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OERLENBACH: Als die Geschichte an der Grenze Galopp lief

OERLENBACH

Als die Geschichte an der Grenze Galopp lief

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    Ihre Grenzschutzabteilung Süd I in Oerlenbach war viele Jahre für die polizeiliche Überwachung der 125 unterfränkischen Kilometer Grenze zwischen Deutschland Ost und Deutschland West zuständig. Das bedeutete für Beamte aus Oerlenbach nicht nur tägliche Grenzstreifen zu Fuß und wöchentliche Luftüberwachungsflüge per Hubschrauber. Bei Begegnungen mit Vertretern der Grenztruppen der DDR hieß es über Jahre und Jahrzehnte: eisige Atmosphäre und Kontakte nur aufs sachlich unbedingt Nötige beschränkt.

    Und dann das: Hinter der Feindseligkeit nach Dienstvorschrift standen auch auf östlicher Seite ganz normale Menschen. Die Oerlenbacher Grenzschützer merkten das wenige Stunden, nachdem der damalige SED-Funktionär Günter Schabowski am Abend des 9. November Reisefreiheit für die DDR-Bürger angekündigt hatte.

    Erster Handschlag über die Grenze

    „Am 10. November, als ich bei einer Grenzstreife draußen war, habe ich schon den ersten Handschlag über die Grenzlinie hinweg bekommen. Wir haben uns dann ganz normal unterhalten. Das war schon völlig ungewöhnlich.“

    Der Drang der Geschichte, wieder zusammenzufügen, was bis nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen gehört hatte, begegnete Manto Graf zu Castell-Rüdenhausen und Erwin Ritter aber nicht nur im grenzschützerischen Alltag. Der Bundesgrenzschutz spielte auch ein wichtige Rolle bei der Aufnahme von DDR-Bürgern, die zunächst über Ungarn und dann aus der Botschaft der Bundesrepublik in Prag einreisen konnten. Für kurze Zeit war Oerlenbach sogar "Trabantenstadt", erinnern sich Castell-Rüdenhausen und Ritter. Der BGS-Standort war im Oktober und November 1989 Übergangslager.

    Die Organisation von Einreise und Verteilung der Menschen aus der DDR erforderte großen Einsatz. Und der alltägliche Dienst an der Grenze durfte nicht vernachlässigt werden. Noch nicht.

    Wenige Monate später war es auch damit vorbei. „Am 1. Juli 1990 stellte die Grenzschutzabteilung Süd I ihre grenzpolizeiliche Aufgabe an der unterfränkisch-thüringischen Grenze ein“, heißt es in den Annalen des Standorts Oerlenbach.

    Neue Lage, neue Aufgaben

    Für Manto Graf zu Castell-Rüdenhausen und Erwin Ritter hatte die Entwicklung weit reichende Folgen. Auf der menschlichen Ebene kamen schnell neue Kontakte zu den Kollegen im Osten hinzu. „Man war ja aufeinander angewiesen“, sagt Castell-Rüdenhausen. Beide Seiten hatten großes Interesse daran, „dass kein Chaos entsteht.“ So ergaben sich Verbindungen, die zum Teil heute noch gepflegt werden.

    Beruflich stellte die Wende praktisch für alle BGSler in Oerlenbach die Weichen neu. Zunächst blieb die Grenzschutzabteilung Süd I Einsatzabteilung. Dienste bei Fußballspielen oder Castor-Transporten, traten in den Vordergrund. Bahnpolizei und Luftsicherheit kamen als neue Aufgaben hinzu.

    1998 war auch das vorbei. Die frühere Einsatz wurde Aus- und Fortbildungszentrum. Seit 2005 steht der inhaltlich schon immer prägende Polizeicharakter des BGS auch im Namen: Der Bundesgrenzschutz heißt jetzt Bundespolizei.

    Wende und Wiedervereinigung haben nicht nur die alte Aufgabenstellung des BGS über den Haufen geworfen, sondern auch die Lebensplanung vieler Grenzschützer. Manto Graf zu Castell-Rüdenhausen wollte nicht Lehrer sein. Er ging als Pressesprecher zum Grenzschutzpräsidium nach München. Seit heuer ist er im Ruhestand.

    Ritter war von 1998 bis 2003 in Bayreuth eingesetzt. Seit seiner Rückkehr nach Oerlenbach ist der Polizeikommissar in der Aus- und Fortbildung tätig.

    Viele Unwägbarkeiten

    Als Gangart hatte die Geschichte zur Zeit der Wende den Galopp gewählt. Ritter und der Graf meinten damals, der etwas langsamere Trab hätte es auch getan. „Aus polizeilicher Sicht“, berichtet Castell-Rüdenhausen, „gab es damals viele Unwägbarkeiten“. Zum Beispiel seien ehemalige Straßenverbindungen wiederhergestellt worden durch Gebiete, aus denen die Minen nicht sicher entsorgt gewesen seien. „Es ist aber nie etwas passiert.“

    Aus heutiger gesellschaftlicher Sicht jedoch sagt er: „Die Geschwindigkeit war gut so. Auch wenn es noch lange dauern wird, bis man sich hundertprozentig gefunden hat.“

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