Ein turbulentes Schuljahr ist zu Ende gegangen, nunmehr das zweite in Folge, das so ganz anders verlaufen ist als alle bisher dagewesenen. Zeit, zurückzublicken auf die vergangenen Monate und auch ein Resümee zu ziehen. Für das Obermain-Tagblatt tut das Gabriele Görlich, Lehrerin für Deutsch und Geografie am Gymnasium Burgkunstadt.
„Durch die Medien geisterten während der Zeit des Distanzunterrichts gruselige Berichte über Schülerinnen und Schüler, die nichts lernen, über Technik, die nicht funktioniert, über Online-Plattformen, allen voran auch über die vom Gymnasium Burgkunstadt genutzte, Mebis, die dauernd abstürzt. Und natürlich über Lehrkräfte, die sich zurücklehnen, kaum etwas arbeiten müssen und ihre Schützlinge hie und da mit ein paar Dateien bombardieren.
Ungerechtfertigt und ärgerlich: das permanente Lehrer-Bashing
So, wie Deutschland während der Fußball-EM mit zig kompetenten ,Fußballbundestrainern‘ aufwarten kann, gibt es eine genauso große Anzahl an fachkundigen ,Pädagoginnen und Pädagogen‘, die immer genau über den Beruf des Lehrers beziehungsweise der Lehrerin Bescheid wissen. Obwohl ich diesen nun schon seit 17 Jahren ausübe, ärgere ich mich noch immer über das negative Bild, das über Lehrer und Lehrerinnen in weiten Teilen der Gesellschaft vorherrscht. Denn entgegen dieser landläufigen Meinung war der Lockdown eben nicht der Startschuss zum Füße-Hochlegen, sondern zum völligen Umdenken und Umgestalten des Unterrichts.
Welches andere Berufsbild hat sich innerhalb so kurzer Zeit so signifikant verändert? Dies wurde wohl nur von wenigen Menschen bedacht, die permanent Lehrer-Bashing betrieben.
Zwischen den eigenen Kindern und der Videokonferenz mit den Schülern
Zudem war vielen nicht klar, dass auch wir Lehrkräfte Kinder haben, die zu Hause sind, und dass auch wir den Spagat zwischen Homeoffice und Homeschooling meistern mussten. Meine Kinder, siebenjährige Zwillinge, besuchen die erste Klasse. Da funktioniert es nicht zu sagen: ,Jetzt setzt euch mal hin und füllt die Seiten im Arbeitsheft aus.‘ Da muss man danebensitzen, anleiten und anspornen.
Gerade die Zeit des Lockdowns brachte mich, wie so viele andere auch, bisweilen an meine Grenzen. Die Umstellung auf Homeschooling war sehr zeitaufwändig. Viele Unterrichtsmaterialien und -vorbereitungen habe ich in analoger Form und musste sie erst einmal digitalisieren. Dann war es nicht damit getan, ein Arbeitsblatt einzuscannen, sondern man hatte ja auch den Anspruch, einen „gescheiten“ Unterricht zu machen und die Aufgaben in einen Kontext einzubetten.
Eine willkommene Abwechslung – oder eine große Anspannung
Die Videokonferenzen bereitete ich anhand von PowerPoint-Präsentationen vor, was ebenfalls viel Zeit in Anspruch nahm. Zudem unterrichtet man im Gymnasium anders als in der Grundschule nicht nur eine, sondern mehrere Klassen.
Natürlich will man auch den eigenen Kindern gerecht werden und zusehen, dass auch sie in der Schule den Anschluss nicht verlieren. Kein leichtes Unterfangen, wenn die beiden Malen und Spielen viel schöner finden und Mama aber unter Zeitdruck steht, da gleich die nächste Videokonferenz beginnt. Für die beiden galt nun, mich während dieser Konferenzen möglichst nicht zu stören.
Immer wieder hörte man lautes Geschrei, Gelächter oder Gestreite, manchmal kam auch ein Kind herein, weil es eine Frage hatte, getröstet werden oder einfach schauen wollte. Dies waren für die Schüler vermutlich willkommene Abwechslungen, für mich bedeutete es eine große Anspannung.
Zähe Videokonferenzen mit schweigsamen Oberstüflern
Diese neue Form von Schule lebte in erster Linie von der Lernplattform Mebis, die im Dezember vor allem dadurch die Aufmerksamkeit auf sich zog, dass sie nicht so funktionierte, wie sie sollte. Schließlich lief sie aber ab Januar relativ stabil. Mebis bietet eine schier unerschöpfliche Zahl an Möglichkeiten, ist aber in keiner Weise selbsterklärend oder intuitiv zu bedienen. Viele Funktionen sind verborgen oder werden durch Begriffe tituliert, die einem Laien nicht auf Anhieb etwas sagen. So verbrachte ich viel Zeit damit, Tutorials im Internet anzuschauen, um zu Beginn der Schulschließung zumindest in der Lage zu sein, meinen Klassen halbwegs ansprechende Inhalte und Aufgabenstellungen hochzuladen.

Die Videokonferenzen gestalteten sich nicht immer zu meiner Zufriedenheit und waren insbesondere in der Oberstufe bisweilen recht zäh. Während ich stets meine Kamera anschaltete, wollten die Schülerinnen und Schüler nicht gesehen werden. So entstand für mich der Eindruck, mit meinem Spiegelbild zu sprechen. Tatsächlich war ich meist diejenige mit dem größten Redeanteil. Nur wenn ich jemanden direkt aufforderte, bekam ich eine Antwort, ansonsten wurde der Chat zur Kommunikation vorgezogen.
Bunte Icons, Emojis und zig Nachrichten im Chat
Wie herrlich erfrischend war da die erste Videokonferenz mit meiner fünften Klasse. Alle Schülerinnen und Schüler versahen beim Einloggen ihre Namen mit bunten Icons und Emojis. Im Chat gingen innerhalb kürzester Zeit zig Nachrichten ein und sofort wurde der Wunsch laut, die Kameras anschalten zu dürfen, um sich gegenseitig sehen zu können. Ständig wollten die Schülerinnen und Schüler etwas sagen und schalteten ihr Mikrofon ein. Die Stunden vergingen wie im Flug.
Die Q12 konnte glücklicherweise bereits ab Mitte Februar wieder in die Schule zurückkehren. Natürlich machten sich alle Beteiligten Sorgen, ob unter diesen Bedingungen eine adäquate Abiturvorbereitung möglich sein konnte, doch die guten Ergebnisse sprechen für sich.
Überfordert vom Lärm und Gewusel des Präsenzunterrichts
Ein großes Lob gebührt auch allen anderen Schülerinnen und Schülern. Es gehört viel dazu, sich über so viele Wochen hinweg selbst durch den Schulstoff zu arbeiten, sich die Inhalte einzuteilen und sich immer wieder zu motivieren. Auch wenn sicher aufgrund der fehlenden Vertiefung vieles auf der Strecke geblieben sein mag, konnten unsere Schützlinge sehr wichtige Kompetenzen für ihre Zukunft erwerben.
Nach den Pfingstferien begann für alle der Präsenzunterricht wieder. Man wurde von den immensen Menschenmengen schier erschlagen. Überall umgaben einen Lärm und Gewusel. Man war das schlichtweg nicht mehr gewohnt. Ich floh sogar in mancher Pause aus dem Lehrerzimmer und suchte einen leeren Klassenraum auf, weil mich der Geräuschpegel überforderte. Nichtsdestotrotz war es eine große Freude, alle – Schüler und Schülerinnen, Kollegen und Kolleginnen – wieder zu sehen.
Auch wenn nicht alles am Lockdown schlecht gewesen ist, der Distanzunterricht an unserer Schule relativ gut funktioniert hat, wir mittlerweile technisch gut gerüstet sind und ich es genossen habe, so viel Zeit mit meiner Familie zu verbringen, bleibt trotzdem zu hoffen, dass das kommende Schuljahr ein ,normales‘ werden möge!“