Mit Formulierungen zum Platzen einer Bombe sollte man gerade in diesen Zeiten vorsichtig sein. Aber eines ist sicher: Am Mittwochmittag ploppte bei der Belegschaft der Bosch Rexroth AG - ebenso wie an sämtlichen anderen deutschen Bosch-Standorten - eine Nachricht auf, die seither große Sprengkraft entfaltet: Der Konzern streicht seinen Betriebsjubilaren die bisher für 25-, 40-, 45- oder gar 50-jährige Treue freiwillig gewährten Gratifikationen. Seither herrscht im Konzern helle Aufregung. Hier lesen Sie, worum es geht.
Die Entscheidung
Am Mittwochmittag tauchte die Botschaft im Intranet des Unternehmens auf. Überschrift: „Bosch beendet Jubiläumsleistungen in Deutschland.“ Im nachfolgenden Text wird der Schritt erklärt mit „anspruchsvollen konjunkturellen Rahmenbedingungen“ und einem „tiefgreifenden Wandel in sämtlichen Branchen“. Um wettbewerbsfähig zu bleiben und weiter investieren zu können, sei es „dringend erforderlich, nachhaltig Kosten zu senken“. Daher habe die Bosch-Geschäftsführung entschieden, „finanzielle Jubiläumszuweisungen für Mitarbeitende in Deutschland zum Ende des Jahres einzustellen“. Das Unternehmen beschäftigt allein in Lohr gut 5000 Menschen, deutschlandweit über 13.000.
Worum es im Fall Rexroth geht
Innerhalb des Bosch-Konzerns gibt es für einzelne Sparten und Unternehmen eine Vielzahl an Regelungen zu Jubilar-Gratifikationen. Im Fall von Rexroth sehen sie beispielsweise vor, dass Mitarbeitende für 40-jährige Betriebszugehörigkeit zwei Monatsgehälter und zwei Urlaubstage extra bekommen. Bei 25 Jahren sind es ein Gehalt und ein Urlaubstag. Auch bei 45 oder gar 50 Jahren gibt es entsprechende Boni.
Außerdem gibt es für alle Betriebsjubilare jährliche Feiern. Die für das laufende Jahr finden kurioserweise in diesen Tagen statt, erneut in den Mainfrankensälen in Veitshöchheim. Die Geehrten dürfen dazu Partner oder Partnerin mitbringen. Neben einer Würdigung wird es wohl auch wieder Essen und ein musikalisches Beiprogramm geben.
Ein weiteres Dankeschön für langjährige Betriebszugehörigkeit besteht bei Rexroth üblicherweise darin, dass die Jubilare einige Kollegen zum Essen in die Kantine einladen dürfen.
Die Erklärung des Rexroth-Sprechers
Die Bosch-Geschäftsführung habe sich „die Entscheidung nicht leicht gemacht“, so Rexroth-Pressesprecher Jan Saeger gegenüber der Redaktion. Man sei jedoch überzeugt, dass sie „ein notwendiger Schritt ist, um wettbewerbsfähig zu bleiben“. Kosten müssten überall dort gesenkt werden, wo dies möglich sei. Durch das Streichen der Jubiläumsleistungen erwarte sich Bosch allein in Deutschland eine jährliche Einsparung im mittleren zweistelligen Millionenbereich.
Während Jubiläumsurlaub und -gehalt ab 2026 ersatzlos entfallen, sei geplant, dass es weiter eine feierliche Würdigung von Arbeitsjubiläen geben wird. Allerdings, das betont Saeger, werde es sich dabei nicht um die bisher üblichen jährlichen Jubilarfeiern handeln. Diese würden ebenfalls gestrichen. Details dazu, wie man die Arbeitsjubilare anderweitig würdigen könne, würden bis zum Jahresende festgelegt, so Saeger.
Der Rexroth-Sprecher bestätigt, dass die Ankündigung vom Mittwoch seither innerhalb der Belegschaft „intensiv diskutiert“ werde, insbesondere im Intranet. „Naturgemäß sehen die Mitarbeitenden den Verlust von Besitzständen kritisch“, beschreibt Saeger den Inhalt der weitaus meisten Wortbeiträge.
Das sagt der Bosch-Arbeitsdirektor
Stefan Grosch, Geschäftsführer und Arbeitsdirektor der Robert Bosch GmbH, äußerte sich im Intranet des Unternehmens zur Streichung der Jubilar-Boni: Der Konzern befinde sich in einem „äußerst schwierigen wirtschaftlichen Umfeld, das uns alle betrifft“, heißt es in der Erklärung. Neue Handelsbarrieren, eine angesichts geopolitischer Unsicherheiten schwächelnde Weltwirtschaft und stagnierende Märkte stellten das Unternehmen vor große Herausforderungen. Um seine Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, müsse man „nachhaltig Kosten senken“.
Er könne verstehen, dass man mit der Entscheidung Mitarbeitende enttäusche, so der Arbeitsdirektor. Allerdings sei er auch „überzeugt, dass die traditionellen Jubiläumsleistungen nicht mehr die richtigen Anreize setzen“, da Karrieren heute anders verliefen als früher. Aus diesem Grund hätten auch andere Unternehmen bereits ihre Regelungen angepasst.
„Unsere Wertschätzung für langjährige Verbundenheit bleibt dabei unverändert“, formuliert der Bosch-Arbeitsdirektor. Das werde man auch „weiterhin zum Ausdruck bringen, indem wir in unsere Mitarbeitenden dauerhaft investieren und so ihre Entwicklung fördern“, so Grosch abschließend.
Das sagt der Betriebsratsvorsitzende
Klaus Friedrich ist im Telefonat anzumerken, wie sehr ihn das Agieren des Konzerns gegenüber seinen Beschäftigten empört. In 30 Jahren Betriebsratsarbeit habe er Vergleichbares noch nicht erlebt, sagt der Rexroth-Gesamtbetriebsratsvorsitzende.
Da sei zum einen der Stil der Verkündung: Die Entscheidung sei ohne jedes vorherige Gesprächsbemühen der Chefetage gegenüber dem Betriebsrat verkündet worden. Der Betriebsrat habe lediglich kurz vorher per Anruf die Info über die bevorstehende Verkündung der Entscheidung erhalten.
Friedrich hätte sich erwartet, dass das Unternehmen im Vorfeld das Gespräch mit der Arbeitnehmervertretung sucht, um über eventuelle Kompromisse zu sprechen. Darüber, wie es stattdessen gelaufen ist, sagt er: „Es ist unsäglich, uns das einfach so mitzuteilen, ohne auch nur einmal mit uns darüber zu reden.“
Auch an der Entscheidung selbst lässt er kein gutes Haar: „Das ist eine Frage der Anerkennung, der Wertschätzung, des Respekts“, sagt er über den Umgang mit langjährigen Mitarbeitenden. Den Jubilaren sei dieser emotionale Aspekt viel wichtiger „als das Geld oder ein zusätzlicher Tag Urlaub“. Über die vom Konzern ebenfalls gestrichenen jährlichen Jubilarfeiern sagt Friedrich, dass diese stets „schön gemacht“ seien und für die Geehrten „durchaus einen Stellenwert“, hätten. „Die Leute empfinden das als Anerkennung.“
Dass das Unternehmen all diese Leistungen nun ersatzlos streiche, sei ein „Signal, das die Beschäftigten genau verstanden haben“. Friedrich weiter: „Langjährige Treue, Identifikation, emotionale Verbundenheit - die Firma misst dem keinen Wert mehr bei. Stattdessen wird den Jubilaren alles gestrichen, was Geld kostet.“ Dabei seien es doch gerade die langjährigen Mitarbeiter, die durch ihre Erfahrung und ihr Wissen „das Unternehmen tragen“.
Gerade bei Rexroth gebe es im Gegensatz zu manch anderer Branche oder manch anderem Unternehmen relativ viele Mitarbeiter, die seit Jahrzehnten im Unternehmen seien. Die Zahl derer unter den rund 13.000 Rexröthern in Deutschland, die alljährlich Betriebsjubiläen feiern, beziffert Friedrich auf mehrere Hundert.
Seit der Verkündung vom Mittwoch ist nach Aussage des Betriebsratsvorsitzenden innerhalb der gesamten Bosch-Belegschaft ein Sturm der Entrüstung aufgezogen, wie ihn „der Konzern noch nicht erlebt hat“. Es habe immer wieder schwierige Situationen gegeben: Umstrukturierungen, Verlagerungen, Stellenabbau. „Aber das hat eine andere Qualität. Es geht um Emotionen im Bezug zur Firma“, sagt Friedrich. Ein ganz besonderer Nackenschlag sei die Entscheidung gerade für jene, die 2026 vor einem Betriebsjubiläum stünden, so Friedrich.
Seinen Worten zufolge herrscht seit Mittwoch „massive Wallung“ in der Belegschaft. Es sei bereits eine konzernweite Postkartenaktion gestartet, bei der schon mehrere zehntausend der bundesweit rund 140.000 Boschler ihren Unmut zum Ausdruck gebracht hätten. Die erste Charge der Postkarten sollte gleich am Freitag bei einer Bosch-Aufsichtsratsitzung in Stuttgart überreicht werden.
Der Rexroth-Betriebsrat nehme derzeit noch die Rückmeldungen aus der Belegschaft auf, schildert Friedrich. In der kommenden Woche werde man sich zum weiteren Vorgehen beraten. Sicher sei, dass man die Streichung der Jubiläumsleistungen für einen Fehler halte und ablehne. Man werde die Chefetage zu einem Gespräch auffordern, kündigt Friedrich an. Ob sich an der Entscheidung noch rütteln lasse, könne er nicht sagen.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden