US-Präsident Donald Trump hat die Vorstellung seines eigenen Friedensplans zur Beendigung des Gaza-Kriegs über alle Maßen gelobt. Es sei ein großer Tag gewesen, «vielleicht einer der größten Tage in der Zivilisation», sagte Trump in Washington, wo er mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zusammengekommen war. Wie schon oft weckte der Republikaner Hoffnungen auf ein Ende des Konflikts, in dem die USA vermitteln. Aber es gibt Knackpunkte in dem Plan:
Eine Seite fehlt
Während Israels Ministerpräsident Netanjahu im Weißen Haus neben Trump stand und verkündete, man unterstütze die Pläne der Amerikaner, fehlt eine Seite. An der hängt aber alles. Die islamistische Hamas hat laut Kreisen den Vorschlag inzwischen von Vermittlern erhalten und will diesen prüfen.
Es stellt sich die Frage, ob für sie nun tatsächlich der Moment erreicht ist, an dem sie die Geiseln freilässt. Die Terrororganisation nutzte die Entführten immer wieder unerbittlich für ihre eigenen Interessen - und als ihr wichtigstes Druckmittel, das sie aus der Hand geben würde.
Im Gazastreifen hält die Hamas noch 48 Geiseln fest, darunter auch deutsche Staatsbürger. 20 der Entführten sind nach israelischen Informationen noch am Leben. Am 7. Oktober 2023 waren rund 1.200 Menschen getötet und mehr als 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden. Das Massaker der Hamas und anderer terroristischer Gruppen hatte damals den Gaza-Krieg ausgelöst.
Würden Nachbarländer Hamas-Mitglieder überhaupt aufnehmen?
Der Friedensplan sieht vor, dass nach der Freilassung der Geiseln Hamas-Mitgliedern, die sich zu friedlicher Koexistenz und zur Abgabe ihrer Waffen verpflichten, Amnestie gewährt wird. Wenn sie den Gazastreifen verlassen möchten, erhalten sie laut Plan sicheren Zugang zu Aufnahmeländern. Die Frage ist: Ist das überhaupt realistisch?
Die Hamas hat zwar Verbindungen in andere Länder. Seit vielen Jahren etwa hat sie ein Büro in Katar und der Golfstaat spielt eine wichtige Vermittlerrolle im Gaza-Krieg. Der Hamas-Standort brachte dem Land aber auch viel Kritik ein und ist zur Belastung und Gefahr geworden. Katars Emir stand vor der Frage, ob er die Hamas weiterhin beheimaten will oder sie doch bitten soll, das Land zu verlassen.
Auch die Türkei beheimatet zwar Hamas-Funktionäre. Der Angriff Israels auf die Hamas-Spitze in Katar vor Wochen dürfte das Land jedoch alarmiert haben - ob theoretisch Angriffe auch in Ankara oder Istanbul möglich wären und ob das Land weiter Gastgeber für ranghohe Hamas-Mitglieder sein will.
Ungleichgewicht - Vorteil Trump?
Es ist auffällig, dass eine Person prominent in dem Papier vorkommt: Donald Trump. Er soll nicht nur eine Führungsrolle bei der Kontrolle der Übergangsregierung spielen. Es soll auch noch einen weiteren Trump-Wirtschaftsentwicklungsplan zum Wiederaufbau und zur Belebung des Gazastreifens geben. Die Rede ist von «vielen durchdachten Investitionsvorschlägen und spannenden Entwicklungsideen», die Investoren vorgelegt hätten.
Trump, selbst einst in erster Linie Immobilien-Mogul, hatte früher einmal die Idee ins Spiel gebracht, die Kontrolle über das Gebiet zu übernehmen und die palästinensische Bevölkerung in Drittländer umzusiedeln, um Gaza in eine «Riviera des Nahen Ostens» zu verwandeln. Der Vorschlag löste sowohl international als auch in den USA scharfe Kritik aus. Die Frage ist, was Trump stattdessen nun genau vorschwebt und ob es womöglich eine Lösung sein könnte, die vor allem einem Land wirtschaftlich nützt: Amerika.
Wo verläuft die Landlinie, auf die sich Israel zurückziehen würde?
Das bleibt unklar. Es ist nur die Rede von einer «vereinbarten» Linie, auf die sich die israelischen Soldaten zurückziehen sollen, um die Freilassung der Geiseln vorzubereiten. Die Frontlinien sollen eingefroren werden, bis ein Rückzug erfolgen kann.
Bodentruppen - aber welche?
Die USA wollen laut Plan mit arabischen und internationalen Partnern eine vorübergehende Stabilisierungstruppe aufbauen, die im Gazastreifen stationiert sein soll. Sie soll etwa Polizeikräfte schulen, damit innere Sicherheit aufgebaut werden kann. Die Frage ist, wer sich an dieser Truppe beteiligen würde. Unklar bleibt in der Formulierung, ob die USA auch eine aktive Rolle spielen würden - also mit eigenen Bodentruppen. Im Wahlkampf hatte Trump immer wieder versprochen, das US-Militär aus internationalen Konflikten herauszuhalten. Er hätte ein Erklärungsproblem.
Wie hat die Hamas auf frühere Entwaffnungs-Forderungen reagiert?
Laut dem US-Plan soll es auch einen «Prozess der Entmilitarisierung des Gazastreifens unter der Aufsicht unabhängiger Beobachter geben». Dieser Punkt dürfte bei der Hamas auf Widerstand stoßen. Die Islamisten haben auf ähnliche Forderungen bei Verhandlungen über einen Gaza-Deal immer wieder betont, dass sie eine Niederlegung ihrer Waffen entschieden ablehnen, solange es keinen unabhängigen palästinensischen Staat gibt.
Wer kann sich als Sieger sehen?
Die mit der Hamas verbündete Terrororganisation Islamischer Dschihad (PIJ) kritisierte den Vorstoß als «amerikanisch-israelisches» Abkommen, das uneingeschränkt die Position Israels widerspiegele. «Damit versucht Israel, über die USA das durchzusetzen, was es mit Krieg nicht erreichen konnte», sagte der PIJ-Anführer Sijad al-Nachala in einer Stellungnahme. Auch der PIJ war am Massaker und den Geiselnahmen am 7. Oktober 2023 in Israel beteiligt. Der Plan sei «ein Rezept für die Fortsetzung der Aggression gegen das palästinensische Volk», hieß es weiter.
Tatsächlich sprach Netanjahu in Washington vom «nächsten Schritt, um den Krieg zu gewinnen». Aus Sicht der Hamas wird es nötig sein, den Plan ebenfalls als Sieg für sich verbuchen zu können. Ob sie den Plan so interpretieren wird, ist ungewiss. Womöglich sieht die Islamistenorganisation in ihrem Überleben schon einen Sieg. Bereits bei einer früheren Waffenruhe hatte die Hamas gefeiert, dass sie Israel dazu gezwungen habe, die Aggression einzustellen.


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