Bei neuen massiven russischen Luftangriffen mit Raketen und Drohnen auf die Ukraine sind nach offiziellen Angaben mindestens acht Menschen getötet worden. Unter den Toten sei auch ein Kind, schrieb der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auf der Plattform X. Er sprach den Angehörigen sein Beileid aus. Es könne noch Menschen unter den Trümmern eines getroffenen Wohnhauses geben, teilte der Präsident weiter mit. Dutzende Menschen seien verletzt worden.
Behörden hatten zuvor am frühen Morgen von vier Toten und mehr als zwanzig Verletzten gesprochen. Viele Verletzte kamen laut Bürgermeister Vitali Klitschko ins Krankenhaus.
Die russischen Drohnen- und Raketenschläge seien Moskaus Antwort auf den seit Wochen und Monaten geforderten Waffenstillstand und die Aufrufe zu echter Diplomatie, kritisierte Selenskyj. Statt für Verhandlungen habe sich Russland für Angriffe entschieden. «Russland wählt das Töten, anstatt den Krieg zu beenden», sagte er.
Selenskyj fordert von China Druck auf Russland
Russland nutze es aus, dass ein Teil der Welt sich blind stelle, wenn Kinder getötet würden, meinte der Präsident. Mit Blick auf die am Sonntag beginnende mehrtägige China-Reise von Kremlchef Wladimir Putin forderte Selenskyj Peking zu einer Reaktion auf die russischen Angriffe auf. China habe wiederholt dazu aufgerufen, den Krieg nicht auszuweiten und die Kampfhandlungen einzustellen. Er verlangte auch von Ungarn und anderen Staaten, ihr Schweigen zu brechen.
Es sei Zeit für neue Sanktionen gegen Russland, das alle Fristen verstreichen lasse und Dutzende diplomatische Initiativen ruiniert habe, sagte Selenskyj. Moskau müsse für jeden Schlag zur Verantwortung gezogen werden, forderte er.
«Heute Nacht wird Kiew vom russischen Terrorstaat massiv angegriffen», schrieb Kiews Militärgouverneur Tymur Tkatschenko auf Telegram. Auf Videos und Fotos, die Behörden veröffentlichten, waren schwere Verwüstungen in einem teils eingestürzten Wohnhaus und ausgebrannte Autos zu sehen. Es gab Berichte über zahlreiche Schäden und mehrere Brände.
Ukraine schickt Unterhändler in die USA
Selenskyj schickte indes seine Chefunterhändler zu Gesprächen über Sicherheitsgarantien für sein von Russland angegriffenes Land in die USA. Präsidialamtschef Andrij Jermak und Ex-Verteidigungsminister Rustem Umjerow sollen am Freitag in New York mit Vertretern der Regierung von US-Präsident Donald Trump sprechen, wie er in Kiew ankündigte. Seitens der Amerikaner bestätigte Trumps Unterhändler Steve Witkoff das Treffen.
«Alle, die an den Sicherheitsgarantien arbeiten – an den militärischen, politischen und wirtschaftlichen Komponenten der Sicherheitsgarantien –, werden einbezogen», sagte Selenskyj in einer abendlichen Videoansprache. «Die Russen müssen sehen, wie ernst es der Welt ist und wie schlimm die Folgen für Russland sein werden, wenn der Krieg weitergeht.»
Gespräche über Sicherheitsgarantien
Bei den Sicherheitsgarantien geht es darum, die Ukraine nach einem Ende des Krieges vor einem Wiederaufflammen russischer Aggression zu schützen. Die USA planen sich zu beteiligen, die militärische Hauptlast soll aber bei den Europäern liegen. Russland lehnt Truppen aus Nato-Ländern in der Ukraine bislang strikt ab.
Nach Angaben Selenskyjs sollen außerdem mögliche Orte für ein Treffen mit Kremlchef Putin erkundet werden. Dabei waren die ukrainischen Vertreter am Dienstag zu Besuch im Golfstaat Katar, am Mittwoch in Saudi-Arabien. Für Donnerstag sind Gespräche in der Schweiz geplant. Putin will indes erst dann mit einem Vertreter der Ukraine sprechen, wenn es eine fertig ausgehandelte Lösung für ein Ende des Krieges gibt.
Außenminister Wadephul: Neue Sanktionen gegen Moskau
Auch der deutsche Außenminister Johann Wadephul sieht Moskaus angebliche Verhandlungsbereitschaft skeptisch. «Ich habe allergrößte Zweifel, dass es in absehbarer Zeit überhaupt zu Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine kommt», sagte er dem Nachrichtenmagazin «Focus». Putin bewege sich trotz Trumps Bemühungen überhaupt nicht. «Ich rate dringend, den Druck auf Russland aufrechtzuerhalten. Es ist doch wahrscheinlicher, dass es in der nächsten Zeit neue Sanktionen gegen Russland gibt, als dass Putin in Verhandlungen in eine Waffenruhe einlenkt», sagte Wadephul.
Russland führt seit mehr als dreieinhalb Jahren einen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Am Abend und in der Nacht kam es zu neuen Attacken aus der Luft mit Kampfdrohnen und Raketen - nicht nur in Kiew. Explosionen wurden auch aus den Städten Sumy im Norden sowie Dnipro und Saporischschja im Süden gemeldet.
Laut ukrainischen Angaben wurden Bewohner fast aller Landesteile in Schutzräume beordert, auch fernab der Frontlinie. Demnach schickten die Angreifer mehrere Wellen von Kampfdrohnen los und feuerten auch Hyperschallraketen sowie Marschflugkörper ab. Mehrere Kampfjets der russischen Luftwaffe seien im Einsatz.
Luftalarm auch in Russland
Gleichzeitig gab es in Russland im Gebiet Lipezk zeitweise Luftalarm wegen anfliegender ukrainischer Drohnen, wie Behörden mitteilten. Das russische Militär meldete den Abschuss von mehr als 100 ukrainischen Drohnen über den Gebieten Rostow, Belgorod, Smolensk und über der Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Mehrere Flughäfen mussten den Betrieb sicherheitshalber einschränken.
Die Ukraine führt in ihrem Abwehrkampf gegen die russische Invasion immer wieder Schläge gegen die Öl- und Gasindustrie in Russland. Durch Drohnentreffer auf russische Raffinerien hat Russland nach Medienberichten 17 Prozent der Kapazität zur Ölverarbeitung verloren. In vielen Regionen herrscht Treibstoffmangel. Die Benzinpreise sind massiv gestiegen.




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