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Lohr: Lohrer Glashütte Gerresheimer investiert 100 Millionen in der Stadt

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Lohrer Glashütte Gerresheimer investiert 100 Millionen in der Stadt

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    Bei 1500 Grad Celsius wird Glas geschmolzen und anschließend in Hohlkörperformen gegossen – Maggi-Flaschen beispielsweise entstehen in Lohr.
    Bei 1500 Grad Celsius wird Glas geschmolzen und anschließend in Hohlkörperformen gegossen – Maggi-Flaschen beispielsweise entstehen in Lohr. Foto: Lena Schwaiger

    Erleichterung auf allen Ebenen bei Gerresheimer: „Wir sind wieder am Glas." Im Januar hat die Lohrer Glashütte die Weißglasproduktion eingestellt. Seit dem 4. Mai läuft sie wieder. In der Zwischenzeit hat das Unternehmen eine neue Schmelzwanne gebaut, während die Braunglasproduktion ununterbrochen weiterlief. Ein technisches Großprojekt - gewissermaßen eine Operation am offenen Herzen. Über 100 Millionen Euro hat der multinationale Konzern dafür in Lohr investiert, eine seiner höchsten Investitionen in dieser Sparte weltweit.

    Eine Großinvestition in einer energieintensiven Industrie in Deutschland? Was angesichts aktueller Debatten über Energiepreise widersinnig klingt, macht für die Manager bei Gerresheimer durchaus Sinn. „Wir produzieren in der Region für die Region", so Vorstandsvorsitzender Dietmar Siemssen bei der Vorstellung der neuen Wanne am Montag in Lohr. Das liege auch an der Art des Produkts. "Es ist nicht besonders weise, Glashohlkörper, die nicht besonders teuer sind, durch die halbe Welt zu transportieren.“ Auch in Zeiten geopolitischer Spannungen nützt das dem Unternehmen. „Die Zollthematik ist für Gerresheimer quasi neutral.“

    Fachkompetenz und Loyalität

    Doch der Erfolg einer solchen Investition ist an gewisse Bedingungen geknüpft. “Das geht nur mit neuester Technologie“, betont Siemssen. Schmelzwannen müssten routinemäßig alle zehn bis zwölf Jahre ausgetauscht werden. In Lohr habe man sich nicht auf eine Erneuerung beschränkt, sondern eine energieeffiziente Hybridwanne eingebaut. Sowohl die Schmelzwanne wie auch die dafür nötige Infrastruktur seien „State of the Art" für die nächsten zehn Jahre, etwa mit Blick auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz. Aber auch die Menschen spielen eine Rolle: „Lohr ist nicht irgendein Standort. Hier gibt es die richtigen Leute, mit Fachkompetenz und Loyalität“, so Siemssen.

    Mit der neuen Schmelzwanne ersetzt Gerresheimer Gas als Energieträger zu großen Teilen durch Strom. Statt zuvor 80 Prozent Gas und 20 Prozent Strom liegt das Verhältnis jetzt bei jeweils 50 Prozent. Außerdem wird künftig nicht mehr Luft verbrannt, sondern reiner Sauerstoff. So reduzieren sich nicht nur die Emissionen an CO2, sondern auch an Stickstoffoxiden. Laut Unternehmen senkt die neue Wanne die CO2-Emissionen um bis zu 40 Prozent. Schon heute stammen demzufolge rund 70 Prozent des Stroms in Lohr aus erneuerbaren Quellen - bis 2030 sollen es 100 Prozent sein.

    Für diese Umstellung waren massive Infrastrukturmaßnahmen nötig: 10,2 Kilometer Kabel seien beispielsweise verlegt worden, berichtete Andreas Kohl, bei Gerresheimer verantwortlich für die Glasbehälterproduktion an acht Standorten weltweit. Für die Wanne seien 120.000 Steine und 460 Tonnen Stahl verbaut worden. 70 Firmen waren auf dem Gelände im Einsatz, um den engen Zeitplan zu halten. Über das Werk hinaus mussten neue Stromtrassen bis zum nächstgelegenen Umspannwerk verlegt werden, um den höheren Bedarf zu decken.

    Der Lohrer Bürgermeister Mario Paul rief die Wurzeln der Glasherstellung in Lohr mit der Kurmainzer Spiegelmanufaktur in Erinnerung. Damals hätten französische Spiegelmacher diese neue Technologie in die Stadt gebracht. Heute sei Gerresheimer ein stabiler industrieller Arbeitgeber - und ein Beispiel dafür, wie industrielles Erbe lebendig bleibt und sich neu erfindet.

    Höhere Produktionskapazität

    Lohr sei das „Leitwerk des Moulded-Glas-Imperiums", betonte Stefan Rieder, zuständig für den weltweiten Verkauf und Vertrieb der Hohlkörpersparte. Die neue Schmelzwanne öffnet für ihn vor allem neue Möglichkeiten. 60 Lastwagen voll mit Glasartikeln verließen das Lohrer Werk jeden Tag, "zehn bis 15 mehr als vorher". So könne Gerresheimer neue Marktsegmente erschließen, beispielsweise Milchprodukte oder alkoholfreie Getränke und im Pharmasektor. „Glas hat die Fähigkeit, unendlich recycelt zu werden. Da ist es unschlagbar“, fügte Rieder mit Blick auf die Nachhaltigkeitskonzepte der Kunden hinzu.

    Wie wichtig die neue Lohrer Schmelzwanne für Gerresheimer ist, zeigt auch der Aufwand, den der Konzern zur Vorstellung treibt. Ein Besuch in der Glashütte lässt sich unter normalen Umständen wegen der hohen Sicherheitsvorkehrungen selten verwirklichen. Diesmal sind nicht nur der Vorstandsvorsitzende und mehrere Vizepräsidenten angereist, sondern auch Vertreter aus Politik, Verwaltung und Presse. Für jeden steht ein Paar Sicherheitsschuhe in der passenden Größe bereit, dazu Haarnetz, Schutzbrille und Helm.

    Michael Tinnacher, Werksleiter bei Gerresheimer in Lohr, zeigte den Gästen sein Reich. In der Produktionshalle bestimmt rotglühendes Glas das Bild. Über den Wannen - eine für Weiß-, eine für Braunglas - schwirrt die Luft vor Hitze. Bei 1500 Grad Celsius werden hier Sand und Recyclingscherben zu Glas geschmolzen. In Tropfen fällt es aus der nagelneuen Schmelzwanne in Formen, noch rötlich glühend landen Flaschen und andere Hohlglasbehälter auf einem Fließband. Drei Millionen Artikel entstehen hier pro Tag, darunter auch Klassiker wie die Maggi-Flasche. Doch man muss nicht unbedingt Gewürzmischungen für den Massenmarkt produzieren, um sich aus Lohr mit Flaschen beliefern zu lassen: "Wir können auch sehr kurze Laufserien produzieren, manchmal für nur einen Tag", betont Tinnacher. „Dafür sind wir in Lohr bekannt."

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