Es ist Sonntag, 17 Uhr. Ein junger Mann tritt an den Flügel. Nicht irgendein junger Mann. Er heißt Johannes Obermeier, geboren 1998. Seit seinem fünften Lebensjahr spielt er Klavier, hat später noch Saxophon und Trompete zur Liste seiner Instrumente hinzugefügt. Außerdem ist er Komponist und ein gefragter Kammermusiker, hat mehrere Preise gewonnen wie beispielsweise den Pegalogospreis 2016 und war erster Preisträger des 2. Internationalen Schimmel Klavierwettbewerbs. An diesem Abend spielt er nicht nur, sondern moderiert auch auf eine sehr charmante Weise.
Virtuose Variationen
Der Beginn ist Felix Mendelssohn Bartholdy gewidmet. Die Variationen in B-Dur op. 83 machen den Anfang, gefolgt von den Variations Sérieuses op. 54. Letztere hatte Mendelssohn als Reaktion auf die zu der Zeit übliche Musizierpraxis geschrieben. Die so genannten „Variations brillantes“ waren rein virtuose Fantasien über modische Themen und überschwemmten seinerzeit den Musikalienmarkt. Mendelssohn legte mit seinem op. 54 ein Werk vor, dass sich einerseits an den Variationen in c-Moll von Beethoven zu orientieren scheint, andererseits antizipierte er den späteren viruosen Variationsstil von Brahms. Kenner schätzen an diesem Stück vor allem die Variationswechsel und das Wechselspiel zwischen oktavierten Bässen in der Linken und den Akkorden in der Rechten.
Es folgen weitere Stücke von Mendelssohn, eine Auswahl aus „Lieder ohne Worte“ und das Rondo Capricciose op. 14.
Nach der Pause wird es dann kraftvoller. „Valses nobles et sentimentales“ von Maurice Ravel ist ein Klavierwerk, bestehend aus acht Walzern. Tempiwechsel, dazu die Variationen innerhalb des Themas spielt er sauber, akzentuiert, mit Hingabe.

Ein eigenes Stück folgt, „Scherzo über C-H-A-E.“ „Ich habe das Stück für jemanden geschrieben, der es seinem Sohn zum Geburtstag schenken wollte. Der junge Mann hieß Michael, und die für die Musik verwertbaren Buchstaben sind nun einmal c, h, a und e.“ Den letzten Block teilt sich Fréderic Chopin mit Leopold Godowsky, wobei Chopin den polnisch-amerikanischen Pianisten Godowsky umrahmt. Thematisch eng miteinander verknüpft können die drei gespielten Etüden als Einheit betrachtet werden.
Einzigartige Spielweise
Das Spiel des jungen Mannes ist durchaus einzigartig. Mal voller Kraft, dann wieder gefühlvoll, sanft, fast mag man meinen, er streichelt die Tasten des Flügels, um kurz darauf wieder mit einer beinahe schon brachialen Gewalt die lauten Töne in den Raum fast schon hineinzuschreien. Wie ein Gewittersturm branden die Akkorde über die Zuhörer hinweg, um wenig später durch einen leichten Sommerregen an gefühlvollen Takten abgelöst zu werden. Und so ist es kein Wunder, dass man Johannes Obermeier mit langanhaltendem Applaus belohnt. Der lässt sich nicht lange bitten und gibt zwei Zugaben zum Besten.
Im Anschluss an das Konzert, welches die Besucherinnen und Besucher begeistert, steht er für Gespräche und Fachsimpeleien im Foyer bereit, was reichlich genutzt wird. Ein mehr als gelungener Auftakt der Burgkunstadter Kultursonntage, der Appetit auf mehr macht.