Noch immer kokelt neben der angezündeten Feldscheune ein Heuhaufen vor sich hin. Rauch setzt sich in der Kleidung fest. Hier, im Burkardrother Ortsteil Wollbach (Kreis Bad Kissingen), hatte der 22-jährige Brandstifter vergangene Woche sein letztes Feuer gelegt. Ein knappes Jahr lang war die Gemeinde durch eine Feuerserie in Angst und Schrecken versetzt worden, insgesamt 13 Mal heulten die Sirenen. Jetzt konnte die Polizei einen Tatverdächtigen festnehmen, es war ein Kamerad der örtlichen Feuerwehr. Mittlerweile, so Polizeisprecher Jochen Dietrich, „hat er acht Fälle eingeräumt“. Welche das sind, das wollen die Beamten aus ermittlungstaktischen Gründen noch nicht bekannt geben.
Sind die Bürger jetzt erleichtert? Eine Spurensuche in der Heimat des Brandstifters: Burkardroth ist mit 724 Einwohnern nur der fünftgrößte von zwölf Ortsteilen, bildet allerdings zusammen mit den etwa genauso großen Wollbach und Zahlbach, die übergangslos daran angrenzen, den zwischen Hügeln eingebetteten Kern der Marktgemeinde Burkardroth. Der Markt ist nach Bad Kissingen, Hammelburg und Münnerstadt die viertgrößte Kommune im Landkreis Bad Kissingen. Auffällig sind die hohen Sandsteinkreuze mit dem gekreuzigten Jesus, von denen man in den Gemeindeteilen mehrere zählt. Immer wieder sieht man große Traktoren auf der Straße. Nördlich von Burkardroth erhebt sich der nur elf Kilometer entfernte Kreuzberg mit seinem hohen Funkmasten. Eine kleine Straße ohne Fahrbahnmarkierungen führt hinauf nach Wollbach. Hier, am alten Rathaus, hängt ein Glaskasten der Feuerwehr mit einem Plakat, auf dem steht: „Bei uns wirst du gebraucht!“ Aus Wollbach stammt der Brandstifter und dort wohnt auch Kreisbrandrat Benno Metz, dessen Scheune das letzte Ziel des festgenommenen 22-Jährigen wurde.
Überraschend kam der Brand für den Kreisbrandrat offenbar nicht wirklich. „Mir war klar, entweder es wird etwas Größeres oder es wird meine Scheune“, sagt Metz, der beim Herausräumen der landwirtschaftlichen Geräte in der linken Gesichtshälfte leichte Brandverletzungen davongetragen hat. Er mutmaßt, dass es den Feuereifer des Brandstifters wohl besonders angestachelt habe, dass es sich um seine Scheune, die des Kreisbrandrats, handelt. Aufgrund dieser Befürchtung hatte er zuvor den Versicherungsschutz der Halle überprüfen lassen und 50 der dort gelagerten Quaderballen Heu zu Bekannten im nahen Frauenroth gebracht. Den Schaden an der Scheune schätzt Metz auf 30 000 bis 40 000 Euro.
In unmittelbarer Nähe befinden sich weitere Feldscheunen, auch die nach der Brandstiftung im Juli wieder aufgebaute Halle von Karl Schneider ist nur etwa 200 Meter entfernt. „Es wären noch genug Objekte da gewesen“, sagt Metz lapidar. Vielleicht war es die böse Vorahnung, die Metz nun besonnen beurteilen lässt, dass es ihn selbst betroffen hat: „Mich hat es nicht aus der Bahn geworfen.“ Außerdem war er eben, im Gegensatz zu einigen Betroffenen des Brandes der Gemeinschaftshalle in Gefäll im vergangenen Oktober, versichert. Gleichwohl sei er erschüttert und enttäuscht, dass der Zündler, wie schon von der Polizei befürchtet, ein Feuerwehrmann war.
Sehr zu Herzen genommen hat sich diese Tatsache vor allem der Vater des Kreisbrandrats. Der groß gewachsene und kräftige 76-Jährige – durch und durch Feuerwehrler – ist seit 60 Jahren dabei, war 21 Jahre lang Feuerwehrkommandant und ist nun Ehrenkommandant. Mit dem rechten Arm gestikulierend, versucht Helmut Metz seine Fassungslosigkeit in Worte zu fassen. Eine Stunde, bevor der 22-Jährige die Scheune seines Sohnes in Brand steckte, hatte der als tüchtig und handwerklich begabt geltende junge Mann bei ihm noch den Hof gepflastert. „Man hat sich gefragt, ob man denken soll: dummer Bub oder armer Kerl“, sagt Metz senior.
„Herr Metz, Sie sind doch ein alter Fuchs“, habe die Polizei, die vorher auch bei ihm war, gesagt, „Sie kennen doch bei der Feuerwehr jeden und haben bestimmt einen Verdacht.“ Aber der Ehrenkommandant habe sich beim besten Willen nicht vorstellen können, dass einer von der Feuerwehr so etwas tun könnte. Auch dem 22-Jährigen hat er es offenbar nicht zugetraut, obwohl der ein Freund seiner Enkelin war. Metz erzählt, dass nach vorher gelegten Bränden die Autos von Feuerwehrleuten überprüft wurden, dass bei einem die Polizei sogar auf der Arbeitsstelle anrief, weshalb der Feuerwehrmann beinahe seine Arbeit verloren habe.
Der Brandstifter hatte sich zuletzt bei der Wahl seiner Objekte immer mehr gesteigert. So empfanden es die Bürger von Burkardroth, nachdem die vorhergehenden Ziele eine Gerätehalle in Stangenroth und die Maschinenhalle in Gefäll waren. Sie fragten sich bis zum vergangenen Mittwoch deshalb angstvoll, was der Feuerteufel sich als Nächstes aussuchen würde.
„Du fängst schon an zu denken: Hattest du Streit mit jemandem? Zündet der vielleicht als Nächstes dein Haus an? Du weißt ja nicht, was in so einem vorgeht“, erzählt eine blonde Mittvierzigerin, die nicht namentlich genannt werden möchte. „Am Mittwoch haben wir noch Späßli gemacht: Jetzt ist der Schnee weg, jetzt dürfte es bald wieder losgehen“, sagt sie, und man merkt ihr die Erleichterung darüber an, dass es endlich vorbei ist. Erleichterung ist neben Fassungslosigkeit das Gefühl, das zur Zeit die meisten Burkardrother verspüren. Der Wunsch, den Täter endlich zu finden, war bei der Mittvierzigerin so stark, dass sie sagt: „Es wäre schlimm gewesen, wenn er jetzt aufgehört hätte, dann hätten sie ihn nie gekriegt.“
Eine solche Ungewissheit hätte die Bürger weiterhin gequält und das Gift gegenseitiger Verdächtigungen womöglich noch tiefer in sie eingepflanzt. Denn Verdächtigungen, etwa unter Feuerwehrleuten, hat es gegeben. „Die Leute wollten einen finden“, sagt Feuerwehrkommandant Klaus Kirchner. Er hätte nie geglaubt, und mag es auch jetzt noch nicht glauben, dass einer aus der Stammmannschaft der Zündler war – auch nicht der Festgenommene. Kurz vorher habe der auch noch gesagt: „Hoffentlich kriegen sie ihn bald“, wissen andere zu berichten.
Hätte Kirchner jetzt im Nachhinein am 22-Jährigen Wollbacher nicht etwas auffallen müssen? „Er wollte immer vorne mit dabei sein“, sagt er, fügt aber nach kurzem Überlegen hinzu: „Aber so ging es jedem von uns.“ Kirchner, von dem der Zündler im Januar 2010 das Amt des Atemschutzgerätewarts erbte, ist nicht der Typ, der wild draufloswettert, aber man merkt ihm an, dass er eine große Wut auf den Brandstifter aus den eigenen Reihen hat.
Glück im Unglück war, dass zum Zeitpunkt des Alarms so viele Feuerwehrleute zu einem Motorsägenkurs im zwei Kilometer entfernten Gerätehaus waren, der eigentlich am Abend zuvor hätte sein sollen. Der Feuerwehrkommandant glaubt nicht, dass der Brandstifter, den er eine Viertelstunde vor dessen letzter Zündelei dort – allein – noch angetroffen hatte, von der Verschiebung des Termins wusste. Auch das erst im Dezember in Dienst gestellte neue Feuerwehrauto habe Schlimmeres verhindert.
Tanja Engel, Verkäuferin bei der Bäckerei Ehrenberg, einer von drei in Burkardroth, sagt über die Stimmung im Ort: „Die Leute würden ihn steinigen.“ Ansonsten haben viele Burkardrother eher Mitleid mit dem jungen Brandstifter, der sich seine Zukunft verbaut habe, und fragen sich, so wie die 47-jährige Bernadette Grom: „Was hab' ich denn davon, wenn ich den anderen Leuten das Zeug runterbrenne?“ Sie vermutet, dass es ihn „wieder gejuckt“ habe, als der Schnee weg war, und er beim Löschen dann Gemeinschaft und Anerkennung gesucht habe.
Identischer Fall in Oberfranken
Erneut hat die Polizei einen jungen Feuerwehrmann der Brandstiftung überführt. Der 19-Jährige gestand nach langwierigen Ermittlungen, im Sommer vergangenen Jahres in Zell (Landkreis Hof/Saale) drei Scheunen angezündet zu haben. Er wollte damit seine Fähigkeiten als Feuerwehrmann unter Beweis stellen, so die Polizei. Dagegen bestreitet der 19-Jährige die Verantwortung für einen verheerenden Wohnhausbrand Ende Juli in der Gemeinde. Damals konnten sich fünf Bewohner in letzter Sekunde vor den Flammen retten. Der Sachschaden betrug rund 250 000 Euro. Wie bei dem in Burkardroth festgenommen Feuerwehrmann, so hat auch der 19-Jährige bei den Löscharbeiten geholfen. In Deutschland gibt es jährlich rund 180 000 Brände, ein Fünftel wird durch Brandstiftung verursacht. Feuerwehrmänner seien, so eine Studie aus dem Jahr 2004, nur in 0,3 Promille der Fälle als Brandstifter verantwortlich.