An die Deportation der letzten jüdischen Bürger aus Burgkunstadt durch die Nazi-Schergen 1942 erinnerte Stadthistoriker Rudi Fetzer in seinem Vortrag „Züge in den Tod.“ Die erschütternde Veranstaltung der Kulturgemeinde in der alten Vogtei fand aus Anlass des 80. Jahrestags der Deportation statt.

Das Elternhaus von Rudi Fetzer lag im ehemaligen Judenviertel in der Kulmbacher Straße, doch nach dem Ende der Nazi-Diktatur sei zunächst kaum über die Judenverfolgung gesprochen worden, berichtete er. In der von Not geprägten Nachkriegszeit seien die Menschen mit sich beschäftigt gewesen. Er könne sich jedoch daran erinnern, dass der Sohn des jüdischen Schuhfabrikanten Max Pretzfelder mit einem großem Wagen vorfuhr, um das Grab seiner Vorfahren auf dem Judenfriedhof zu besuchen. Eine Auseinandersetzung mit dem Schicksal jüdischer Familien habe das Projket „13 Führerscheine“ von Schülern des Meranier-Gymnasiums 2017 angestoßen.
Es begann mit Hetzkampagnen wegen des verlorenen Kriegs
Jahrhundertelang bestanden in Burgkunstadt und Altenkunstadt jüdische Gemeinden und es herrschte ein nachbarschaftliches Miteinander, erklärte Fetzer. In der Judengasse stand die Synagoge. Jüdische Bürger engagierten sich im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben, wie Josef Oppenheimer, der Vorsitzender des Turnverein war. Der jüdischer Lehrer Jonas Löwenstern wurde zum Ehrenbürger ernannt, Schuhfabrikant Jakob Friedrich Riexinger zum Kommerzienrat. Justin Bangemann war als Gemeindevorsteher tätig. Rabbis, evangelische und katholische Geistliche trafen sich zum Gedankenaustausch. Die Sage von der goldenen Wiege hat Isak Thurnauer 1888 verfasst.

Für Spannungen sorgten allerdings Hetzkampagnen, dass die Juden schuld seien an der Niederlage im Ersten Weltkrieg. Mit der Machtübernahme Hitlers 1933 vestärkten sich die Anfeindungen. Hatten bis 1933 noch 53 jüdische Mitbürger in Burgkunstadt gelebt, waren es 1939 noch 32 und 1942 nur noch 13. Als 1935 in Burgkunstadt das Freibad eröffnet wurde, verkündete der Bürgermeister, dass Juden der Zutritt verboten sei. Es wurde erfasst, wer für Juden arbeitete und Juden wurde verboten, Bauernhäuser zu betreten, um Lebensmittel zu kaufen. In Kulmbach wurde eine Jüdin, die ein Verhältnis mit einem Christen hatte, öffentlich an den Pranger gestellt.
Ein Mob verwüstet die Synagoge und bedroht Nachbarn
Als sich in der Debatte um die Wiederbewaffnung Deutschlands Otto Heymann, der mit seiner Familie am Plan wohnte, kritisch äußerte, wurde er böswillig denunziert. Der Antisemitismus gipfelte schließlich in der Pogromnacht 1938, als NSDAP-Kreisleiter Lorenz Kraus aus Lichtenfels mit SA Leuten nach Burgkunstadt kam und in einer Gastwirtschaft weitere Männer durch Alkohol zum Mitmachen animierte. Zusammen zogen sie zur Synagoge und bedrohten Passanten und Anwohner, wie die Familie Meusel, die voller Sorge aus den Fenstern schauten, mit den Worten: „Wenn ihr weiter so dumm schaut, seid ihr die nächsten, die dran sind.“ Der Mob verwüstete die Synagoge. Sie wurde nur deswegen nicht in Brand gesetzt, weil die Gefahr bestand, dass das Feuer auf weitere Häuser übergreifen könnte, erklärte Rudi Fetzer. Noch im selben Jahr wurde sie abgebrochen.
Eine weitere Repressalie war die Beschlagnahmung der Führerscheine jüdischer Bürger. Im Archiv des Landratsamts wurden 2017 die Dokumente gefunden. Darunter auch der führerschein des Burgkunstadters Leo Baneman, der mit seiner Familie wegen der Repressalien in die USA emigrierte, wie 21 weitere Juden aus Burgkunstadt.
Zwangseinquartierung unter erbärmlichen Bedingungen

Juden mussten in der Öffentlichkeit den sogenannten Judenstern tragen. Sie wurden in die „Bayernhäuser“ eingepfercht und mussten dort unter erbärmlichen Bedingungen leben. Ihr Eigentum und sogar Teile der Kleidung wurden ihnen weggenommen. Hunger und Kälte war an der Tagesordnung , da sie kaum Brennmaterial hatten. „Sie saßen auf gepackten Koffern und litten unter ständiger Angst“, sagte Fetzer. Mit zwei Lastwagen wurden zehn Juden, darunter der fünfjährige Hans-Peter Steinbock am 24. April 1942 von Burgkunstadter SA-Leuten, HJ-Jungen in Uniform und einigen Männern in Zivil deportiert. Lediglich Handgepäck durften sie mitnehmen. Mit dem Zug wurden sie nach Bamberg gebracht. Elmar Bergmann hatte miterlebt, wie sein Freund Hans-Peter Steinbock und seine Mutter abgeführt wurden.
Im Bamberg wurden sie im jüdischen Gemeindezentrum „Weiße Taube“ interniert bis zum Weitertransport mit dem aus Würzburg kommenden Sonderzug Da49 am nächsten Tag. 852 Juden aus Würzburg und 102 aus dem Obermaingebiet wurden unter unmenschlichen Bedingungen – es gab weder Trinkwasser noch Toiletten – in einer 66 Stunden langen Fahrt nach Krasnystaw in Polen transportiert. Von dort aus mussten sie zu Fuß nach Krasnyzin marschieren. Unmenschlich war die Unterbringung in Baracken mit zwölf Personen in einem Raum, bevor sie in den Vernichtungslagern und Gaskammern in Belzec und Sobibor ermordet wurden.

Die übrigem Burgkunstadter Juden, Caroline Bayer und Ignaz Steinbock, waren für diesen Transporter als zu alt erschien. Ignaz Steinbock wurde später mit einem „AltenTransport“ Da512 im Mai 1942 nach Theresienstadt deportiert, wo er wegen der unmenschlichen Lebensbedingungen am 20. Februar 1943 starb.
Der Leiter des Deportationszugs durfte wieder als Polizist arbeiten
Oswald Gundelach war als Hauptsturmführer und Transportführer für dem Judentransportzug DA 49 verantwortlich. Dass er nach mehreren Prozessen ab 1954 wieder als Polizeimeister eingesetzt wurde und 1963 in Ehren aus dem Polizeidienst verabschiedet wurde, beleuchtet die an Zynismus grenzende Gleichgültigkeit im Nachkriegs-Deutschland. Betroffenheit herrschte bei den Zuhörern des Vortrags.