Ein schweres Erdbeben vor der russischen Halbinsel Kamtschatka hat im Pazifik-Raum zahlreiche Länder von Japan und den Philippinen über Hawaii bis zur US-Westküste und Lateinamerika in Alarmzustand versetzt. Gewarnt wurde vor teils meterhohen Tsunami-Wellen als Folge des schweren Erdbebens im Fernen Osten Russlands. Die Befürchtungen traten allerdings nicht ein. Am Mittwoch hoben die zuständigen Behörden in Japan und Russland die Warnungen auf.
Mit 8,8 war das Beben laut der US-Erdbebenwarte USGS das weltweit stärkste seit der Katastrophe von Fukushima im März 2011 - und wurde seit Beginn der Messungen überhaupt nur von fünf Beben übertroffen. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass gab die Stärke mit 8,7 an, das Deutsche Geoforschungszentrum (GFZ) in Potsdam mit 7,8. Das Zentrum des Bebens lag den Angaben zufolge in der offenen See, etwa 130 Kilometer vor der nur dünn besiedelten Küste Kamtschatkas, und relativ tief unter dem Meeresboden.
Höhere Flutwellen bereits vor Japans Küsten
Im Norden Japans - die Region liegt dem Erdbebengebiet geografisch mit am nächsten - wurden bereits zunehmend höhere Flutwellen registriert. Wie der japanische Fernsehsender NHK berichtete, erreichten Flutwellen an der Küste der nördlichen Präfektur Hokkaido sowie der Präfektur Iwate im Nordosten inzwischen eine Höhe von 60 Zentimetern. Die Behörden haben Warnungen vor einem bis zu drei Meter hohen Tsunami ausgegeben. Bei einem Tsunami bauen sich Wellen mitunter in Stufen auf.
In China gaben die Behörden laut Staatsfernsehen zunächst eine Tsunami‑Warnung der Stufe Gelb heraus. In Taiwan rief die Zentrale Wetterbehörde die Bewohner der Küstenregion dazu auf, wachsam zu bleiben und die nötigen Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen.

In Asien kommen Erinnerungen an Tsunami von 2004 hoch
Auch die Philippinen und Indonesien forderten Menschen in Küstennähe auf, sich in Sicherheit zu bringen. In den beiden Inselstaaten wurden in mehreren Provinzen Wellen von weniger als einem Meter Höhe erwartet, die aber längere Zeit anhalten könnten. „Bleiben Sie den Stränden fern und gehen Sie nicht zur Küste“, hieß es in einer Warnung des philippinischen Instituts für Vulkanologie und Seismologie (Phivolcs). Ein Behördensprecher in Indonesien teilte mit, dass es schwer sei, das genaue Ausmaß der Wellen vorherzusagen.
Dort riefen bei sicher nicht wenigen Menschen die Warnungen schlimme Erinnerungen wach: Am 26. Dezember 2004 hatte ein gewaltiges unterseeisches Beben der Stärke 9,1 vor der Küste von Sumatra eine riesige Flutwelle ausgelöst. Neben Indonesien gab es damals auch zahlreiche Opfer in anderen Ländern, von Thailand über Indien bis Tansania. Etwa 230.000 Menschen kamen ums Leben.

USA von Hawaii über Alaska bis Kalifornien im Alarmzustand
Auf Hawaiis größter Insel Hawaii - auch Big Island genannt - wurden Strände evakuiert. Alle Häfen auf dem zu den USA gehörenden Archipel sind für den Schiffsverkehr gesperrt. Die Tsunami-Warnung für die Hawaii-Inselgruppe könnte nach Experteneinschätzung jedoch bald abgeschwächt werden. Er sei zuversichtlich, „dass wir das Schlimmste hinter uns haben“, sagte der Direktor des Pacific Tsunami Warning Center, Chip McCreery. Man befinde sich derzeit in der Phase herauszufinden, wann die Alarmstufe von einer Warnung in eine Empfehlung (advisory) herabgesetzt werden kann. Es werde vielleicht bis zum Morgen (Ortszeit) dauern, bis man in einem weiteren Schritt die Warnungen einstelle, lautete seine vorläufige Prognose am Dienstagabend (Ortszeit).

In den vergangenen Stunden erreichten örtlich Wellen die Küste der Inselgruppe. Größere Schäden waren nach Behördenangaben zunächst nicht bekannt. Der Tsunami-Experte sagte, es gebe viele Teile der Küste, für die keine Messwerte vorliegen. Wenn es wieder hell wird, werde man wohl erst wissen, welche Gebiete überflutet worden sein könnten.
Neuseeland auch von „starken Strömungen“ betroffen
Auch in Neuseeland warnen die Behörden nach dem schweren Erdbeben vor der russischen Halbinsel Kamtschatka vor starken Strömungen und unvorhersehbaren Wellenbewegungen. Die Warnung gelte für sämtliche Küstenregionen, teilte die neuseeländische Katastrophenschutzbehörde Nema mit.
„Starke Strömungen und plötzliche Wasserbewegungen können Menschen verletzen oder sogar in Lebensgefahr bringen“, hieß es. „Es besteht eine Gefahr für Schwimmer, Surfer, Angler und alle Personen, die sich im oder am Wasser in Ufernähe aufhalten.“ Nema rief die Bevölkerung dazu auf, sich von Stränden, Häfen, Flussmündungen und Meeresbuchten fernzuhalten.
Die ersten Auswirkungen des Tsunamis könnten den Inselstaat demnach gegen Mitternacht (Ortszeit/14.00 Uhr MESZ) erreichen. Bei einem Tsunami muss die erste Welle nicht die heftigste sein. Das baut sich mitunter in Stufen auf. Falls es also zunächst unter einem Meter bleibt, ist damit noch keine Entwarnung verbunden, worauf auch die Behörden unermüdlich hinweisen.
Verängstigte Menschen flüchten auf die Straße
Laut der Russischen Akademie der Wissenschaften handelte es sich um das heftigste Erdbeben auf der Kamtschatka seit 1952. Mit weiteren Nachbeben sei noch etwa einen Monat lang zu rechnen, sie könnten Stärken von bis zu 7,5 erreichen.
In der Regionalhauptstadt Petropawlowsk-Kamtschatski rannten laut Tass verängstigte Menschen barfuß ins Freie. Kleiderschränke stürzten um, Autos rutschten über wackelnde Straßen und ein Kindergarten-Gebäude wurde schwer beschädigt. Zeitweise sei das Strom- und Telefonnetz zusammengebrochen.
In der russischen Region Sachalin wurden Küstenbewohner vorsichtshalber evakuiert. Stellenweise brandeten laut Tass Tsunami-Wellen von drei bis vier Metern Höhe an Land. Berichte über Verletzte oder gar Tote gab es zunächst nicht. (dpa)
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