Zweimal schon hat die Stadt die letzte große freie Gewerbefläche im Industriegebiet Süd an ein Unternehmen verkauft. Zweimal war die Hoffnung dabei, dass auf dem rund 18.000 Quadratmeter großen Areal etwas entsteht, was der Stadt möglichst viele Arbeitsplätze und Gewerbesteuer einbringt. Zweimal wurde diese Hoffnung enttäuscht.
Nun, nach rund zwei Jahrzehnten des Hoffens und der Enttäuschungen, soll es im dritten Anlauf klappen: Am Freitag hat die Stadt eine neue Verkaufsrunde gestartet. Unverändert ist dabei, dass man im Lohrer Rathaus weiter auf den großen Wurf in Sachen Gewerbe- beziehungsweise Industrieentwicklung hofft. Eines allerdings hat sich geändert: Dieses Mal möchte sich die Stadt nicht noch einmal über Jahre hinhalten lassen.
Dieses Mal keine Fristverlängerung
Das machte Bürgermeister Mario Paul bei einem Ortstermin mit nur einem Satz deutlich: „Wir können keine Aussicht auf Verlängerung geben.“ Paul spielte damit auf die Geschichte des Lohrer „Filetstücks“ an.
Die früheren Käufer, zunächst Bosch Rexroth und später der Glasofenbauer Sorg, hatten der Stadt jeweils größere Neubauten in Aussicht gestellt. Doch gebaut wurde nie, stattdessen ließ sich die Stadt mehrfach dazu bewegen, für die Bebauung gesetzte Fristen zu verlängern.
Aufgrund dieser Erfahrung zieht die Stadt bei der neuerlichen Vergaberunde die Daumenschrauben schon vorab an. Die Vorgabe lautet: Ein Käufer der Fläche muss binnen drei Jahren die Nutzung aufnehmen. Deswegen ist eines der Vergabekriterien auch, dass mit der Bewerbung ein von einem Architekten erstellter Vorentwurf vorgelegt wird, also erste Skizzen zur geplanten Bebauung und Nutzung des Geländes.
„Schlüsselstück für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Lohr“
Obschon dieses Filetstück nun schon seit vielen Jahren weitgehend ungenutzt daliegt, ist es noch nicht verdorben. Ganz im Gegenteil. Anja Güll, die Wirtschaftsförderin der Stadt, bezeichnete das in den vergangenen Jahren vor allem als Autoabstellplatz genutzte Areal als „entscheidendes Schlüsselstück für die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Lohr“. Umso wichtiger sei es, die Vermarktung der Fläche nun besonders gewissenhaft und zielführend zu betreiben.

Das Vergabeverfahren orientiert sich an einem schon vor einiger Zeit vom Stadtrat beschlossenen Kriterienkatalog. Darin sind Aspekte gelistet, wie etwa die Zahl der entstehenden Arbeitsplätze oder Auswirkungen auf den Ausbildungsmarkt.
Gewichtet wird in dem Verfahren neben dem Flächenverbrauch auch, ob der künftige Nutzer des Unternehmens zur Diversifizierung des Lohrer Wirtschaftsstandorts beiträgt oder aber die „standortprägenden Spitzenleistungen“ stärkt. Generell, so erklärt Güll, gehe es darum, die lokale Wertschöpfungsketten zu stärken.
Paul: Bislang drei Interessenten
Bürgermeister Paul hat natürlich auch die Finanzlage der Stadt im Blick, weswegen es nicht verwundert, dass er als weiteres Kriterium „möglichst viel Gewerbesteuer“ nennt, auf die man für die Stadtkasse hoffe.
Bislang, so sagt der Bürgermeister, gebe es drei Interessenbekundungen für die zum Verkauf stehende Industriefläche. Alle stammten von ortsansässigen Firmen. Namen nennt Paul naturgemäß nicht. Bekannt ist allerdings, dass die Firma Gerresheimer starkes Interesse hat. Deren Manager Andreas Kohl hatte vor einigen Wochen erklärt, dass man vehement dafür kämpfen werde, den Zuschlag zu erhalten. Der Glashersteller brauche die Fläche, um dort ein Logistikzentrum, Büroflächen und eine Veredlung der in der nahen Glashütte erzeugten Produkte unterzubringen.
Gerresheimer ebenso wie alle anderen Interessenten haben nun bis Ende August Zeit, sich förmlich um die Fläche zu bewerben. Möglich ist dies ausschließlich über das Internetportal Baupilot. Dieser Weg garantiere ein nachvollziehbares und rechtssicheres Vergabeverfahren, begründet Paul.
Wie die städtische Wirtschaftsförderin Güll erklärt, ist durch das Portal sichergestellt, dass neben ortsansässigen Firmen auch solche aus dem gesamten Bundesgebiet oder gar aus dem Ausland auf die Fläche aufmerksam werden können. Daneben stehe man auch mit der Wirtschaftsförderung des Freistaats im Austausch, die unter dem Schlagwort „Invest in Bavaria“ um Investitionen ausländischer Unternehmen im Freistaat buhlt, so Güll weiter.
Entscheidung am 1. Oktober
Aufmerksam wird man auch durch die großen Plakate, die seit Kurzem auf der Fläche an der Bürgermeister-Dr.-Nebel-Straße stehen. Sie zeigen ein überdimensionales Filetstück.
Wer zuschnappt beziehungsweise wem das Filetstück serviert wird, zeigt sich am 1. Oktober. Bis dahin, so erklären Paul und Güll, wird man im Rathaus die bis zum 31. August eingegangenen Bewertungen gesichtet und anhand des Punkteschemas in eine Reihenfolge gebracht haben. Die ersten drei Unternehmen auf dieser Rangfolge werden sich und ihre für die Fläche geplante Nutzung im Stadtrat präsentieren dürfen. Dann, also in seiner Sitzung am 1. Oktober, muss der Stadtrat entscheiden. Erst in den drei Jahren danach wird sich zeigen, ob es der Stadt im dritten Anlauf endlich gelungen ist, ihr Filetstück mit dem gewünschten Effekt zu servieren.
Hintergrund: Der Preis und das Verfahren
Die Stadt Lohr hat sich beim Verkauf der Fläche im Industriegebiet Süd gegen ein Bieterverfahren entschieden. Stattdessen, so legte es der Stadtrat vor einigen Wochen fest, wird die Fläche zum sogenannten Bodenrichtwert verkauft. Dieser liegt für die Fläche bei 65 Euro pro Quadratmeter.
Daraus errechnet sich für das gut 18.000 Quadratmeter große Areal ein Preis von knapp unter 1,2 Millionen Euro. Die Bewerbungsphase hat am Freitag begonnen. Sie geht bis zum 31. August. Bewerbungen sind ausschließlich online über das Portal Baupilot (www.baupilot.com) möglich. Genauere Infos zum Bewerbungsverfahren, zu den Mindestanforderungen und zu den Vergabekriterien gibt die Stadt unter www.lohr.de/filetstück. Für Fragen zum Verfahren steht die städtische Wirtschaftsförderin Anja Güll bereit: Tel. (09352) 848-660 oder Mail: wirtschaftsfoerderung@lohr.de.
Laut Bürgermeister Mario Paul wird die Stadt das Grundstück nur am Stück verkaufen und nicht für eventuelle Teilinteressenten aufteilen. Man wolle das Areal nicht parzellieren, weil in diesem Fall durch zusätzliche Erschließungswege und Abstandsvorgaben Fläche verloren gehe, so Paul.
Was anderes wäre es, wenn sich eine Bewerbergemeinschaft bilde, die das Grundstück in Gänze von der Stadt kauft und dann eigenständig untereinander aufteilt. Auf diesem Weg, so Paul, könnte sich eine besonders effiziente Nutzung der Fläche ergeben, wenn beispielsweise ein Unternehmen die Erdgeschosslage nutze, ein anderes ein Obergeschoss. Bei der Vermittlung von Mitbewerbern könne die Stadt unter Umständen behilflich sein, ergänzte Güll. (joun)
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