Wer einen neuen Personalausweis oder einen neuen Reisepass braucht, ist bisher in der Regel mit einem Passfoto ins Bürgerbüro gegangen. Das hat sich zum 1. Mai geändert. Jetzt werden nur noch digitale Fotos angenommen. Das ausgedruckte Bild wird nicht mehr akzeptiert. Wir erklären, was sich für die Bürger ändert und warum Fotografen dagegen Sturm laufen. Und wie steht es um die Qualität? Das wollten wir mit einem Selbstversuch herausfinden.
WOHER BEKOMME ICH DAS DIGITALE FOTO?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Man kann das Bild direkt im Bürgerbüro machen lassen. Allerdings ist laut Bundesinnenministerium erst die Hälfte Rathäuser mit einem Fotoautomaten ausgestattet. Im Bürgerbüro der Stadt Aschaffenburg, wo schon länger mit ähnlichen Geräten gearbeitet wird, gibt es zwei Automaten. Bei der Verwaltungsgemeinschaft Mespelbrunn beispielsweise wartet man noch, wie unsere Nachfrage ergab. Bis August sollen laut Innenministerium die restlichen Geräte ausgeliefert werden.
Man kann in dm-Drogeriemärkten ausweistaugliche Fotos machen lassen. Die dm-Märkte sind dafür zertifiziert. Man bekommt einen QR-Code, mit dem der Sachbearbeiter im Rathaus Zugriff auf die Daten hat. Man kann aber auch weiterhin zum Fotografen gehen, sofern der Fotograf eine entsprechende Zertifizierung hat.
WO KANN MAN SICH INFORMIEREN?
Es gibt eine Internetseite, die zertifizierte Fotografen in der Region gelistet hat: alfo-passbild.com/fotograf-in-der-naehe/ Die Stadt Aschaffenburg weist auf diese Seite in einer Pressemitteilung zum Start der neuen Vorschrift hin. Auf der Homepage sind am 30. Mai im Zehn-Kilometer-Umkreis der Aschaffenburger Innenstadt sechs Fotografen geführt. Die Stadt Miltenberg hat den Link auf ihrer Homepage veröffentlicht, um die örtlichen Fotografen zu unterstützen, wie der stellvertretende Geschäftsleiter Jonas Kern auf Anfrage mitteilt. Zum Stichtag waren dort drei Fotografen für Miltenberg aufgeführt.
MÜSSEN RATHÄUSER EINEN AUTOMATEN AUFSTELLEN?
Nein, das müssen sich nicht. Aus den Unterlagen des Innenministeriums, die der Redaktion vorliegen, geht hervor, dass jede Kommune ein entsprechendes Gerät erhalten kann - nicht muss. Der Markt Elsenfeld (Kreis Miltenberg) hat sich bewusst gegen einen Automaten entschieden. »Wir haben direkt gegenüber vom Rathaus ein Fotostudio«, berichtet Geschäftsleiter Patrick Hock auf Nachfrage der Redaktion. Man wolle keinen »Konkurrenzbetrieb« für die ortsansässigen Gewerbetreibenden starten. So lange es keine Pflicht gebe, den Automaten aufzustellen. So lange sich an der örtlichen Situation nichts ändere, wolle man diesen Weg gehen, so Hock. Auch wenn es für die Bürger eigentlich einfacher sei, nur eine Anlaufstelle zu haben.
Die Fotografenmeisterin in Rathausnähe ist Pia Löschinger. Sie sagt: »Ich finde das großartig.« Sie richte gerade die entsprechende Technik ein, die Zertifizierung habe sie bereits. Sie erklärt: Wenn das Passbildgeschäft wegfalle, werde den Fotostudios viel Kundenpotenzial genommen.
Im Rathaus Miltenberg bewertet man die Konkurrenzsituation anders. »Die Möglichkeit der digitalen Lichtbildaufnahme steht auch nicht in einer direkten Konkurrenz zu den Fotografen, da bereits jetzt auch kostengünstigere Alternativen zu den Fotografen bestanden«, teilt Jonas Kern, stellvertretender Geschäftsleiter, auf Anfrage der Redaktion mit. Die Möglichkeit, dass die Fotos im Bürgerbüro aufgenommen werden können, stoße auf gute Resonanz. »Gerade ältere Menschen haben uns für die Einrichtung der Möglichkeit gelobt«, so Kern. Und weiter: »Der Service für unsere Bürger soll damit verbessert werden und wir haben uns deshalb für die Möglichkeit der digitalen Lichtbilder entschieden.«
WAS KOSTET EIN DIGITALES PASSBILD?
In den Bürgerämtern zahlt man laut Innenministerium sechs Euro für das digitale Lichtbild. Im Rathaus Aschaffenburg sind sieben Euro fällig, weil dort keine Fotostation der Bundesdruckerei steht, wie Pressesprecherin Carla Diehl auf Nachfrage sagt, sondern Geräte eines Drittanbieters eingesetzt würden.
Bei dm kostet der Service 7,95 Euro, ein Papierabzug mit sechs Fotos ist inklusive, wie unser Besuch in einem Aschaffenburger dm-Markt gezeigt hat.
Bei Foto Alfen in Aschaffenburg kostet das Viererset 16 Euro. Der Fotoverbund Ringfoto geht davon aus, dass die Anbieter ihre bisher geltenden Preise stabil lassen. Michael Alfen sagt, die Zertifizierung sei kein großer Kostenfaktor. Er spricht von 40 bis 50 Euro.
DIGITALE FOTOS FÜR WELCHE DOKUMENTE?
Für den Personalausweis, den Reisepass und den elektronischen Aufenthaltstitel. Für Führerscheine ist vorerst kein digitales Passfoto notwendig, hier können auch weiterhin ausgedruckte Fotos verwendet werden.
GIBT ES EINE ÜBERGANGSFRIST?
Bis Ende Juli gilt in Ausnahmefällen noch eine Übergangsregelung, in der Papierfotos noch angenommen werden. Etwa, wenn die Fotos vor Mai aufgenommen wurden, der Ausweis aber erst später beantragt wird oder das entsprechende Bürgeramt noch nicht mit der nötigen Technik ausgestattet ist.
WIE LÄUFT ES BEI DM?
Wir haben in einem Aschaffenburger dm-Markt einen Test gemacht. An einem Donnerstagvormittag ging die Main-Echo-Reporterin in die Filiale. In der Fotoabteilung hat eine Mitarbeiterin mit ihrem Handy ein Bild aufgenommen. Wartezeit gab es keine. Der erste Versuch war ungültig: Die dm-Mitarbeiterin bekam auf ihrem Handy angezeigt, dass die Kundin zu sehr gelächelt hat. Für das biometrische Foto soll die Mimik neutral sein. Der zweite Versuch war gültig. Als Hintergrund dient eine weiße Wand. Dafür wird ein spezieller »Foto-Schrank« aufgeklappt, vor den man sich setzt. Eine besondere Beleuchtung gab es nicht. Die Kundin durfte das Foto anschauen, bevor es gedruckt wurde. Der ganze Vorgang hat etwa fünf Minuten gedauert.
WIE LÄUFT ES IM FOTOSTUDIO?
Wir haben einen Termin bei Foto Alfen in Aschaffenburg. Die Reporterin kommt dran ohne Wartezeit. Man kann sich vorher in einem Spiegel anschauen und sein Äußeres überprüfen. Dann nimmt man auf einem Stuhl Platz. Ein großer Scheinwerfer sorgt für optimales Licht. Der Fotograf gibt Anweisungen, wie man den Kopf halten soll. Der Fotograf darf das Bild fürs Amt nicht bearbeiten. Ein Pickel auf der Nase oder unreine Haut - da konnten Profis früher korrigierend eingreifen, berichtet Alfen, das sei jetzt nicht mehr möglich. Nach dem ersten Schuss für das biometrische Foto macht der Fotograf noch ein zweites, »schönes« Bild als Bonus. Dafür dirigiert der Fotograf den Kunden in eine vorteilhafte Haltung und man soll ein Lächeln zeigen. Der Vorgang dauert maximal zehn Minuten.
WARUM LAUFEN DIE FOTOGRAFEN STURM?
Laut Michael Alfen ist die Umstellung auf digitale Passfotos »ein weiterer Todesstoß« für Fotografen. Er hat sich bei der Redaktion gemeldet, um auf die Lage der Fotografen aufmerksam zu machen. Die Branche sei ohnehin schon sehr ausgedünnt, sagt er. Für viele Fotografen seien Pass- und Bewerbungsfotos existenziell. Seit die Pflichtmeisterprüfung abgeschafft worden sei, könne jeder ein Fotostudio eröffnen. Als Innungsmeister weiß Alfen, dass es aktuell in ganz Unterfranken nur noch zwei Fotografen-Azubis gebe. Zur Berufsschule müssten die mittlerweile nach Bayreuth.
Michael Alfen fragt: Wie funktioniert das mit den digitalen Passfotos bei Behinderten oder bei Babys? »Das können eigentlich nur Fotografen«, sagt der Fachmann, der das Geschäft in dritter Generation betreibt. Er sieht auf die Verwaltung »Riesenprobleme« zukommen, wenn es nicht mehr flächendeckend Fotografen gebe.
Auch Jens Kortus, der ein Fotogeschäft in der Miltenberger Innenstadt betreibt, wendet sich an die Redaktion. Für ihn seien Pass- und Bewerbungsfotos Haupt- und Standardumsatz, berichtet er im Telefonat mit der Redaktion. Er habe die Stadt Miltenberg kontaktiert, damit diese auf einen Automaten im Rathaus verzichte. »Gespräche mit der Stadt, mit der Bitte, den Automaten nicht aufzustellen, verliefen bislang ergebnislos«, so Kortus. Mit Material von dpa