Seit 125 Jahren wirkt Regens Wagner in Burgkunstadt. Ingrid Fiedler begann 1990 als hauswirtschaftliche Mitarbeiterin. Sie bildete sich zur Heilerziehungspflegerin fort. Aktuell ist sie in der Wohngruppe Jonas in Weismain tätig, wo sie mit Menschen mit geistiger und psychischer Behinderung arbeitet. Zum Jubiläum hat sie sich ihre eigenen Gedanken gemacht.
„Viele Jahre waren bei Regens Wagner Burgkunstadt fast ausschließlich Dillinger Franziskanerinnen im Dienst. Es gab lediglich noch einen Verwalter für die Landwirtschaft, einen Hausmeister und natürlich einen Hausgeistlichen. Nach und nach kamen ,weltliche‘ pädagogische, hauswirtschaftliche und weitere Mitarbeiter dazu. Aus Sicht einer langjährigen Mitarbeiterin kann ich sagen, dass es eine interessante und lehrreiche Zeit war, vor 30 Jahren im damaligen Josefsheim, als junger Mensch ohne große Lebenserfahrung bei Menschen mit Behinderung zu arbeiten unter der Leitung von Ordensschwestern.
Ordensschwester als Indianer verkleidet
Den Werdegang der Ordensschwestern kennen zu lernen, von dem man in der Gesellschaft oft ein ganz anderes Bild hatte. Die vielen persönlichen Gespräche mit ihnen waren sehr erfahrungsreich. Eine Ordensschwester, die sich im Fasching als Clown oder Indianer verkleidet, konnte man sich gar nicht vorstellen.
Im Jahr 2016 verließen die letzten Ordensschwestern unsere Einrichtung in Burgkunstadt, und mit ihnen ging auch eine Ära zu Ende, die manche sehr vermissen. Wesentlich war damals schon die Arbeitsweise, die damals noch sehr großen Wohngruppen mit Hilfe eine klaren Tagesstruktur zu begleiten. Diese war sehr abwechslungsreich. Hierbei wurden viele Klienten integriert und gefördert. Auch auf ihre individuellen Fähigkeiten wurde eingegangen.
Ich erinnere mich gerne, mit welch großer Begeisterung wir in der Vorweihnachtszeit die arbeitsaufwendigen Igelsterne bastelten, bei denen wir Mitarbeiter viel von den Klienten lernen konnten. Einmal im Jahr wurde das ,große Stöbern‘ durchgeführt, auf das sich unsere Klienten immer sehr freuten.
Menschen mit Behinderung sind sehr feinfühlig
Da wurden alle Matratzen der Wohngruppe auf die Dachterrasse gebracht und ausgeklopft. Hierbei ging es immer sehr lustig zu, da der Bettklopfer nicht nur Matratzen klopfte … Anschließend wurden in den Zimmern alle Schränke penibel gereinigt. Das sind alles Arbeiten, die in diesem Umfang in der heutigen Zeit so nicht mehr ausgeführt werden. Aber das Gemeinschaftserlebnis und das Miteinander förderten.
Denn Menschen mit Behinderung sind sehr feinfühlig. Sie spüren ehrliche Beziehungen und schätzen entgegengebrachte Wertschätzung. Alle diese Erlebnisse, die Beziehung zu den Bewohnerinnen und Schwestern sowie die Freude und die Erfolgserlebnisse motivierten mich nach einigen Jahren, die Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin zu absolvieren. Dafür bin ich bis heute dankbar.
Früher arbeiteten viele unserer Klienten in der eigenen Landwirtschaft vom Josefsheim, die vor vielen Jahren stillgelegt wurde. Heute arbeiten viele, individuell auf ihre Fähigkeiten und Vorlieben ausgerichtet, in verschiedenen Bereichen, zum Beispiel in der Werkstatt, Förderstätte, Hauswirtschaft oder Gärtnerei. Damals, bei der Heu- oder Kartoffelernte, waren viele Hände sehr hilfreich. Zudem war dies eine gute Tagesstruktur. Auf dem Weg zu den Feldern saßen sie auf den Ladeflächen der Anhänger, was in der heutigen Zeit, auf Grund der Sicherheitsvorschriften, gar nicht mehr möglich wäre.
Viele Kontakte zur Bevölkerung

Die Tätigkeit auf den Feldern ermöglichte viele Kontakte zur Bevölkerung. Freundschaftliche Beziehungen und Interesse an den Menschen aus der damals noch so genannten „Anstalt“ entstanden. Sehr positiv ist für mich an dieser Stelle, wie sich die Kontakte zwischen der Bevölkerung und den Bewohnerinnen und Bewohnern bei Regens Wagner entwickelten. Manche Unsicherheit in der Begegnung wich einem offenen Miteinander.
Hier haben wir als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen hohen Anteil, da wir uns um diese Kontakte bemühen und versuchen, mit Einkäufen, Ausflügen und so weiter ein möglichst normales Leben zu gestalten. Und die offene, kontaktfreudige Art vieler Klienten bei Regens Wagner hilft dabei, dass nicht die Behinderung, sondern der Mensch im Vordergrund steht.
Durch wertschätzendes, oft jahrelanges Miteinander wächst das Vertrauen der Menschen mit Behinderung zu den Mitarbeitern, was gerade in der pädagogischen Arbeit ein sehr wichtiger Impuls ist. Mein persönlicher Leitspruch war immer: „Wir Menschen sind alle gleich und sind jeder auf den anderen angewiesen!“ Menschen mit Behinderung brauchen Unterstützung und Hilfe, um behinderungsbedingte Nachteile in ihrem Leben auszugleichen mit dem Ziel einer guten Lebensqualität. Als Mitarbeiterin freut es mich, dies zu ermöglichen und auf diese Weise meinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Herausfordernd und Abwechslungsreich
Die Arbeit bei Menschen mit Behinderung ist sehr herausfordernd und abwechslungsreich, bei der man oft über seine Grenzen hinaus wächst, die aber auch sehr viel Freude bereitet. Mit dem Leitspruch von Regens-Wagner ,Ich finde meinen Weg‘ kann ich mich gut identifizieren, er hilft auch in so einer schwierigen Pandemiezeit, wie wir sie jetzt haben.“