Der Radfahrer Claudius, der als Kleinziegenfelder Wahrzeichen hoch auf dem Felsen thront, ist zwar nur eine Puppe, aber alle vier Jahre braucht er neue Kleider. Nun ist es wieder so weit. Seit 116 Jahren thront Claudius hoch über dem Tal mit den malerischen Wacholderhängen.

„Er ist ein Wahrzeichen unserer Ortschaft und des ganzen Kleinziegenfelder Tales“, sagt der Kleinziegenfelder Ortssprecher Reinhard Schütz. Da er bei jedem Wetter auf dem Felsen steht, leidet die Kleidung stark. Die Kleinziegenfelder behaupten der Claudius sei ein richtiger Franke, was seine Kleidung und die rot-weiße Frankenfahne unterstreichen. Immer wieder gab es auch die Überlegung, Claudius mit einer historischen Ausstattung wie Frack, Kutschermantel, Zylinder und historischem Hochrad auszustaffieren. Aber die meisten sind anderer Meinung. „Fränkisch passt halt besser zu uns und unserer Landschaft“ hat Tanja Betz einmal gesagt. Und wer genau hinsieht, erkennt, dass sie recht hat.
Jetzt ist Claudius wieder neu eingekleidet worden, mit einem blauen fränkischen Trachtenjanker, der dazu passenden schwarzen Kniebundlederhose und roten Trachtenstrümpfen. So bietet er einen Blickfang, den die vorbeifahrenden Gäste bewundern.
Ursprünglich soll Claudius auf einem Hochrad gesessen haben
Über die Entstehung dieses wohl ungewöhnlichsten Einwohners des malerischen Orts Kleinziegenfeld gibst es unterschiedliche Überlieferungen. Als sicher gilt, dass 1905 zum ersten Mal eine ausgestopfte Holzpuppe mit Fahrrad auf dem Felsen aufgestellt wurde. Die Idee dazu kam wahrscheinlich von Dr. Georg Ammon, einem Professor aus Regensburg, dessen Bruder Wilhelm in Kleinziegenfeld wohnte. Damals kam die Absicht auf, ein besonderes Merkmal für den Ort zu schaffen. Aus Sägespänen und Holz fertigten die Beteiligten damals eine lebensgroße Figur, kleideten sie in Frack und Zylinder, setzten sie auf ein damals übliches Hochrad und befestigten das Ganze auf dem Felsen.
Ob dieses Rad auch das erste und einzige war, das es damals in Kleinziegenfeld gab, ist doch fraglich. Ein Hochrad war es auf jeden Fall. Doch bereits 1909 riss ein Sturm den Holzradler und sein Gefährt vom Felsen. Angeblich war bis 1930 keine Figur mehr zu sehen. Erst der neu gegründete Gesangverein Liederkranz bemühte sich damals um eine Neuaufstellung. Nachdem diese erfolgt war, dichtete der Kleinziegenfelder Franz Deinhardt sogar ein Claudiuslied. 1933 soll es eine Radfahrerfigur gegeben haben, die gar eine Hakenkreuzfahne trug. Diese wurde von besonnenen Bewohnern gegen Kriegsende abmontiert, um nicht die Aufmerksamkeit der Alliierten auf das Dorf zu lenken.
1952 wurde eine dritte Statue aufgestellt, die wegen Vandalismus 1971 erneuert werden musste. Dabei wurden Beine und Arme aus massivem Fichtenholz mit Gelenken gefertigt. Seit 1952 trägt die Claudius-Figur eine rot-weiße Franken-Fahne.
Böllerschüsse und ein Dorffest zur Neueinkleidung
Bei der Neueinkleidung hat schon so mancher Autofahrer, der auf der Staatsstraße 2191 unterwegs war, angehalten und Hilfe angeboten. Denn die Aktion ähnelt auf den ersten Blick einem Rettungsatz der Bergwacht. Auf der Trage wird der abmontierte Claudius ins Dorf getragen. Dort gibt?s dann eine medizinische Auffrischung für den wettererprobten Franken. Holz, Füllmaterial und Kleidung werden ausgetauscht.

„Diesmal war es gar nicht so schlimm“, sagt Reinhard Schütz der das Fahrrad inspiziert hatte. „Sogar die Räder drehten sich noch.“ Böllerschüssen hallten durch das Tal, als Claudius zurückgebracht wurde, und mit einem kleinen Fest wurde die Neueinkleidung gefeiert. „Wenn wir schon unsere Feier des 150-jährigen Bestehens der Feuerwehr absagen mussten, haben wir Corona-konform mit einem Dorffest am Hühnerberg unseren Claudius gefeiert“, berichtet Schütz.
In der Pandemie trug Claudius sogar eine Mund-Nase-Maske
Dass sie ihr Wahrzeichen wie ein Maskottchen lieben, haben die Kleinziegenfelder schon im vergangenen Jahr gezeigt als im ersten Corona-Lockdown Claudius sicherheitshalber eine Gesichtsschutzmaske verpasst bekam. Sicher ist, dass ihn die Dorfbewohnern ins Herz geschlossen haben, denn die Neueinkleidung hat wieder gezeigt, dass die Tradition gepflegt wird. Der einzige Wermutstropfen ist allerdings, dass es immer noch keinen Radweg nach Kleinziegenfeld gibt, obwohl ein Radfahrer seit 116 Jahren das Wahrzeichen des Dorfs ist.