In der kleinen, gemütlichen Küche ist alles bereit: Frisches Gemüse liegt säuberlich nebeneinander, Brett und Messer warten auf ihren Einsatz. Ein Bund Petersilie steht neben einer Schüssel voller Zwiebeln. Sigrid Jäger betritt ihr Reich. Die 63-jährige Bad Kissingerin wird kochen an diesem Vormittag – und nicht irgendetwas: Sigrid Jäger kocht basisch.
Als Vorspeise soll es eine basische Gemüsesuppe geben. „Für die Suppe eignet sich jedes Gemüse – je nach Saison“, sagt Sigrid Jäger. Sie hat sich heute für Kartoffeln, Karotten, Kürbis, Zwiebeln und Suppengrün entschieden. Fein säuberlich zerteilt sie den Kürbis. Dackeldame Sina wuselt ihr um die Füße, den Blick sehnsüchtig nach oben gerichtet. „Sie hofft immer, dass was runterfällt“, sagt Sigrid Jäger amüsiert. Die 63-Jährige hat eine jugendliche Ausstrahlung. „Das kommt von der basischen Ernährung“, ist sie überzeugt. „Du entschlackst so super von dieser Küche – und das wirkt sich auf die Psyche aus“, sagt sie. Entschlacken – das meine das Ausscheiden von Giftstoffen im Körper.
Neues Kochbuch mit Backrezepten
Sigrid Jäger, sportliche Figur, Röhrenjeans, Segeltuchschuhe, ist selbstständig, hat eine Gesundheitspraxis, hält Seminare, gibt Kochkurse und schreibt nebenbei auch noch Kochbücher. Inzwischen ist die Fortsetzung ihres ersten Kochbuchs „Basisch kochen“ erschienen. Im neuen Buch stellt sie auch basische Backrezepte vor – von Marmorkuchen und Muffins etwa. Wie schon im ersten Buch habe sie darauf Wert gelegt, dass die Gerichte schnell und leicht zu kochen sind. „Es ist wirklich total unkompliziert.“ Inzwischen sind die Karotten an der Reihe. Zack! Klein geschnitten, und ab in den Topf.
Grundlage der basischen Küche ist die Theorie, dass der menschliche Körper durch säurebildende Lebensmittel übersäuert wird. Die Annahme: je weniger Säure, desto besser. Bewusst werden daher Nahrungsmittel verwendet, die basisch sind, also wenig Säure produzieren. „Eine basische Ernährung wirkt sich positiv auf den Säure-Basen-Haushalt aus“, sagt Sigrid Jäger. Säurebildend – das sind zum Beispiel Fleisch und Wurst, Alkohol, Kaffee und Käse, Zucker und helles Brot. Basisch hingegen sind naturbelassene Produkte wie sortenreiner Dinkel, das meiste Gemüse, Obst und Salat.

Nichts für Dogmatiker
Wissenschaftliche Belege für die Übersäuerungstheorie gibt es nicht. Nichtsdestotrotz: Sigrid Jäger ist davon überzeugt. „Meine Kunden werden durch die basische Ernährung gelassener, leistungsfähiger“, sagt sie. Mit ihrem ersten Kochbuch sei sie nicht nur auf Gegenliebe gestoßen, gibt sie zu. „In meiner basischen Küche darf man mittwochs und sonntags Fleisch essen“, erzählt sie. Strenge Anhänger der basischen Küche hätten ihr das vorgeworfen und ihr Kochbuch stark kritisiert. Dabei habe sie das ganz bewusst gemacht, sagt Sigrid Jäger. „Wenn man 70 Prozent vegetarisch isst, ist das eine ganze Menge. Mein Kochbuch ist für Anfänger und nicht für Dogmatiker. Man muss tolerant sein – auch beim Essen.“ Basische Küche solle vor allem Freude machen.
Dabei lebte sie vor vielen Jahren noch ein anderes Leben, mit Kochen hatte sie gar nichts am Hut. „Ich war in der Tourismusbranche tätig, habe geraucht, die Nächte durchgetanzt und nicht gerade gesund gelebt“, erzählt die gebürtige Hannoveranerin, die in Bremen aufgewachsen ist. 1986 habe sie dann die Ernährung umgestellt, erzählt sie. Der Grund: die Nuklearkatastrophe in Tschernobyl.

Sie habe bewusst nach unbelasteten Lebensmitteln gesucht. „Ich wollte mich nicht von Strahlen beeinträchtigen lassen.“ Sie fing an, Biolebensmittel zu kaufen – damals eine Seltenheit. „Ich habe zu der Zeit in München gelebt, da gab es noch keine Bioläden. Das war einfach noch kein Trend.“ Gleichzeitig begann sie, sich mit der Naturlehre der Äbtissin Hildegard von Bingen zu befassen. So sei sie schließlich auf Dinkel gekommen. Dinkel sei im Vergleich zu anderen Lebensmitteln relativ wenig belastet gewesen, erzählt Sigrid Jäger, während sie die Kartoffeln klein schneidet. Schnell wurde der Dinkel zu ihrem Hauptnahrungsmittel.
Nicht immer auf Verständnis gestoßen
Auf Verständnis stieß sie damit nicht überall: „Meine Familie und Freunde haben mich damals ausgelacht, die dachten, ich habe einen Knall. Da wird man dann schon zum Außenseiter.“
Abgehalten hat sie das nicht. „Ich war früher übergewichtig, hatte ein Doppelkinn und Pickel.“ Zehn Kilo habe sie durch die Ernährungsumstellung innerhalb von einem Jahr abgenommen. Die Umstellung erfolgte langsam, Schritt für Schritt. „Ich habe erst aufgehört zu rauchen, irgendwann habe ich keinen Kaffee mehr getrunken.“ Nach gut zehn Jahren habe sie völlig auf Fleisch verzichtet. „Mir hat es einfach nicht mehr geschmeckt.“ Weil das geröstete Dinkelmehl den Blutzucker halte, sei man nach dem Essen total satt. „Man braucht kein Fleisch mehr.“
Immer zum Arzt gehen
Basische Ernährung – und schon purzeln die Kilos? Es klingt fast ein bisschen zu einfach. Sigrid Jäger schwört dennoch darauf. Allerdings müsse man konsequent sein, sagt sie, sonst funktioniere es nicht. „Wenn ich Weißmehl esse, sehe ich es auf der Waage.“ Natürlich weiß auch sie: „Ein Allheilmittel, um gesund zu werden, ist die basische Küche nicht. „Wenn man krank ist, muss man unbedingt immer zum Arzt gehen.“ Trotzdem: Die Ernährung umzustellen, empfiehlt sie immer mit Nachdruck.

Inzwischen köchelt die Suppe auf dem Herd, es duftet köstlich. Als Hauptgericht wird Sigrid Jäger später Dinkelnudeln mit Rahmchampignons kochen. Ob sie nach den Jahren nicht mal Lust bekomme, eine Tiefkühlpizza in den Ofen zu schieben? „Auf gar keinen Fall!“, sagt sie. „Das schmeckt mir einfach überhaupt nicht mehr.“
Buchtipp: „basisch kochen 2“ von Sigrid Jäger ist erhältlich in allen Geschäftsstellen der Main-Post und online unter shop.mainpost.de. Das Buch kann auch über das Service-Center Post bestellt werden, Tel. (09 31) 60 01 60 06
Was ist sauer, was basisch? Saure Lebensmittel: Fleisch, Wurstwaren, Schinken Rosenkohl, Spargel, Linsen, Mais, Rosenkohl Kaffee, Wasser mit Kohlensäure Sekt und Wein Weißer Zucker, Milchschokolade Würziger Käse, H-Milch, Eiweiß, Margarine Weizen, Weißmehl, Roggen, Reis Limonade und Marmelade mit Zucker Süßwasserfisch, Meeresfrüchte, Räucherlachs Basische Lebensmittel: Sortenreiner Dinkel, Soja-Mehl, Tofu Bio-Vollmilch, Eigelb, Bio-Gouda, Bio-Sahne Kartoffeln, Karotten, Kürbis, Kopfsalat, Knoblauch, Zucchini, Frische Kräuter, Sellerie, Gurken, weiße Bohnen, Gemüsepaprika, Oliven Äpfel, Zitronen, Bananen, Trauben, Birnen Bio-Oliven-Öl, Bio-Süßrahmbutter Bio-Honig, Kräutertee (nicht gesüßt)