Es geschah in einer stürmischen Nacht im März des Jahres 1965: Orkanartiger Wind fegte die stolze Wetterfahne vom Turm der Strössendorfer Kirche Sankt Katharina. Am nächsten Morgen fand sie der Mesner vor der Sakristeitür. Der damalige Pfarrer Leonhard Meyer und sein Kirchendiener waren sich einig, dass der Windrichtungsanzeiger möglichst bald wieder auf der nunmehr kahlen Kirchturmspitze platziert werden müsse.
Zuvor wollte der Kirchenvorstand der evangelisch-lutherischen Gemeinde das gesamte Turmdach renovieren lassen. Außerdem waren einige Gremiumsmitglieder der Ansicht, dass an Stelle der alten, verrosteten Wetterfahne etwas Neues gestaltet werden sollte. Da sich bereits auf dem Turm des benachbarten Schlosses ein Fähnchen im Wind drehte, einigte sich der Kirchenvorstand schließlich auf den Hahn, der damals schon hier und da auf Gotteshäusern zu sehen war. Für die neu vergoldete Kugel auf der Spitze des Kirchturms ließ man daraufhin einen Hahn entwerfen, anfertigen und ebenfalls mit Gold überziehen.
Im Oktober 1966 wurde er auf der Turmspitze platziert. Von dort „blickt“ er nicht nur über die Dächer Strössendorfs, sondern bis nach Weidnitz, über die Mainwiesen und sogar zum 437 Meter hohen Külmitz hinauf. „Etwas nervös, fast gereizt, richtet er sich nach jedem Windzug und dreht sich ärgerlich einige Male um sich selbst, wenn in luftiger Höhe die Stürme zu stark werden“, beschreibt Pfarrer Leonhard Meyer den neuen Windrichtungsanzeiger in einem Gemeindebrief.
Ehe der Hahn kräht
Aber warum ausgerechnet ein Hahn? Den Grund dafür liefert vermutlich ein Bibeltext aus dem Matthäus-Evangelium, in dem Jesus dem Apostel Petrus prophezeit: „Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“, was dieser dem Evangelium zufolge aus Angst vor Verfolgung nach der Gefangennahme Jesu auch tat. Als der Hahn krähte, erinnerte sich Petrus an diese Prophezeiung, bereute sein Tun und verkündete dann bis zu seinem Tod die Lehre Jesu.
Der Hahn ist also als Mahnung zu verstehen, sich nicht nach dem Wind zu drehen, sondern wie Petrus dem christlichen Glauben treu zu folgen. War der Wetterhahn in den 1960-er Jahren am Obermain eher eine Rarität, so hat er doch eine lange Tradition. Laut Wikipedia stammt die erste bekannte Erwähnung aus dem 9. Jahrhundert. Bischof Rampertus von Brescia in Italien hat demnach im Jahr 820 einen Hahn aus Bronze gießen und auf dem Turm der Kirche San Faustino Maggiore anbringen lassen.
Scherenschnitt-Modelle
Wetterhähne gibt es sowohl als Scherenschnitt-Modelle als auch als Plastiken. War der Hahn ursprünglich nahezu komplett Kirchtürmen vorbehalten, so findet man ihn jetzt auch auf „weltlichen“ Gebäuden und sogar Taubenhäusern. Hier dient er in erster Linie als schmückendes Element. Ganz ungefährlich ist das Dasein eines Wetterhahns aber nicht: Manch übermütiger Zeitgenosse benutzt ihn, um mit Steinen die eigene Treffsicherheit zu testen oder gar mit scharfer Munition auf ihn zu ballern. Kein Wunder also, wenn der eine oder andere Hahn verbeult oder gar durchlöchert vom Dach seines Domizils herabschaut. Mit seinem Gedicht „Der alte Turmhahn“ setzte der deutsche Lyriker Eduard Mörike dem Wetterhahn ein literarisches Denkmal.