Selten ist Bürgermeisterin Brigitte Meyerdierks daheim. Meistens ist sie für das Amt unterwegs. Dem Interview vor der Wahl am Sonntag, 11. September, stellt sie sich gerne auf dem eigenen Balkon mit Blick über Sinntal und Staatsbad. Dabei wartet sie neben bekannten Ideen mit einer besonderen Idee zur Tourismusförderung auf.
Frau Meyerdierks, Sie wollen es mit 61 Jahren noch einmal wissen und treten erneut zur Bürgermeisterwahl an. Manch anderer geht da in Rente. Was treibt Sie an?
Brigitte Meyerdierks: Seit der Amtsübernahme vor sechs Jahren konnte ich viele Dinge anstoßen, nachdem die zwölf Jahre davor nicht viel passiert ist. Diese Dinge möchte ich vollenden oder fortführen. Außerdem fühle ich mich nicht so alt. Ich bin Witwe, habe zwei Töchter, die studieren, so dass ich meine ganze Kraft für die Stadt einsetzen kann. Meine Leidenschaft für dieses Gestalten ist in den letzten Jahren erst richtig geweckt worden.
Nennen Sie Beispiele für Unvollendetes.
Meyerdierks: Wir haben mit dem Stadtumbau West einen großen Plan vorgesetzt bekommen. Da haben wir schon viel erreicht. Mit dem Bahnhof fehlt noch ein Hauptprojekt. Wenn das Gelände verkauft wird, gehen wir an die Umgestaltung mit Radweg. Schon als ich meinen Amtsvorgänger über drei Jahre vertreten habe, habe ich das angeleiert.
Drei Leistungen, auf die Sie stolz sind?
Meyerdierks: Zum einen der Bau des Seniorenzentrum Waldenfels. Das habe ich auch als Kreisrätin mitbegleitet. Als der Hang abgerutscht war, stand es Spitz auf Knopf mit der Fortführung. Ich rechne es auch meiner Intervention an, dass weiter gebaut wurde. Jetzt werden die Synergieeffekte deutlich. Das alte Postamt wird Förderstätte für Behinderte, die im Seniorenzentrum wohnen. Da kriegen wir 24 neue Bürger aus Maria Bildhausen. Der neue Investor für das Hotel Post hätte sich ohne das neue Haus Waldenfels nicht gefunden. So lange ich denken kann, arbeiten wir daran, den Schandfleck in der Innenstadt unter Berücksichtigung des Denkmalschutzes zu beseitigen. Zum Schluss waren sogar zwei Investoren da, weil sie Bedarf für barrierefreies Wohnen sehen.
Und ein Drittes?
Meyerdierks: Die Sanierung der Kissinger Straße, obwohl sehr viel Zirkus war mit den Staus und Umleitungen. Aber das muss man für Arbeiten an einer zentralen Verkehrsachse in Kauf nehmen.
Drei Dinge, die Sie noch erreichen wollen?
Meyerdierks: Den Busbahnhof und den Wohnmobilstellplatz am Bahnhofsgelände. Zurückgehalten habe ich mich bisher mit meiner Vorstellung von einem kleinen See zwischen Stadt und Staatsbad als touristisches Glanzlicht. Außerdem möchte ich, dass das Jugendzentrum so angenommen wird, wie es ist, und nicht so wie sein Ruf. Natürlich kann man immer wieder über die Belebung der Innenstadt sprechen. Da bin ich aber nicht alleine verantwortlich. Das ist auch Sache des Käuferverhaltens und nicht nur in Bad Brückenau ein Problem.
Der See klingt spannend... Gibt es schon einen Plan?
Meyerdierks: Noch nicht. Es gibt schon Überlegungen, wo man ihn verwirklichen darf. Wir haben ja Heilquellen- und Trinkwasserschutz weiter oben und unten. Der See muss dazwischen sein. Ich habe also gewisse Vorgaben vom Wasserwirtschaftsamt. Ein See ist so etwas Schönes. Leider haben wir im Moment dafür keine Zeit, weil wir ja die Mittelschule als nächstes Großprojekt haben, das die Verwaltung sehr beansprucht. Also nur die Ruhe, aber man darf ja Visionen haben.
In welchem Zeitrahmen denken Sie da?
Meyerdierks: Dass man im kommenden Frühjahr abcheckt, ob so etwas gefördert wird, ob man private Partner findet. Ich sehe da auch einen kleinen Campingplatz, das können wir als Stadt nicht alleine stemmen.
Gibt es Ziele, die Sie bereits aufgegeben haben?
Meyerdierks: Eines, aber noch nicht ganz. Ich hätte gerne noch ein Gewerbegebiet, vielleicht näher an der Autobahn. Das fällt im Rahmen der Naturschutzgebiete schwer. Als Einnahmequelle wäre es wichtig. Falls ein Investor mit vielen Arbeitsplätzen kommt, kann man vielleicht Türen dafür öffnen.
Wie läuft der Wahlkampf aus Ihrer Sicht?
Meyerdierks: Ruhig. Wahlkampf kann man gar nicht sagen. Eher Kampagne. Wir gestalten alles so, wie wir es ohne Gegenkandidaten getan hätten. Nur darf jetzt niemand darauf vertrauen, dass es ich eh wieder werde. Sonst haben wir hier einen Brexit: Den Brigitte Exit (lacht). Also die Briefwahl nutzen, damit Bad Brückenau weiter gedeiht.
Die beiden Mitbewerber sind ja gewissermaßen Quereinsteiger in die Bad Brückenauer Kommunalpolitik. Ist dies Ausdruck der Politikverdrossenheit in der Stadt.
Meyerdierks: Ich glaube, eher der Zufriedenheit. Die PWG wollte ja einen Kandidaten aufstellen, um im Sinne der Demokratie eine Auswahl zu schaffen, Dass sich in der Stadt niemand aus den Reihen des Stadtrates gefunden hat, kann ich nur so interpretieren, dass die Stadträte wissen was läuft. Da hat niemand die Notwendigkeit gesehen, dagegen anzutreten.
Also keine Politikverdrossenheit?
Meyerdierks: Das ist so ein Schlagwort. Ich glaube nicht, dass man in einer Kleinstadt von Politikverdrossenheit reden kann. Wie viele Menschen sich hier engagieren, ist klasse! Ich denke an Elternbeiräte oder die Flüchtlingsarbeit. Das ist alles Politik.
Und das Interesse an Sitzungen?
Meyerdierks: Da ist es nicht so toll. Beispiel Bürgerversammlungen im Frühjahr. Volkers und Römershag waren voll. Da wollen die Leute alles wissen. In Wernarz und Staatsbad wurde heftig über das Baugebiet Straßfeld diskutiert. Danach sind die Leute gegangen. Man interessiert sich offensichtlich nur für das, was vor der Haustüre ist.
In der Innenstadt war dieses Jahr das erste Mal mehr los. Vielleicht hat das mit der Wahl zu tun. Bei der Stadtratssitzung kommen immer die gleichen Zuhörer. Außer, es ist ein spezielles Thema. Dann sitzt auch mal alles voll. Aber das ist selten.
Wie finden Sie den Wahltermin in den Ferien?
Meyerdierks: Wir hatten den 3. Juli vorgeschlagen. Noch vor den großen Festen, weil die Helfer dort oft auch Wahlhelfer sind. Da hätte ich eine Sondergenehmigung gebraucht. Dann wäre da noch der 25. September gewesen, sechs Wochen vor Amtsübergabe. Dann hätten wir bei Bedarf noch eine Stichwahl unterbringen können. Ich habe das mit der CSU der PWG überlassen. Nicht dass es heißt, wir schaden der PWG mit einem frühen Termin, weil sie seinerzeit noch keinen Kandidaten hatte. Dann kam von dort der Vorschlag für den 11. September. Ich habe darauf hingewiesen, dass es mir egal sein kann,weil mich ja jeder kennt. Für neue Kandidaten kann es schwierig sein, sich in den Ferien bekannt zu machen. Die letzten vier Wochen vor der Wahl sind oft entscheidend.
Seit den 1990er Jahren wird in Bad Brückenau der Bürgermeister nicht mehr parallel zum Stadtrat gewählt. Sind sie glücklich mit der Konstellation?
Meyerdierks: Es wäre schon einfacher, wenn auf einmal gewählt würde. Die Bürgermeisterwahl liegt ja in der Mitte, sonst hätten wir angleichen müssen. Jetzt geht es nur auf Antrag. Für mich wäre es nicht sinnvoll gewesen, zwei Jahre nach meinem Amtsantritt die Wahlperiode zu verkürzen. Wenn ich 2014 den Antrag dafür gestellt hätte, dann hätten die Leute gesagt, ich will früher in Rente.
Halten Sie es für denkbar, 2020 für eine parallele Wahl auf zwei Amtsjahre zu verzichten?
Meyerdierks: Nein. Das könnte man nur, wenn man einen Nachfolger hat, von dem man weiß, dass er es so weiter führt. Ohne wäre es wie Fahnenflucht.
Ganz ausgeschlossen hört sich das nicht an....
Meyerdierks: Kann ich ja nicht. Ich weiß ja nicht, wie ich in vier Jahren gesundheitlich beieinander bin. Da bin ich 66. Weiß ich es?
Rechnen Sie mit einer Stichwahl? Wenn ja, mit wem?
Meyerdierks: Da äußere ich mich nicht dazu.
Bei der letzten Bürgermeisterwahl lag die Wahlbeteiligung bei 53 Prozent. Mit welcher Wahlbeteiligung sind sie diesmal zufrieden?
Meyerdierks: Mindestens 65 Prozent, aber ich würde mir noch mehr wünschen. Es gibt Kommunen ringsherum, da hatte der Bürgermeister keinen Gegenkandidaten und die Wahlbeteiligung lag bei 70 oder 90 Prozent. Ich bekomme ja kein Zeugnis. Ich fände das als Bestätigung schon schön.
„Meine Leidenschaft für dieses Gestalten ist in den letzten Jahren erst richtig geweckt worden“
Bürgermeisterin Brigitte Meyerdierks