenten zu überzeugen. Diese Strategie, sich nicht treiben zu lassen und gemeinsam mit der Geschäftsführung für den Standort zu kämpfen, habe sich „als wirksamer erwiesen, als die große Trommel zu schlagen“.
Sozialplan und Altersteilzeit
So sei ein Sozialplan und ein Interessensausgleich ausgehandelt worden, um Härten für die rund 30 Mitarbeiter, die in andere Bereiche, wie den ebenfalls ausgebauten Vertrieb wechseln könnten, abzumildern. Für die übrigen sei eine Altersteilzeitregelung ab 57 Jahren ausgehandelt worden. Dass viele Kollegen bereits eine neue Position gefunden haben, sei auch der Forderung des Betriebsrats zu verdanken, keine externen Bewerber anzustellen, bevor nicht interne diese Chance bekommen haben. „Ein Sozialplan kann so gut wie nur möglich sein, er ist immer schlecht, weil er die Existenz eines Kollegen gefährdet“, gab Bergmann zu bedenken.