Über Jahre schon hat Rüdiger Fehr die Idee mit sich getragen, nun hat er sie verwirklicht. Mit dem „Haus der Begleitung“ in der Steinstraße eröffnet der Kissinger Bestattungsunternehmer am 1. März ein in der Region bislang einmaliges Zentrum für Trauerkultur. „Wir werden hier fast alles möglich machen und somit der Trauer mehr Raum und Zeit geben“, sagt Fehr.
120 Sitzplätze fasst der in warmen Orange gehaltene Trauersaal, der früher einmal der Gebetsraum der neuapostolischen Kirche war. Der Trauersaal verfügt über einen eigenen kleinen Regieraum, von dort aus können während der Trauerfeier zum Beispiel Fotos des Verstorbenen an die Wand projiziert werden.
Der Regieraum ist außerdem mit einer Musikanlage ausgestattet. Trauernde Angehörige können die Lieblingsmusik des Toten mitbringen, die dann in den Saal übertragen wird. Ob Mozarts Requiem oder Hells Bells von ACDC – für Fehr soll die Trauerfeier so individuell wie möglich sein. „Schließlich ist der Tod eines geliebten Menschen ein persönliches und besonderes Erlebnis für die Hinterbliebenen.“
Eine solche individuelle Trauerfeier sei in den kommunalen Leichenhallen schon lange nicht mehr umzusetzen, kritisiert Fehr, der auch Stadtrat ist. „Die Zustände dort sind sehr bedenklich.“ Viele Trauergäste klagten zudem, dass es in der Halle im Winter viel zu kalt und im Sommer oft viel zu kühl sei, so Fehrs Erfahrung. „Wie soll da eine würdige Traueratmosphäre aufkommen?“
In der Mitte der Angehörigen
Dagegen könne im Haus der Begleitung „der Verstorbene intensiv in die Mitte der Angehörigen genommen werden“, sagt Fehr. Und es besteht die Möglichkeit zum Public Viewing der besonderen Art: Über einen Media Player kann die Trauerfeier zusätzlich ins Foyer übertragen werden, sollte der Platz in der Halle nicht ausreichen. Nach der Zeremonie können die Trauergäste im so genannten Kommunikationsraum zu einer kleinen Bewirtung zusammenzukommen.
Daneben soll das 380 Quadratmeter fassende Zentrum auch ein Ort für Vorträge und Filmabende rund ums Thema werden, so Fehrs Plan. Auch die Anregung einer jungen Witwe hat der Bestatter aufgenommen.
„Es gibt hier künftig das Angebot, Jahrestags- oder Gedenkfeiern für einen Verstorbenen auszurichten. Viele Menschen haben den Tod eines Menschen erst viele Jahre später verarbeitet. Eine besondere Feier bietet die Möglichkeit, noch einmal bewusst Abschied zu nehmen.“
Keine Konkurrenz zur Kirche
Fehr betont, das Haus der Begleitung stehe nicht in Konkurrenz zu christlicher Bestattungskultur. „Im Gegenteil,“ macht der Bestatter deutlich: „Kirche ist ein unverzichtbarer Lieferant von Ritualen und Zeremonien, die ich sehr schätze.“ Die katholischen und evangelischen Pfarrer der Region wisse er angesichts des neuen Zentrums deshalb auch mit im Boot.
Der evangelische Pfarrer der Stadt, Jochen Wilde, bestätigt dies im Gespräch mit der Main-Post. „Mir ist aber wichtig, dass die Verantwortung für eine Trauerfeier beim Pfarrer liegt und der christliche Verkündigungscharakter gewährt bleibt. Wenn etwas nicht zu meinem Verständnis passen würde, würde ich das den Angehörigen vorher sagen.“
Wilde kritisiert Parkfriedhof
Wilde sind moderne Trauerzentren wie dieses bekannt. „In Großstädten gibt es sie schon längst.“ Im Übrigen teilt er Fehrs Kritik an den kommunalen Aussegnungshallen und nennt als Beispiel die Halle im Parkfriedhof. Der Zustand des Gebäudes ist für ihn „unterirdisch und einer Kurstadt nicht würdig“.
„Im Bereich der Trauerbegleitung ist eine Vernetzung immer gut, und dafür sind wir auch offen“, so Dekan Thomas Keßler für die katholische Seite. Konkurrenz zur Kirche sieht er in dem neuen Trauerzentrum nicht. „Es kommt immer auf die Zusammenarbeit an, auf gegenseitiges Vertrauen und Offenheit.“