„Ich kämpfe fair!“, schallt es durch die Kordigasthalle. Jugendliche im Alter von elf und zwölf Jahren klatschen sich gegenseitig auf die Handflächen und verbeugen sich kurz. „Geben und Nehmen“, nennt sich das Ritual, mit dem sie sich gegenseitigen Respekt bekunden. Die „Kampfesspiele“ der D-Jugend des FC Baiersdorf können beginnen.
Aber was sind denn Kampfesspiele überhaupt? „Es handelt sich dabei um eine Mischung aus Kampf und Spiel. Eine gewaltpräventive Gruppenmaßnahme, die Jungs in ihrer individuellen Entwicklung zum Mann unterstützen will“, erläutert Dietmar Schuberth. Und der Diplomsozialpädagoge, der bei der Arbeiterwohlfahrt in Forchheim in der Fachstelle für Gewaltprävention tätig ist, weiß, wovon er spricht. Schließlich hat er eine Ausbildung als Kampfesspiele-Anleiter absolviert.
„Ihr dürft euren Partner nicht beißen, würgen, an den Haaren ziehen oder Hebelgriffe anwenden.“
Dietmar Schuberth, Diplomsozialpädagoge
Bei den Kampfesspielen, die der Sozialpädagoge und Gendertrainer Josef Riederle aus Kiel entwickelt hat, gibt es keinen Gegner, sondern einen Kampfespartner. Schuberth zufolge orientieren sich die kraftvoll-dynamischen Spiele am natürlichen Bedürfnis von Jungen, ihre Kräfte zu messen: „Erlebbar wird dabei der Unterschied von Kampf zu Gewalt, von Fairness zu Gemeinheit, von Miteinander zu Gegeneinander.“ Beim Kämpfen wird der „innere Schiedsrichter“ entwickelt.
„Könnt ihr euch vorstellen, wer oder was das ist?“, möchte der Sozialpädagoge von den Jugendlichen wissen. „Keine Ahnung. Noch nie gehört“, werden sich Lars, Tim & Co. gedacht haben. Klar, als Fußballer wissen sie natürlich, was ein Schiri ist. Aber ein „innerer“? Schuberth verrät es ihnen: „Euer ,innerer Schiedsrichter? ist das Gefühl für Fairness, Gerechtigkeit und für die Übernahme von Verantwortung.“
Duell um einen Medizinball
Die Nachwuchskicker interessiert natürlich brennend, wie Kampfesspiele in der Praxis aussehen. Der Sozialpädagoge platziert dafür auf einer Matte einen Medizinball. Thomas schnappt sich den Ball und sichert ihn, indem er ihn umklammert. Die anderen Jugendlichen haben nun eine Minute Zeit, ihm den Ball zu entwenden. Gelingt ihnen dies nicht, ist Thomas der Sieger. Ein Gruppenkampf, der mit aller Kraft, vor allem aber fair ausgetragen werden soll.
Aber was bedeutet in diesem Fall fair? „Ihr dürft euren Partner nicht beißen, würgen, an den Haaren ziehen oder Hebelgriffe anwenden“, mahnt Schuberth. „Und war nun für euch alles fair?“, fragt er, als die 60 Sekunden um sind. Es war, wie ihm die Teilnehmer versichern. Und Spaß gemacht hat es obendrein.
Kampfesspiele fördern nach den Worten des Anleiters nicht nur den Gruppenzusammenhalt. Sie richten sich auch gegen Mobbing und wirken vorbeugend Gewalt entgegen. Eigenverantwortung, Selbstwahrnehmung („wer sich selbst nicht spürt, kann auch andere nicht wahrnehmen“), Respekt und Fairness würden erlebt und gefördert. Innerhalb der Gruppe würden Konflikte konstruktiv bearbeitet und gelöst. „Jungen, die Außenseiterpositionen innehaben, werden ebenso Teil der Gruppe und können ganz anders wahrgenommen werden“, erläutert Schuberth. „Rambos“ hingegen könnten lernen, mit ihrer Kraft besonnen umzugehen.
Kämpfer-Urkunde als „Diplom“
Die Baiersdorfer Nachwuchskicker sind von diesem Training der besonderen Art begeistert. Sie beweisen beim „Fähnchen stehlen“ sowohl Schnelligkeit wie auch Fairness, absolvieren Konzentrationsübungen und reißen sich förmlich darum, beim Mattenspringen mitmachen zu dürfen. Zu den Kampfesspielen gehört nicht nur ein Eröffnungsritual, sondern auch ein Abschluss-Schrei: „Wir sind spitze“, hallt es vielstimmig bis in den letzten Winkel der Kordigasthalle. „Das habt ihr total gut gemacht“, lobt Dietmar Schuberth die jungen Fußballer. Jedem Teilnehmer überreicht er eine Kämpfer-Urkunde.