Eine neue Fassung der Lutherbibel wurde von der evangelischen Kirche zum Reformationsjubiläum herausgegeben. Seitens der katholischen Kirche erschien im vergangenen Jahr die neue Einheitsübersetzung für den deutschen Sprachraum. Wie unterscheiden sich die beiden Ausgaben? Welche ist besser wofür geeignet? Antwort auf diese Fragen gab Professor Joachim Kügler von der Universität Bamberg bei einem Vortragsabend der katholischen Kirchengemeinde Altenkunstadt zum Thema „Die neuen Bibelübersetzungen“.
Der Referent bezeichnete die beiden Bibelausgaben als zentrale Texte mit „amtlichem Charakter“ für die jeweiligen Kirchen. Die jüngste Übersetzung der Luther-Bibel sei in gewisser Weise konservativ, weil hier versucht worden sei, Luthers Übersetzung aus dem 16. Jahrhundert auf einen neuen Stand zu bringen. „Allerdings hat es bereits zu Luthers Zeiten verschiedene Versionen gegeben, niemand konnte das kontrollieren“, gab der Redner zu bedenken.
Sprachbildender Charakter
Im 20. Jahrhundert habe man versucht, Prinzipien Luthers in das Moderne zu übertragen und das in einer Sprache, die das Volk versteht. Die Luther-Bibel sei somit überkonfessionell bedeutsam, da sie sprachbildenden Charakter habe.
„Wer sein ,Licht unter den Scheffel stellt‘ oder bei einer Kollekte sein ,Scherflein‘ beiträgt, benutzt Luther-Deutsch“, erklärte Kügler. Bei der aktuellen Übersetzung habe man sich bemüht, möglichst nah am Luther-Deutsch zu formulieren. Die Übersetzer hätten Korrekturen vorgenommen, da man dank neuer Funde heute bessere Kenntnisse über das Neue Testament habe als Luther zu seiner Zeit. „Folglich mussten im Luther-Stil Texte übersetzt werden, die der Reformator niemals übersetzt hatte“, betonte Kügler.
Während in der evangelischen Kirche in Deutschland es die Luther-Bibel in verschiedenen Versionen gebe, darunter eine Jugendbibel, gelte die Einheitsübersetzung der katholischen Kirche sowohl für den Gottesdienst wie auch den Religionsunterricht. Bei der Überarbeitung der Einheitsausgabe aus dem Jahr 1980 habe man Fehler korrigiert und die Textgrundlage geprüft.
„Wer sein ,Licht unter den Scheffel stellt‘ oder bei einer Kollekte sein ,Scherflein‘ beiträgt, benutzt Luther-Deutsch.“
Professor Joachim Kügler, Referent
In zentralen Schriften wie den Evangelien und den Paulusbriefen sei es zu keinen dramatischen Veränderungen gekommen. „Es wurde versucht, möglichst nah am griechischen Urtext zu bleiben, aber in einer modernen Sprache“, erläuterte der Theologe.
In den Schriften des Alten Testamentes hingegen habe sich einiges geändert. So vermeide die neue Einheitsübersetzung die Verwendung des Gottesnamens und benutze stattdessen „Herr“. „Damit will man Rücksicht auf die jüdischen Brüder und Schwestern nehmen, die den Gottesnamen nicht aussprechen dürfen“, erläuterte Kügler. Bei den Frauenverbänden habe die Vermännlichung des Gottesbildes für Proteste gesorgt.
Geschlechtergerecht wollte man dem Referenten zufolge die Paulusbriefe übersetzen. „Denn ursprünglich wurde der Mann als Normalfall des Menschseins gesehen, die Frau als Abweichung“, betonte er. In der Antike habe es darüber keinerlei Diskussionen oder Sprachkritik gegeben.
Wenn Paulus schreibe „Liebe Brüder“, dann meine er damit Männer und Frauen. Die Übersetzer seien jedoch der Meinung gewesen, dass es „Liebe Schwestern und Brüder“ heißen müsse, wenn Paulus tatsächlich beide Geschlechter meine.
In Rom, wo die neue Bibelübersetzung vorgelegt werden musste, sei man damit aber nicht einverstanden gewesen und das laut Kügler aus rein kirchenpolitischen Gründen. „Der Kompromiss, der gefunden wurde, sah vor, dass es am Anfang der Paulusbriefe ,Schwestern und Brüder‘ heißen dürfe, im eigentlichen Text jedoch nicht mehr. Auf diese Weise wurde die Anzahl der ,Schwestern‘ erheblich reduziert“, so der Theologe.
Diese Mischübersetzung verschleiert seiner Meinung nach die Anwesenheit von Frauen mehr, als dass sie sie betont. „Bei der älteren Einheitsübersetzung wusste man, dass man bei der Erwähnung von Brüdern sich die Schwestern stets hinzu denken musste. Bei der neuen hingegen muss der Leser davon ausgehen, dass tatsächlich keine Frauen dabei waren, wenn Paulus von Brüdern spricht“, gab der Referent zu bedenken.
Diese Mischübersetzung verlange vom Leser Flexibilität und Intelligenz. Bei den Psalmen hätten die Übersetzer versucht, eine „neue poetische Sprache hineinzubringen“.
Moderne Sprache
Trotz einiger Schwächen könne man jedoch mit der neuen Einheitsübersetzung zufrieden sein. „Sie verwendet eine moderne Sprache von guter Qualität, verständlich, aber nicht umgangssprachlich, und möchte möglichst vielen Zielgruppen gerecht werden“, fasste der Theologe zusammen, der im Anschluss viele Fragen der Zuhörer beantwortete.
Mit einem Geschenk bedankten sich Diakon Konrad Funk und Pfarrgemeinderatsvorsitzender Thomas Geldner bei Professor Joachim Kügler für den kurzweiligen Vortrag.