Vor einigen Wochen war OT-Redakteur Frank Gorille zusammen mit seiner Frau zu einer Reha-Maßnahme in einer Klinik im hohen Norden. Dort wurden beide mit dem Sars-CoV-2-Virus infiziert. Über den Verlauf seiner vierwöchigen Covid-19-Erkrankung berichtet er für OTverbindet.
„Fast ein ganzes Jahr lang passt man peinlich darauf auf, stets den nötigen Abstand zu seinen Mitmenschen einzuhalten, trägt bereits mit Beginn der Diskussion über den Sinn von Mundnasenschutz eine selbst genähte Gesichtsmaske, desinfiziert sich die Hände viele Male am Tag und reinigt auch den Einkaufswagen mit einem Hygienemittel vor dem Gang in den Supermarkt. Dies alles zum eigenen Schutz und auch, um seine über 80 Jahre alten Eltern zu schützen. Nur keine Ansteckung mit dem Corona-Virus. Und dann das: positiv! Fünf Schnelltests in der Klinik bei den Testungen im Drei-Tages-Rhythmus waren negativ. Und jetzt die Mitteilung vom Arzt: positiv! Ein Schock!
Ein Schreckensszenario spukt im Hirn herum
Von einer Sekunde auf die andere schwirren einem alle möglichen Gedanken durch den Kopf. Die sich aber einfach nicht sortieren lassen. Zu groß ist einfach der Schock! Wie kann das sein? Woher? Durch wen? Das Krankenhaus-Schreckensszenario rotiert und spukt im Hirn herum.
Eine halbe Stunde später wird bei mir ein PCR-Test vorgenommen. Auch bei meiner Frau, deren Schnelltest zuvor negativ gewesen war. Sollte bei mir vielleicht doch ein falsches Ergebnis vorliegen? Ein Funke Resthoffnung besteht. Allerdings werden wir sofort in unserem Zimmer unter Quarantäne gestellt und ,gebrandmarkt' mit einem Zettel an der Zimmertür, auf dem in großen Lettern Isolierbereich steht. Wir sind eingesperrt! Ein Verlassen des Zimmers ist strengstens verboten. Die Tür öffnet sich nur noch für die Essenslieferungen durch Schwestern in voller Schutzmontur.

Jetzt werden manche von Ihnen, werte Leser, fragen: ,Warum tritt man während der Corona-Pandemie eine Reha-Maßnahme an?' Gewiss hatten auch wir unsere Bedenken. Aber die Hygienemaßnahmen der Klinik erschienen uns vorbildlich: Aufnahme der Patienten nur mit negativem PCR-Test, alle drei Tage ein Schnelltest für alle Patienten und alle Mitarbeiter, unzählige Spender mit Desinfektionsmittel im gesamten Haus, Gruppentherapie mit maximal acht Leuten, zeitlich gestaffelte Essenzeiten, Glasscheiben auf den Tischen und vor allem die Pflicht zum Tragen einer FFP-2-Maske außerhalb des eigenen Zimmers. Was sollte da passieren?
Eine kleine Unachtsamkeit mit fatalen Folgen
Wie also hatte ich mich angesteckt? Mit großer Wahrscheinlichkeit nicht über Aerosole, sondern über eine mir von einer Pflegekraft gereichte Salbendose. Salbendose? Inzwischen weiß ich, dass sich das vermaledeite Virus auf glatten Plastikflächen bis zu vier Stunden halten kann. Auch, dass das Virus von einer wohl im privaten Bereich infizierten Pflegekraft in die Klinik geschleppt worden ist. Hätte ich nach dem Abstellen der Salbendose im Zimmer doch nur gleich meine Hände desinfiziert. Eine kleine Unachtsamkeit mit fatalen Folgen...
Bis zum letztlich positiven Bescheid der PCR-Tests für uns beide zwei Tage später, war uns selbst schon klar geworden, dass ich infiziert war und meine Frau angesteckt hatte. Mein anfänglich leichter Husten hatte sich zu minutenlangen Hustenattacken ausgeweitet, während meine Frau unter Erbrechen und massiven Rückenschmerzen litt.

Nun also Isolation in einem Klinikzimmer im hohen Norden. Von wegen! Nach der Erkrankung von 13 Patienten und fünf Mitarbeitern ordnete das dortige Gesundheitsamt die komplette Räumung der Reha-Klinik an. Was für uns eine 750 Kilometer lange Heimfahrt bei winterlichen Bedingungen unter strengsten Hygienemaßnahmen und mit Symptomen bedeutete.
„Bitte nicht auch noch Atemnot!“
Das tägliche Bangen von Frank Gorille
Diese wurden in den Tagen darauf immer schlimmer. Meine Frau kam in den folgenden zwei Wochen noch einigermaßen glimpflich weg. Wobei glimpflich bei ihr weiterhin starke Rückenbeschwerden, Kopfschmerzen bis in die Haarwurzeln, Schnupfen, Rasseln der Bronchien und zeitweiser Verlust von Geruchs- und Geschmacksinn bedeutete.
Zustand verschlechtert sich von Tag zu Tag
Mein Zustand indes verschlechterte sich von Tag zu Tag. Die Hustenanfälle wurden so extrem, dass nur Cortison-Tabletten eine leichte Linderung brachten. Eine Folge der Hustenattacken war eine Art Kater in den Brustmuskeln und der gesamten Rückenmuskulatur. Ohne Schmerztabletten wäre an nächtlichen Schlaf nicht zu denken gewesen. Schnupfen sowie der komplette Verschluss der Stirn- und Nebenhöhlen führten dazu, dass ich nachts erwachte, weil mir blutiger Schleim aus der Nase tropfte. Kopf- und Gliederschmerzen, Fieber und Durchfall schwächten den Körper zusätzlich.
Das Essen reduzierte sich in diesen Tagen auf eine simple Nahrungsaufnahme – ohne jeglichen Appetit und Geruch. Unter dem Verlust des Geruchsinns leide ich übrigens noch heute – fast elf Wochen nach Ausbruch der Covid-19-Erkrankung. Immerhin der Geschmack war irgendwie noch vorhanden. Teils richtig, teils falsch. Komisch.
Hausarzt erkundigt sich täglich nach dem Befinden
Scheinbar vergeblich kämpfte mein von mir immer gepriesenes, gutes Immunsystem gegen das an allen Fronten angreifende Virus. Immer mehr saugte der unsichtbare Gegner die Lebenskraft aus meinem Körper. Stundenlang lag ich auf der Wohnzimmercouch, stumpfsinnig die Decke anvisierend. Manchmal raffte ich mich auf für den Gang zum Fernsehsessel, um mich mit einer Sportübertragung berieseln und ablenken zu lassen.

Täglich erkundigte sich unser Hausarzt telefonisch nach dem Befinden, während wir von unserem Nachbarn und Bekannten mit Lebensmittel versorgt wurden.
Ein tägliches Einerlei, dass zu depressiven Gedanken führt. Wann bessert sich mein Gesundheitszustand endlich? Oder gibt's gar eine weitere Verschlechterung? Was ist mit Postcovid-Folgen an Herz, Lunge oder anderen Organen, von denen man öfters gelesen hat? Und täglich das Stoßgebet: ,Bitte nicht auch noch Atemnot!' Dann das hätte Krankenhaus bedeutet. Dorthin wollten weder meine Frau noch ich.

Irgendwann, irgendwann am Nachmittag des elften Tages der Erkrankung ebbte der Druck im Kopf etwas ab. Der Kampf in mir schien eine Wende zu nehmen. Tatsächlich kam am nächsten Tag der Appetit zurück, schmeckte mir am Abend wieder einmal eine Brotzeit. Was für ein Genuss! Sie glauben gar nicht, wie köstlich ein banales Schwarzbrot mit Wurst belegt schmecken kann.
Genesung schreitet nur ganz langsam voran
Allmählich ging es mir besser. Während man nach einer überstandenen Grippe-Erkrankung ziemlich schnell wieder fit wird, gibt das Corona-Virus nicht so schnell auf. Es hat den Körper in den Tagen zuvor so in Mitleidenschaft gezogen, dass dessen Erholung und somit Genesung nur ganz langsam voranschreitet. Nach vier Wochen fühlte ich mich fit genug, um wieder auf die Arbeit zu gehen. An der körperlichen Fitness und dem Wiederaufbau meines normalen Lungenvermögens habe ich jedoch noch Wochen und Monate zu trainieren. Vielleicht kommt bis dahin auch mein Geruchssinn zurück.
Zurückblickend kann man sagen: Man spricht manchmal allzu leichtfertig den Satz ,das wünscht man nicht 'mal seinem ärgsten Feind'. Doch dieses Virus wünscht man wirklich keinem. Nicht einmal einem Corona-Leugner.“