Ob Neil Armstrong am 8. August 1970 auch in der Au, wie bei der legendären Mondlandung, den linken Fuß zuerst auf Kissinger Boden setzte, als er aus dem Segelflugzeug kletterte, ist nicht verbürgt. Zeitzeugen berichten hingegen von mindestens 500 Menschen, die am Flugplatz ausharrten, bis der Monderoberer schließlich von der Wasserkuppe herüberkam.
Dort feierte die Pilotenvereinigung ein Riesenjubiläum, zu dem etliche Rekordhalter der Menschheitsgeschichte, wie der Weltumsegler Rollo Gebhardt und Chuck Yeager, der als erster Mensch die Schallmauer durchbrach, eingeladen waren. Aber deren Ruhm verblasste fast ein bisschen, weil eben Neil Armstrong da war und die meisten Menschen wegen ihm bei Regen und Nebel den Berg hinaufgekommen waren. So schriebt zumindest Helmut Patzke in seinem Main-Post-Artikel vom 10. August 1970.
Dass Armstrong auch nach Bad Kissingen kam, war nicht geplant. Dem Kurvereinsgeschäftsführer Edi Hahn war es aber offenbar gelungen, den Amerikaner zu einer Stippvisite in der Kurstadt zu überreden. Gegen 15 Uhr soll er die Botschaft telefonisch von der Wasserkuppe aus übermittelt haben. Da herrschte plötzlich überall emsige Betriebsamkeit, erinnert sich Walter Beck (Hausen), der damals Postillion auf der Postkutsche war. „Neil Armstrong kommt!“ Die Kunde verbreitete sich in Windeseile. Die Polizei machte zudem eine Lautsprecher-Durchsage. „Die ganze Stadt war plötzlich auf den Beinen.“ Sein früherer Chef, Postamtsvorsteher Alfred Balzer, und OB Dr. Hans Weiß „rotierten“, um den Kurzaufenthalt des Weltall-Stars möglichst elegant zu gestalten, erinnert sich Beck schmunzelnd.
Als Armstrong mit dem Segelflieger eintrudelte, machte er noch ein Looping zur Begrüßung. Die Menge war begeistert. Autogramme durfte der „Mann vom Mond“ nicht geben – keine Zeit. Postillion Beck sicherte sich trotzdem welche: Auf der Fahrt mit der Postkutsche in die Innenstadt ließ er Armstrong schnell ein paar Fahrscheine signieren. Unterwegs dann wieder jubelnde Massen.
Bitte keine Autogramme
Vor dem Regentenbau wurde es eng. „Der Kurgarten war rammelvoll“, erinnert sich Walter Rundler, der damals gerade ein halbes Jahr als Kurdirektor im Amt war. „Ich glaube, Armstrong musste mal eine kurze Strecke lang von den Kurwarten getragen werden“, vermeint er sich zu erinnern, denn es war einfach kein Durchkommen mehr. Nach dem Eintrag ins Goldene Buch, das im Weißen Saal vonstatten ging, blieb nicht mehr viel Zeit. Die vier Apfelschimmel setzten sich mit ihrer kostbaren Fracht wieder in Richtung Au in Bewegung. Für den Postillion ist das Erlebnis noch heute „überwältigend“. Ihm wurde erst später klar, dass er einem historischen Ereignis beiwohnte und quasi Bad Kissinger Geschichte mitgeschrieben hat.