Der eine war ein junger Betreiber eines Internetcafés, der andere ein älterer CDU-Politiker, der sich für Geflüchtete einsetzte. Beide wurden in Kassel und in der Region erschossen - als Opfer rechten Terrors. Jetzt soll ein Kunstwerk an Halit Yozgat und Walter Lübcke erinnern. Und zugleich ein Zeichen setzen: für Demokratie und gegen Rassismus und Menschenhass.
Die Leuchtinstallation «86° WALTER HALİT» auf dem Dach des Kassler Regierungspräsidiums wird am Donnerstag eingeweiht. Sie erinnere an zwei furchtbare rechtsextremistische Taten und mahne, das Andenken wachzuhalten, sagte Hessens Kulturminister Timon Gremmels (SPD). «Möge dieses Werk dazu inspirieren, Verantwortung zu übernehmen, Vielfalt zu schützen und gemeinsam an einer offenen, pluralistischen Demokratie zu arbeiten.»
Wie kam es zu den beiden Mordfällen?
Der 21 Jahre alte Halit Yozgat wurde am 6. April 2006 in seinem Internetcafé in Kassel erschossen. Heute ist klar: Es war der neunte Mord der rechtsextremen Terrorgruppe NSU («Nationalsozialistischer Untergrund»), die zwischen 2000 und 2007 neun Gewerbetreibende türkischer und griechischer Herkunft sowie eine deutsche Polizistin tötete. Der Mord an Yozgat wirft noch Jahre später Fragen auf.
Der 65 Jahre alte Kassler Regierungspräsident Walter Lübcke wird in der Nacht zum 2. Juni 2019 auf seiner Terrasse in Wolfhagen-Istha von dem Rechtsextremisten Stephan E. erschossen - wegen dessen Ablehnung von Lübckes liberaler Haltung zur Flüchtlingspolitik. Der Täter wird später zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Tat gilt als erster politisch motivierter Mord an einem bundesdeutschen Politiker durch einen Neonazi in der Bundesrepublik.
Was ist die Idee hinter dem Denkmal?
Die Installation der Künstlerin Natascha Sadr Haghighian soll für Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und eine offene Gesellschaft stehen. Konkret handelt es sich um ein zweischenkliges Lichtobjekt, auf dem in großen Lettern die Namen Walter und Halit zu lesen sind. Laut dem Regierungspräsidium weisen beiden Namen in verschiedene Himmelsrichtungen und treffen sich in einem Winkel von 86 Grad. Der Name Walter schaue in Richtung Wolfhagen-Istha, wo Lübcke wohnte und ermordet wurde. Der Name Halit blicke in Richtung Holländische Straße, wo Yozgat lebte und ermordet wurde. «Die beiden schauen also sozusagen nach Hause», heißt es.
«Die Vornamen Walter und Halit stehen zeichenhaft für zwei Menschen, die an sehr unterschiedlichen Punkten in ihrem Leben standen», hatte die Künstlerin bereits in ihrem Entwurf erklärt. Ein weiteres Detail: Für die Namen verwendete Haghighian die Schriftform «Martin», benannt nach Martin Luther King Jr., den berühmten US-Bürgerrechtler und Kämpfer gegen Rassismus, der 1968 ermordet wurde.
Wie steht es aktuell um die rechte Szene und rechte Gewalt?
Die Zahl der Menschen, die als rechtsextrem eingestuft werden, ist in Hessen in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Während 2019 noch 1.620 Menschen hinzuzählten, waren es laut dem Innenministerium in Wiesbaden im Jahr 2023 bereits 1.775. Für 2024 lagen zunächst noch keine Zahlen vor.
Rechtsextreme Straftaten haben im vergangenen Jahr um knapp 60 Prozent zugenommen. Mit 2.376 Delikten fiel mehr als die Hälfte aller politisch motivierten Straftaten im Jahr 2024 in diesen Bereich (2023: 1.511). «Der Rechtsextremismus ist nach wie vor die größte Gefahr für unsere Demokratie», sagte kürzlich Innenminister Roman Poseck (CDU).
Den größten Anteil, 1.360 Fälle, machten wie in den vergangenen Jahren Propagandadelikte aus. Weitere Schwerpunkte waren Volksverhetzung (523 Fälle) und Beleidigungsdelikte (204 Fälle). Bei den Gewalttaten gab es einen Anstieg um 22 Delikte auf insgesamt 70 Fälle (2023: 48).
Thema Rechtsextreme und Waffen - Wie ist da der Stand in Hessen?
Erschreckend ist aber auch, dass mehr als 100 Rechtsextreme mit Stand Ende 2024 eine waffenrechtliche Erlaubnis hatten. Laut dem Ministerium in Wiesbaden besaßen 53 von ihnen einen sogenannten Kleinen Waffenschein, 49 hatten eine Waffenbesitzkarte. Elf Personen aus dem Bereich Rechtsextremismus wurde den Angaben zufolge die waffenrechtliche Erlaubnis entzogen, bei 21 weiteren wurde dieser Schritt eingeleitet
«In Hessen liegen weiterhin Schusswaffen ganz legal in den Händen von Rechtsextremisten. Das ist eine Farce und wirkt wie eine Verhöhnung für die Opfer rechtsextremer Gewalt und deren Familien», sagt Michael Sasse, Vorsitzender der Demokratie-Initiative «Offen für Vielfalt». Erinnern und das Geschehene nicht zu vergessen, sei richtig und wichtig. Dazu sei das Kassler Kunstwerk ein sehr guter, mahnender Beitrag. «Aber: Wer der Opfer gedenkt, muss auch die Täter entwaffnen!»

Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden