Im Landkreis gibt es kaum Bürgermeisterinnen – doch das könnte sich bald ändern. Viele Mandate werden frei und engagierte Frauen können sie nutzen. Eine Initiative macht Mut zum Einstieg.
Nur fünf der 40 Bürgermeisterposten im Landkreis Main-Spessart sind mit Frauen besetzt. Im Kreistag sitzen 47 Männer – und gerade einmal 19 Frauen. Zahlen wie diese kennen Landrätin Sabine Sitter und die Vorsitzende der Frauenunion im Kreis, Susanne Keller, gut. Aber sie wissen auch: Die nächste Kommunalwahl wird viel verändern. 20 der 40 Bürgermeister scheiden aus. Die Listen müssen sich füllen – und sie wollen viele Frauen darauf sehen. Auf die politische Richtung kommt es ihnen dabei nicht an.
„Wir wollen parteiübergreifend Werbung machen“, erklärt Susanne Keller bei einer Veranstaltung der Frauenunion vergangene Woche in der Lohrer Markthalle. „Politik macht sehr viel Freude. Wir sind Heimatgestalterinnen." Frauen hätten häufig andere Sichtweisen und andere Zielsetzungen. Die würden in den Gremien gebraucht. Sich in der Partei durchzusetzen sei für Frauen oft eine Herausforderung. Männern falle das Netzwerken leichter, hat Sabine Sitter beobachtet. „Die gockeln da wieder vor sich hin“, heiße es oft, wenn die Frauen im Kreistag zusammenstehen und diskutieren. „Wenn Männer zusammen ein Bier trinken, sagt das keiner“, so die Landrätin.
Kindern vorleben, dass Engagement wichtig ist
Ein weiteres Thema: Politik mit Kind. „An den Rahmenbedingungen soll es nicht scheitern“, findet Sitter. Sie erzählt von Online-Sitzungen mit dem Kind auf dem Schoß – auch bei Vätern – oder von Kinderbetreuung im Vorzimmer. Bei ihrem eigenen Einstieg in die Politik waren die Kinder ein und drei Jahre alt. „Der Partner muss sagen: ‚Ich stehe dazu.‘“ Klar sei auch: Es ist ein offizielles Amt. „Das bedeutet, man gibt etwas von sich preis.“
Patricia Stein, Gemeinderätin und CSU-Vorsitzende in Hafenlohr, beschreibt für sich selbst eine „fast typische politische Laufbahn“ für eine Frau. 2017 frisch in den Elternbeirat gewählt, stellte sie fest, dass man in dieser Rolle keine Entscheidungsmöglichkeit hat. 2020 kam die Frage, ob sie für die Kommunalwahl kandidieren würde. „Frauen haben andere Sichtweisen“, betont sie. „Ich möchte meinen Kindern vorleben, dass es wichtig ist, sich zu engagieren.“ Stein ist verheiratet, hat zwei Kinder, vier und acht Jahre alt, und arbeitet als Insolvenzverwalterin. „Wenn man eine Familie organisieren kann, bekommt man die politischen Termine auch unter“, ist sie überzeugt. „Einfach mal machen“, schlägt sie als Motto vor, um der Unsicherheit vieler Frauen entgegenzuwirken.
Zita Baur, Bürgermeisterin von Fellen, sammelt seit 16 Jahren Erfahrung in der Kommunalpolitik. Ihr Start war holprig. Der Amtsvorgänger ist kurz nach seiner Wahl unerwartet erkrankt und gestorben. Über eine wilde Wahl kam Baur ins Amt – und blieb. Baur hat drei Kinder, bei ihrem Einstieg ins Amt war die jüngste vier. „Ohne meine Eltern wäre es nicht gegangen“, stellt sie fest. Aber auch die Mitarbeiterinnen im Rathaus halfen mit, notfalls mit Mal- und Bastelangeboten. „Der Anspruch, den eine Frau an sich selbst hat, steht einem oft im Weg“, gibt sie den Frauen mit auf den Weg. In einem Gremium mit lauter Männern sah sie sich zahlreichen unausgesprochenen Zweifeln gegenüber. Weiß die das, kann die das? „Ich bin an der Sache sehr gewachsen“, ist ihr Fazit.
Frauenunion will parteiübergreifend motivieren
Erst am Anfang ihres politischen Wegs steht Susanne Wolf, 31. Sie hat vor kurzem ein eigenes Catering-Unternehmen gegründet, das Schmauseglück heißt. In den vergangenen anderthalb Jahren hat sie ein Mentoring-Programm der Frauenunion durchlaufen. „Ich hatte keinen Draht zu Politik“, berichtet sie. Das ist jetzt anders. Ihr geht es darum, nicht zu jammern, sondern selbst etwas zu tun. Die Herausforderungen für sie: Hingehen in eine unbekannte Gruppe – und die Zeit dafür freischaufeln. „Wir können nicht erwarten, dass die anderen die Arbeit für uns machen.“
Etwa ein halbes Dutzend der Teilnehmerinnen habe sie vorher nicht gekannt, meint Frauenunion-Vorsitzende Susanne Keller. Eine Perspektive, weitere Frauen für politisches Engagement zu motivieren. Und zwar nicht unbedingt in der CSU – „wir wollen parteiübergreifend für Engagement motivieren“, betont Keller.
Die 25-jährige Anna Wolf kann sich das nach der Veranstaltung durchaus vorstellen. „Man hat sonst wenig Berührungspunkte mit der Politik“, erklärt die Polizistin. „Als junger Mensch ist es schwierig, sich einzubringen.“ Ein Abend mit der Frauenunion könnte für sie eine Brücke sein.
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