Am Samstagabend blicken Millionen Fußballfans in ganz Deutschland gebannt auf ihre Geräte. Die deutsche Nationalmannschaft deklassiert in einem erstklassigen Nations-League-Spiel in der Düsseldorfer Merkur Spiel Arena Ungarn mit 5:0. Auch 15 Fußballerinnen des FC Redwitz verfolgen mit ihrem Trainer Marco Patzelt in einer Garage das Länderspiel. In der Halbzeitpause schalten Sie auf Handyempfang um. Im Düsseldorfer Stadion findet unbemerkt von den rund 50.000 Fußballfans im Stadionrund eine Ehrung statt, die das ZDF nicht sendet.
Aber Stephan Pfadenhauer. Der 59-jährige Redwitzer überträgt per WhatsApp-Video-Schalte in seine Heimat eine Auszeichnung, die niemand Geringeres als DFB-Sportdirektor Rudi Völler vornimmt: Er überreicht Jessica Freitag aus Burgkunstadt, die in einem Wettbewerb des DFB zur Amateurfußballerin der Saison 2023/2024 gekürt worden war, einen Pokal.
Riesenehre

„Es war eine Riesenehre für mich, Rudi Völler, den Fußballweltmeister von 1990 und späteren Bundestrainer, einmal persönlich kennenlernen zu dürfen. Ich werde diesen Abend mein Leben lang nicht mehr vergessen.“ Wie heißt es doch so schön in einem Fußballschlager: „Es gibt nur einen Rudi Völler.“ Das denkt sich auch Freitag. Sie packt die Gelegenheit beim Schopf und flüstert dem Promi, der sie zuvor umarmt hatte, ganz leise ins Ohr: „Kann ich ein Trikot vom heutigen Spiel haben?“ Völler sagt spontan: „Ja!“ Pfadenhauer, Wegbegleiter von Jessica über all die Jahre und Organisator des Redwitzer Frauenfußballs, hatte die 26-jährige bei ihrem Ausflug nach Düsseldorf begleitet.

Szenenwechsel. Im trauten Heim von Reinhard Tropschug in Altenkunstadt, Trainer von „Heiner's Traumelf“, einer inklusiven Fußballmannschaft, in der auch Freitag mitspielt, lässt diese noch einmal einen erlebnisreichen Tag Revue passieren: Alles ist minutiös geplant. Freitag und Pfadenhauer werden durchs Stadion geführt und besuchen die Spielerkabine der Deutschen Nationalmannschaft. Bei der Generalprobe müssen sie die Mannschaften Deutschland und Ungarn mit simulieren, aus dem Spielertunnel herauslaufen und auf dem Platz mit Aufstellung nehmen.
Strahlend erzählt

Freitag zückt während des Gesprächs ihr Smartphone und spielt ein Video ab. „Ich stand hinter dem Tor, schaute Towart Marc-André ter Stegen beim Aufwärmen über die Schultern und drückte dabei die Aufnahmetaste meines Handys“, erzählt Freitag mit einem Strahlen im Gesicht. Dass die deutsche Fußballnationalmannschaft auch noch groß auftrumpft – das ist für die Burgkunstadter Fußballerin, die als Stürmerin in der Frauenmannschaft des FC Redwitz spielt, das sprichwörtliche i-Tüpfelchen. Jamal Musiala ist für sie der Spieler des Abends. „Er war an vier Toren beteiligt“, spricht aus ihr die Fußballexpertin.
In guter Gesellschaft
Und wie es der Zufall will, wird vor dem Spiel auch noch Musiala geehrt. Mit seinen drei Treffern bei der EM erhält der Youngster den „Goldenen Schuh“ für den besten Torschützen des Turniers. Gemeinsam mit fünf weiteren Spielern teilt er sich die Auszeichnung. „Ich fühlte mich in guter Gesellschaft“, kommentiert Freitag diesen Glücksfall. Nach dem Spiel isst sie auch noch Eiskonfekt mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf.

„War es ein Traum oder Realität, Rudi Völler hautnah erlebt zu haben und mit Tausenden Fußballfans die neue DFB-Torhymne ,Völlig losgelöst‘ mitzusingen?“, fragt sich Freitag. Auch nach zwei Tagen fühle sich das Ganze noch immer ein bisschen surreal an, gibt die junge Dame offen zu.
Trikotsatz für FC Redwitz
Auch der FC Redwitz profitiert von Jessicas Auszeichnung. Der DFB spendiert dem Verein einen Trikotsatz. Für Pfadenhauer, der beim FC Redwitz die B-Juniorinnen trainiert, sind die materiellen Werte nicht das alles Entscheidende. Für ihn ist Jessica ein Aushängeschild des Vereins. „Ihre Ehrung ist eine Belohnung für all die Zeit und Arbeit, die wir über all die Jahre ehrenamtlich investiert haben. Wir haben vor rund 16 Jahren mit acht Mädchen die Minizicken gegründet. Aus ihnen sind nun rund 90 weibliche Mitglieder geworden, die im Juniorinnen- und Seniorinnenspielbetrieb aktiv sind“, bilanziert der Redner.
Videobotschaft Innenminister

Als wäre das alles nicht schon genug, gratuliert vor dem Spiel in Düsseldorf auch noch der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann in einem Video Jessica Freitag zu ihrer Wahl: „Sie scheuen keine Initiative, um etwas zu bewegen. Dabei sind Sie nicht nur auf dem Platz ein Vorbild, sondern auch neben dem Spielfeld. Nicht umsonst werden Sie deshalb in Redwitz von Trainer und Mannschaftskameradinnen als Herzstück der Mannschaft bezeichnet.“