„Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte“ lautete das Motto des „Tag des offenen Denkmals 2024“. Mit der ehemaligen Synagoge besitzt auch die Gemeinde Altenkunstadt ein geschichtsträchtiges Wahrzeichen. Über die Bedeutung des 1726 errichteten Gotteshauses, das die jüdische Gemeinde im Ort 212 Jahre lang für religiöse und kulturelle Zwecke nutzte, informierte Udo Bornschlegel-Diroll aus Burgkunstadt bei einer Führung. Unter den Teilnehmenden waren auch zahlreiche auswärtige Zuhörende, darunter etwa Gäste aus Erfurt.
Der geschichtliche Rundgang begann im Judenhof, der Bornschlegel-Diroll zufolge mit der Synagoge, der Schule und dem Schächte-Haus für die jüdische Bevölkerung das Zentrum bildete. Ein Brunnen in der Mitte des Platzes versorgte die Menschen mit „lebendigem Wasser“.
Im Schächte-Haus seien nur zugelassene Tiere rituell geschlachtet worden. „Der Schächter musste ein integrer Mann sein, seine Arbeit mit einem speziellen Messer verrichten und dafür sogar ausgebildet sein“, erklärte der Referent. Bornschlegel-Diroll führte die Teilnehmenden zu dem Ort neben der Synagoge, wo einst die Mikwe floss.

Rituelles Tauchbad
Bei dem Bach handelte es sich um ein rituelles Tauchbad, dessen „besonderes Wasser“ der innerlichen, nicht aber der äußerlichen Reinigung diente. Wer in die Mikwe stieg, und das waren hauptsächlich Frauen, musste komplett untertauchen. Aber nicht nur Menschen wurden in dem Wasser rituell gereinigt, sondern auch Gegenstände wie Geschirr.
„Zusammen mit der Thora und der Synagoge bildet die Mikwe die drei Säulen, auf denen das Judentum basiert“, betonte der Redner. An einer Nachbildung des historischen Hochzeitssteins neben dem Haupteingang der ehemaligen Synagoge informierte er über den Ablauf einer jüdischen Hochzeitsfeier.
Der zweite Teil der Führung fand in der Synagoge statt, deren Inneneinrichtung in der sogenannten Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstört wurde. Danach diente das Gebäude Schule und Vereinen als Turnhalle und später dann der Gemeinde als Lagerraum.
Jetzt Begegnungsstätte
Die 1988 gegründete Interessengemeinschaft Synagoge und die Gemeinde Altenkunstadt wagten sich an die Restaurierung des ehemaligen jüdischen Gotteshauses, das nun seit 1993 als Begegnungs-, Kultur- und Gedenkstätte für Veranstaltungen genutzt wird.
Bornschlegel-Diroll zeigte den Teilnehmenden den nach Osten hin ausgerichteten Thora-Schrein, wo einst die auf den ersten fünf Büchern Mose beruhenden Thora-Rollen aufbewahrt und bei Gottesdiensten zum Lesen aufgelegt wurden. Im Gegensatz zu Kirchen als rein sakral geprägten Gebäuden gelten Synagogen dem Referenten zufolge als Versammlungsorte, wo nicht nur Gottesdienst gefeiert wird.
Für Männer und Frauen gibt es separate Räume mit getrennten Eingängen. Auf der ehemaligen Frauenempore stellte Bornschlegel-Diroll die Dauerausstellung vor, die anhand zahlreicher Exponate über die Geschichte der Juden am Obermain informiert.
Besonders interessierte die Gäste eine Thora mit den 613 Ge- und Verboten, die ein Jude zu befolgen hat. Ein Thora-Schreiber musste dem Referenten zufolge eine spezielle Ausbildung absolvieren. Die Feder, die er zum Schreiben benutzte, durfte nicht von einem unreinen Tier stammen. „Es gibt Thora-Rollen, die sind zehn bis zwölf Kilogramm schwer und haben mit einer Länge von 30 bis 40 Metern die Größe eines Kirchturms“, so der Referent. Interessant auch die Sabbat-Vitrine. Der Sabbat, der am Freitagabend beginnt und am Samstagabend endet, sei für die Juden der wichtigste Tag, der als Ruhetag unbedingt eingehalten werden müsse. An den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten und die damit verbundene Befreiung aus der Sklaverei erinnere das Pessachfest.