Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen: Eifrig pflücken die Erntehelfer die reifen Trauben im Weinberg im Trautlestal von den Rebstöcken. Der Bottich füllt sich, „etwa in zwei Stunden werden wir hier fertig sein“, sagt Stefan Ruppert vom Hammelburger Weingut Ruppert. Zuerst werde Bacchus gelesen, in den nächsten Tagen ist Müller-Thurgau an der Reihe, so der Fachmann. Mit etwa 50 Prozent Einbußen rechnet Ruppert, der auch Vorsitzender des Weinbauvereins Hammelburg ist, in diesem Jahr. Durch den späten Frost im Mai mit Temperaturen, die bis auf Minus 2,6 Grad sanken, haben die Reben sehr gelitten. Mehr als die Spätsorten, zum Beispiel Silvaner oder Riesling, seien die Frühsorten, zu denen der Bacchus zählt, betroffen.
Allerdings konnte durch „schlafende Knospen“, die so genannten Beiaugen, und durch Nachkömmlinge, die Geiztriebe, noch einiges gerettet werden. Es seien zumindest keine kompletten Rebstöcke erfroren, und „unser Trost ist der Silvaner, der alles gut überstanden hat“. Die Lese in diesem Jahr sei aufwändiger als normalerweise, da Trauben mit verschiedenen Reifegraden gelesen werden.
Das bestätigt Ralf Baldauf vom Weingut Baldauf in Ramsthal. In einem guten Jahr werden die spätreifenden Trauben kaum berücksichtigt, heuer aber „sind wir froh um jede gute Traube“. Durch die aufwändige Lese erhöhen sich allerdings auch die Lohnkosten fürs Personal. „Klar ist, dass wir das nicht komplett an den Kunden weitergeben. Wir wollen ja vorausschauend denken, und unsere Kunden nicht verärgern“, so der Geschäftsmann. Und: „Bei unserem Beruf ist eben die Natur das Risiko. Damit leben wir.“ Die Brüder Baldauf rechnen in diesem Jahr mit Einbußen von etwa 50 Prozent. Momentan sind sie dabei, die rote Rebsorte Dornfelder zu lesen, auch hier sei das Ausmaß der Frostschäden beträchtlich.
Spürbar sei, so Ralf Baldauf, dass die Nachfrage durch Kunden steige, denn viele Winzer – auch bundesweit – haben weniger Erträge erzielt, manche könnten dadurch Neukunden nicht mehr bedienen.
Winzer Ewald Neder, ebenfalls aus Ramsthal, hat am Mittwoch mit der Lese des Bacchus begonnen und ist von der Qualität positiv überrascht: „Wir haben 87 Grad Oechsle gemessen, das Mostgewicht ist gut“, so Neder. Noch könne er die Erntemenge nicht genau abschätzen. Aber auch er werde insgesamt mit Einbußen von 50 Prozent zu kämpfen haben. Beim roten Domina rechnet er sogar mit Verlusten von 90 Prozent. Kleiner Trost: Die Bedingungen für einen Top-Silvaner stünden mit derzeit sonnigen Tagen und recht kühlen Nächten nicht schlecht, sagt Neder. Aus dem Winzerkeller Hammelburg ist Ähnliches zu hören: „Die Qualität ist gut, aber an der Menge fehlt es“, sagt Kellermeister Matthias Büttner. Schon das Jahr 2010 habe keine vollen Keller hinterlassen, nun folge ein ähnlich schlechtes Ertragsjahr. Besonders in Mitleidenschaft gezogen wurden die frühen Sorten Bacchus und Müller-Thurgau, aber auch der rote Domina. Büttners Konsequenz: Der Lebensmitteleinzelhandel werde weniger bedient, „wir legen unser Augenmerk auf unsere direkten Kunden“. Er rechnet durchaus mit Weinen im Kabinettsbereich und setzt auf „eine schöne Spätlese“.
Etwa 60 bis 70 Prozent Verluste werde das städtische Weingut hinnehmen müssen, sagt die neue Eigentümerin Ulrike Lange, die dieses Jahr ihre erste Ernte in Hammelburg bewerkstelligt. „Wir übernehmen das Weingut Mitte September, da kümmern wir uns natürlich um die Lese.“ Die bisherigen städtischen Mitarbeiter, Winzer Sven Schneider und Alexander Dahms, haben ihre Unterstützung zugesagt, sagt Lange. Nach den Unsicherheiten um die Übernahme des Weingutes ist sie froh, dass die Regierung von Unterfranken nun auch grünes Licht gegeben hat. Ein Mitbewerber hatte Beschwerde gegen den Verkauf bei der Kommunalaufsicht Bad Kissingen eingelegt (wir berichteten). Wie genau die Ernte ausfallen wird, wird sich in den nächsten Wochen zeigen. Ihr Mann, so Lange, habe sich extra frei genommen, um bei der Lese zu helfen.
Seit einigen Tagen ist auch das Weingut/Weinhotel Müller mit der Lese beschäftigt: „Der Bacchus mit 84 Grad Oechsle ist doch in Ordnung“, findet Thomas Müller. Wie bei seinen Kollegen ist es die geringe Menge, die beunruhigt. Wie stark die Frostschäden sind, hänge extrem von der jeweiligen Lage ab. „Die Rebstöcke in den Steillagen waren geschützter und haben deshalb weniger abbekommen.“ Trotzdem gibt es auch andere Faktoren, mit denen die Winzer zu kämpfen haben, spricht Müller die Plage durch Wespen an. Auch er wird vermutlich die ein oder andere Nachlese starten, je nach Gesundheitszustand der Trauben.
„Der Silvaner wird uns wohl auch dieses Jahr wieder retten“, spricht der Fachmann den anderen Winzern aus der Seele. Preiserhöhungen, um schlechtere Umsätze wettzumachen, könne man nur mit viel Fingerspitzengefühl angehen. Müller will erstmal die Ernte hinter sich bringen, „dann sehen wir weiter“. Für 2012 jedenfalls gibt er die Hoffnung auf ein besseres Jahr im Sinne des Weines nicht auf.