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Sozialstaat: Mindestlohn oder Bürgergeld? Wer arbeitet, hat deutlich mehr

Sozialstaat

Mindestlohn oder Bürgergeld? Wer arbeitet, hat deutlich mehr

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    Selbst wer nur Mindestlohn verdient, hat einer Studie zufolge bei einem Vollzeitjob mehr Geld als im Bürgergeld. (Symbolbild)
    Selbst wer nur Mindestlohn verdient, hat einer Studie zufolge bei einem Vollzeitjob mehr Geld als im Bürgergeld. (Symbolbild) Foto: Arno Burgi/dpa-Zentralbild/dpa

    Vollzeitbeschäftigte mit Mindestlohn haben einer neuen Studie zufolge deutlich mehr Geld zur Verfügung als Bezieher von Bürgergeld. Das gelte für Alleinstehende ebenso wie für Alleinerziehende und Paare mit Kindern, und zwar in allen Regionen Deutschlands, rechnet das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung vor.

    Mit der Studie widerspricht das WSI der Vermutung, das Bürgergeld sei so hoch, dass der Anreiz zu gering entlohnter Arbeit fehle. Gerechnet wurde mit dem heutigen Mindestlohn von 12,82 Euro die Stunde. Einbezogen wurde, dass Menschen mit so geringem Lohn gegebenenfalls zusätzlich Anspruch auf Sozialleistungen wie Wohngeld, Kindergeld oder Kinderzuschlag haben. Die Rechenbeispiele beziehen sich auf Arbeit in Vollzeit, was im Durchschnitt knapp 38,2 Stunden pro Woche bedeute.

    Über 500 Euro mehr

    Gerechnet wurden drei Fallbeispiele. So kommt ein alleinstehender Mann mit Mindestlohn den Berechnungen zufolge auf 2.121,58 Euro brutto im Monat. Davon bleiben nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben 1.546 Euro, wie das WSI vorrechnet. Zusammen mit dem rechnerischen Anspruch auf 26 Euro Wohngeld ergebe sich ein verfügbares Einkommen von 1.572 Euro.

    Dagegen stünden dem Mann im Bürgergeld 563 Euro Regelsatz und bei gleicher Miete 451,73 Euro für die Unterkunft zu. Zusammen wären dies 1.015 Euro – 557 Euro weniger als im Job mit Mindestlohn. Wird der Rundfunkbeitrag von 18,36 Euro einbezogen, bleibt den Berechnungen zufolge immer noch eine Differenz von über 500 Euro.

    Lohnabstand in München am geringsten

    Fall zwei ist eine alleinerziehende Frau mit einem fünfjährigen Kind. Sie käme in Vollzeit mit Mindestlohn auf netto 1.636 Euro. Mit Kindergeld, Kinderzuschlag, Wohngeld und Unterhaltsvorschuss seien es 2.532 Euro. Beim Bürgergeld wären es laut WSI mit den beiden Regelsätzen für Mutter und Kind, dem Mehrbedarf für Alleinerziehende, Kosten der Unterkunft und Sofortzuschlag 1.783 Euro, also 749 Euro weniger.

    Drittes Beispiel: Ein Ehepaar mit einem Verdiener mit Mindestlohn und zwei Kindern im Alter von fünf und 14 Jahren hätte im Bürgergeld 660 Euro weniger, haben die Experten kalkuliert.

    Regional gebe es Unterschiede beim Lohnabstand, doch die beruhten auf der Höhe der Mietkosten. Im Landkreis München, in Dachau und in der Stadt München falle der Lohnabstand bei einem Single-Haushalt mit 379 bis 444 Euro am geringsten aus. In Nordhausen und dem Vogtlandkreis sei er mit 662 und 652 Euro am größten.

    Menschen im Bürgergeld haben wenig

    «Die Zahlen dieser Studie zeigen erneut, dass Bürgergeldempfänger*innen unabhängig vom Haushaltstyp und von der Region, in der sie wohnen, weniger Geld haben als Erwerbstätige, die zum Mindestlohn arbeiten», betonte WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. Zudem werde deutlich, mit wie wenig Menschen im Bürgergeld auskommen müssten. «Die Behauptung, sie wollten nicht erwerbstätig sein, weil sich mit dem Bürgergeld gut leben lasse, ist sachlich falsch und stigmatisierend.»

    Statt bei der Höhe des Bürgergelds bestehe Handlungsbedarf bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums. Helfen würde auch Qualifizierung von erwerbsfähigen Menschen im Bürgergeldbezug, fügte sie hinzu.

    Andere sehen es ähnlich

    Die WSI-Studie bestätigt Ergebnisse anderer Untersuchungen. 2023 sagte auch der Chef des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, trotz der damaligen Bürgergeld-Erhöhung bleibe das Lohnabstandsgebot gewahrt. Kritisch wertete Hüther damals, dass sich oft Mehrarbeit im Niedriglohnsektor nicht lohne.

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    6 Kommentare
    Erwin Deppisch

    Traue keiner Statistik, die du nicht selbst ....

    Gabriele Albrecht

    Beim 1.Fall kann ich nicht von gleicher Miethoehe ausgehen, so wird jede Statistik passend gemacht. Der 2.Fall muss berücksichtigen, dass die in Vollzeit tätige Mama den Hort oder Kindergarten selber bezahlen muss. Vom Mindstlohn zu leben ist nicht einfach, genau so wenig, wie vom Bürgergeld. Und nun?

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    Dietmar Eberth

    "Beim 1.Fall kann ich nicht von gleicher Miethoehe ausgehen, so wird jede Statistik passend gemacht." Warum können Sie nicht von gleicher Miethöhe ausgehen? Die Mietkosten für Bürgergeldempfänger werden nur bis zu einer bestimmten, als angemessen geltenden Höhe übernommen. Was darüber hinausgeht muß er aus seinem Regelsatz bezahlen,oder in eine kleinere Wohnung umziehen. Der Vollzeitbeschäftigte hat 1572 Euro und davon geht seine Miete noch ab und der Bürgergeldempfänger hat 1015 Euro und davon geht ebenfalls die Miete ab. Und wen Beide die gleiche Miete haben, hat der Vollzeitbeschäftigte 557 Euro mehr im Geldbeutel. Der Vollzeitbeschäftigte kann sich vermutlich eine teurere Wohnung leisten (und hat diese vermutlich auch), aber der Vergleich macht doch nur bei gleicher Miethöhe Sinn.

    Dietmar Eberth

    "Der 2.Fall muss berücksichtigen, dass die in Vollzeit tätige Mama den Hort oder Kindergarten selber bezahlen muss" In viele Bundesländern ist der Kindergarten beitragsfrei. https://www.bildungsserver.de/elementarbildung/kita-gebuehren-und-beitragsfreiheit-5674-de.html Bayern ist leider eine der traurigen Ausnahmen. Aber auch hier gibt es Zuschüsse bis zur Beitragsfreiheit für Familien (auch alleinstehende Mamas) mit niedrigen Einkommen. Und Niedriglöhner mit Mindestlohn fallen sicherlich darunter. "Die Kosten der Kinderbetreuung können ganz oder teilweise übernommen oder erlassen werden, wenn die Zahlung für Eltern oder dem Elternteil finanziell nicht möglich ist." https://www.bayernportal.de/dokumente/leistung/3266257619163?localize=false Gleiche Regelung gilt aber auch für Bürgergeldempfänger.

    Norbert Neiber

    Interessant wäre es zu erfahren, zu welchem Ergebnis der Leitartikelkommentar, der über das Bürgergeld umfassend in der Mainpost berichtet hat, in einem Selbstversuch gekommen ist und ob es eine Alternative zu seinem jetzigen Job ist. Ein von seinem Arbeitgeber begleiteter Bericht über seine positiven Erfahrungen in der Tageszeitung würde auch mich gegebenenfalls veranlassen, meine bisherige Meinung zu ändern.

    Dietmar Eberth

    Diejenigen die mal 10 Minuten über das Bürgergeld nachgedacht haben, haben das schon immer gewusst! Und diejenigen die nur Parolen von AfD (und Teilen der Union) nachplappern lassen sich davon sowieso nicht überzeugen und lügen weiterhin. Und schwarze Schafe gibt's es auch in der (Land-)Wirtschaft, Gesundheitssystem, Steuerzahlern, Politiker, uvm.

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