Eigentlich steckt sie mitten in der Abiturvorbereitung, die durch die Corona-Krise wohl ohnehin schwieriger ist als in vergangenen Jahren. Dennoch nimmt die 19-jährige Nora Glaß aus Wildenroth, die gerade die Klasse Q12 am Gymnasium Burgkunstadt besucht, an Deutschlands bekanntestem Nachwuchswettbewerb „Jugend forscht“ in der Kategorie Chemie teil. Und das mit einem Thema, das sie persönlich nur am Rande betrifft.
Unter dem Titel „Beyond Meat – Die Zukunft der Proteine?“ hat sie gezeigt, dass diese veganen Fleischersatzprodukte eines US-amerikanischen Nahrungsmittelproduzenten ein ähnliches Protein- und Fettgehalt aufweisen wie herkömmliches Fleisch, das man in vielen Metzgereien kaufen kann. Doch sie selbst könnte auf tierische Produkte nicht dauerhaft verzichten, gibt sie zu. Ihr Bruder, der einige Monate die vegane Lebensweise ausprobiert habe, habe sie dazu inspiriert.
Der Lockdown beeinträchtigt Forschungen
Nach der Vorbereitungszeit im Herbst mussten die wissenschaftlichen Versuche der jungen Frau aufgrund der Schulschließungen durch die Corona-Krise Mitte Dezember dann doch recht kurzfristig vonstatten gehen. Aus organisatorischen Gründen hat sie sich dabei auf die Untersuchung des Wasser-, Fett- und Proteingehalts eines „Beyond Meat“-Stückes und eines Burger-Pattys einer regionalen Metzgerei beschränkt.

Im Chemiesaal des Gymnasiums beließ sie die beiden Produkte für 24 Stunden bei mäßiger Hitze im Trockenofen und wog diese anschließend mit ähnlichen Ergebnissen. Dann extrahierte sie mit einer speziellen Apparatur und einem Lösungsmittel das Fett aus den beiden Proben. Anschließend bestimmte sie die Art der Nährstoffe mit Hilfe eines Jod-Stärke-Komplexes.
Viele Zusatzstoffe für Geschmack und Optik
„Beyond Meat“ enthält ungesättigte Fettsäuren, welche essenziell für den menschlichen Körper sind, da er sie selber nicht herstellen kann. Diese werden aber bei zu starkem Erhitzen, etwa beim Braten, „ranzig“. Das wiederum lasse das Risiko für Herzerkrankungen steigen, weshalb Nora Glaß die neuartigen Burger für kritisch erachtet. Außerdem enthielten sie viele Zusatzstoffe für Geschmack und Optik, die unnatürlich und meist auch nicht so gesund sein können, befindet die Schülerin. Im herkömmlichen Stück Fleisch war in ihrem Test das Gegenteil der Fall: Es wies gesättigte Fettsäuren auf.

Für den quantitativen Proteinnachweis hat Nora Glaß versucht, beide Proben aufzulösen und durch eine Biuret-Reaktion und einen Kolorimeter den Proteinanteil zu bestimmen. „Das Problem war, dass sich das Tierfleisch fast nicht hat lösen lassen – im Gegensatz zu dem ,Fleisch‘ von ,Beyond Meat‘ – und deswegen ist das Ergebnis unbrauchbar, da keine gleichen Versuchsbedingungen vorhanden waren.“
Betreuung über Telefonate und Videokonferenzen
Das Wissen für ihre Forschung stammt zum einen aus dem Chemie-Unterricht an der Schule, zum anderen aus vielen Stunden spezifischer Recherche. Unterstützung erhielt sie zu jeder Zeit durch ihren Fachlehrer Andreas Schmitt – zu Beginn des Schuljahres in persönlicher Form nach dem Unterricht beispielsweise, seit dem erneuten Lockdown in Telefonaten und Videokonferenzen. Andreas Schmitt findet das schade: Eine Betreuung in Online-Form funktioniere eben nicht so gut wie vor Ort. Viele Schüler konnten ihre Pläne außerdem nicht so umsetzen, wie sie es gerne getan hätten. Nora Glaß meint: „Das war schon manchmal schwierig, aber ich habe mich immer gut unterstützt gefühlt.“
Ihren Forscherdrang hat die Corona-Krise nicht gebremst. Seit ihrer Kindheit habe sie sich für verschiedenste Stoffe und naturwissenschaftliche Experimente interessiert und sich auf das Fach Chemie an der Schule gefreut. Auch sichtbar eindrucksvolle Dinge wie etwa der Jod-Stärke-Komplex, bei dem sich die Farben ändern, bereiten ihr Spaß.
„Da sind echt geniale Leute dabei! Ich nehme es, wie es kommt. Und es ist auf jeden Fall eine tolle Erfahrung!“
Nora Glaß über „Jugend forscht“
Bescheiden sind ihre Erwartungen an den Nachwuchswettbewerb „Jugend forscht“: Bei der Recherche zu den anderen Teilnehmern und deren Projekten habe sie diesen Respekt gezollt. „Da sind echt geniale Leute dabei! Ich nehme es, wie es kommt. Und es ist auf jeden Fall eine tolle Erfahrung!“
Das weiß auch Andreas Schmitt, der schon rund 50 „Jugend-forscht“-Projekte von Schülern begleitet hat. Normalerweise gleiche der Wettbewerb, der sich mit mehreren Präsenztagen in Regional- und Landewettbewerbe und einen anschließenden Bundesfinale gliedere, einer Zusammenkunft interessierter Forscher in unterschiedlichen Bereichen. „Das ist ein tolles Flair für die Jugendlichen und stärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl“, erzählt er.
Gut für die Persönlichkeitsbildung und den weiteren Lebensweg
Die Vorstellung des eigenen Projekts vor einem unbekannten Publikum trage zur Persönlichkeitsbildung der jungen Menschen bei. Daneben können sich durch die Teilnahme der Numerus Clausus für bestimmte Studienfächer sowie die Chancen auf einen Arbeitsplatz bei bestimmten innovativen und forschungsorientierten Unternehmen verbessern.
Besonders begeistert zeigt sich der Pädagoge von den interessanten Ideen der jungen Forscher. Er spüre stets eine ganz andere Begeisterung und Freude bei den ihnen – so auch bei Nora Glaß.
Auf der Warteliste für einen Studienplatz
Sie hat ihre schriftliche Projektausarbeitung im Januar bei der Stiftung eingereicht und hat in der vergangenen Woche am Regionalwettbewerb teilgenommen, bei dem in der ersten Runde alle Jungforscher aus Oberfranken aufeinandertrafen. Ihr Hauptaugenmerk liegt momentan jedoch auf einer anderen Prüfung: Die 19-Jährige konzentriert sich stark auf ihr Abitur. Was das Leben danach für sie bereithält, ist noch offen: Sie hat sich bereits für ein Duales Studium zur Lebensmittelsicherheit bei einem Kulmbacher Gewürzunternehmen beworben und befindet sich dort nun auf der Warteliste für einen Studienplatz. Sie kann sich aber auch einen „Work- & Travel“-Auslandsaufenthalt gut vorstellen.
In Wildenroth und Burgkunstadt treibt sie viel Sport, spielt normalerweise Handball und Fußball in örtlichen Vereinen. Während des momentanen Trainingsausfalls durch die Corona-Krise hält sie sich zu Hause mit Cardio- und Kräftigungsübungen fit. Doch auch Yoga habe sie seit kurzem für sich entdeckt: Seit letztem Sommer mache sie regelmäßig Übungen, seit 2021 sogar jeden Tag.