Über sieben Milliarden Menschen tun es, manche davon einmal und manche mehrmals am Tag. Doch obwohl es sich dabei um einen selbstverständlichen und absolut notwendigen Ausscheidungsprozess des Körpers handelt, ist das Thema Stuhlgang heutzutage immer noch mit Scham behaftet. Über das „große Geschäft“ spricht man nicht.
Doch gerade das sollte sich ändern. Ein Blick auf die Zahlen von Krankenkassen wie der Barmer oder Siemens-Betriebskrankenkasse zeigt, dass in Deutschland rund 470 000 Menschen unter chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen leiden, Tendenz steigend. Höchste Zeit also, ein Tabu zu brechen und sich mutig und offen der Realität zu stellen.
Diagnose Colitis Ulcerosa
Diese Realität sieht für Yvonne Hammitsch aus Weismain extrem aus: Sie besitzt keinen Dickdarm mehr. Zwölf Zentimeter Enddarm waren nach ihrer letzten Operation vor knapp zwei Jahren noch übrig. Doch diese sind nun auch entfernt worden. Es ist das Ende einer rund drei Jahrzehnte andauernden Leidensgeschichte, deren Protagonistin Colitis Ulcerosa heißt. Dabei handelt es sich um eine chronische Entzündung des Dickdarms, die mit blutigen Durchfällen und Schmerzen einhergeht, schubartig verläuft und den Alltag der Betroffenen stark einschränkt.

Dass diese Einschränkungen mehr als heftig ausfallen können, weiß Yvonne Hammitsch nur zu gut: „Es gab Tage, da habe ich es nicht einmal vom Schlafzimmer bis zur Toilette geschafft. Das Haus zu verlassen, war undenkbar. Und wenn ich es doch getan habe, dann schwang natürlich immer die Angst mit, beim Einkaufen keine Toilette zu finden.“ Die Weismainerin geht ganz offen mit dem Thema um. Genau das hilft ihr auch dabei, die vergangenen dreißig Jahre mit Colitis Ulcerosa zu verarbeiten – von den ersten Symptomen und heftigen Schüben über nervenaufreibende Krankenhausaufenthalte und Operationen bis hin zur vollständigen Entfernung des Dickdarms.
Erste Symptome im jungen Erwachsenenalter
Wie bei vielen Betroffenen zeigten sich auch bei Yvonne Hammitsch bereits im jungen Erwachsenenalter die ersten Symptome. Nach einer Darmspiegelung stand die Diagnose Colitis Ulcerosa fest. Der erste starke Schub folgte nach der Geburt ihres Sohnes: „Ich bin nicht mehr vom WC heruntergekommen, hatte starke Schmerzen und habe hoch dosierte Cortisonspritzen erhalten. Doch das half nichts. Erst als ich Immunsuppressiva bekommen habe, ist es besser geworden und ich konnte etwa 15 Jahre lang relativ beschwerdefrei leben“, berichtet sie.

Die Entzündung im Darm allerdings blieb und kehrte nach Absetzen der Medikamente umso heftiger zurück. Was daraufhin folgte, waren endlose Krankenhausaufenthalte in Bamberg und Erlangen mit teils ratlosen Medizinern. Selbst spezialisierte Ärzte wussten nicht mehr weiter, so dass letztlich nur eines blieb: den Darm zu entfernen „Auch wenn mir die Entscheidung extrem schwergefallen ist, so kann ich heute sagen, dass mein Leben ohne Dickdarm lebenswerter ist als vorher“, stellt Yvonne Hammitsch fest.
Ein langer und beschwerlicher Weg
Angst vor Durchfällen oder Schmerzen im Darm plagen sie aktuell nicht mehr. Der Weg dorthin war jedoch nicht leicht. Schließlich musste sie sich erst einmal an den künstlichen Ausgang gewöhnen. „Anfangs war es hart, weil der Dünndarm wie gelähmt war und erst einmal wieder arbeiten musste.
Mittlerweile komme ich mit meinem System aber sehr gut klar, auch dank der Beratung, die ich nach der OP erhalten habe“, erklärt sie.
Eine weitere, schwere Entscheidung galt es schließlich im vergangenen Jahr treffen: Sollte sie im Zuge einer weiteren OP die künstliche Öffnung wieder schließen lassen? „Es hat eine Weile gedauert, aber ich habe mich letztlich dagegen entschieden. Zum einen sind mit einer Rückverlegung auch Komplikationen verbunden und ich wollte nicht noch einen Eingriff über mich ergehen lassen. Das wiederum bedeutet aber auch: ein Leben lang künstlicher Ausgang“, antwortet Yvonne.

Auf die Frage, wie ihr Alltag mit dem Stoma funktioniere, hebt die Weismainerin ganz selbstverständlich ihren Pulli und deutet auf ein etwa zehn mal fünfzehn Zentimeter großes Beutelchen, das sich in einer stilvollen Stoffhülle verpackt rechts unterhalb ihres Bauchnabels befindet: „Hier landet jetzt das, was normalerweise mein Dickdarm verarbeiten würde. Das muss natürlich regelmäßig geleert werden, aber ich komme mit dem System glücklicherweise gut klar und habe auch keine Hautentzündungen.“ Sie muss zwar aufpassen, was sie isst, doch insgesamt fühlt sie sich wieder unabhängiger und freier. Auch ein Urlaub am Meer war bereits möglich.
Tabuthema zur Sprache bringen
Ihre Geschichte zu erzählen und das Thema Darmerkrankungen damit noch stärker in die Öffentlichkeit zu rücken ist für Yvonne Hammitsch ein wichtiges Anliegen. Zum einen möchte sie Betroffenen Mut machen, darüber zu sprechen. Zum anderen hilft es ihr, wieder Selbstvertrauen zu schöpfen. „Ob Reizdarm, Unverträglichkeiten oder chronisch-entzündliche Erkrankungen, es gibt so viele Menschen, die mit Darmproblemen zu kämpfen haben und sich im Alltag einschränken, weil sie sich nicht trauen, darüber zu reden. Doch aus Erfahrung kann ich sagen: Es ist unheimlich hilfreich, offen damit umzugehen und sich natürlich auch mit anderen darüber auszutauschen.“
Im Interview mit Marion Nikol hat Yvonne Hammitsch ebenfalls darüber gesprochen, wie sie es geschafft hat, mit der Situation umzugehen, was für sie im Leben wirklich zählt und warum das letzte Stück Darm, das ihr vor gut zwei Wochen entnommen worden ist, eine wichtige Rolle für die Forschung spielt. Der Bericht ist als Blog- und Audiobeitrag über www.obermain-stories.de abrufbar.