Von Ruhe kann man in seinem Fall allerdings nicht sprechen, denn der 83-Jährige ist seit März 2008 Vorsitzender der Bewohnervertretung in der Senioren-Wohnanlage. Er sieht sofort, wo Verbesserungen nötig sind. „Wir haben zum Beispiel erreicht, dass sich hier alle Haustüren automatisch öffnen, wenn man den Schlüssel in das Schloss steckt“, sagt Sternberg. Auch für ein Telefon am Außenbereich des Kissinger Bahnhofs hat er sich eingesetzt. Denn lange Zeit konnte man als Bahnreisender ohne Handy kein Taxi rufen.
Karriere ohne Zeugnis
Nach seiner Rückkehr aus dem südamerikanischen Exil hat Hans Sternberg 1952 als Verwaltungsangestellter des Kaufhauskonzerns Hertie angefangen. „Zum Glück musste ich bei meinen Bewerbungen nie ein Zeugnis vorweisen“, sagt der 83-Jährige, „ich hätte nämlich keines gehabt.“ Mit 14 Jahren habe er 1938 die Schule verlassen müssen und konnte sie durch die Kriegswirren auch später nicht mit einem Abschluss beenden.
Sternbergs Karriere begann in der Hamburger Zentrale und führte über Frankfurt nach Berlin. Dorthin hatte Konzernchef Georg Karg die Hertie-Zentrale inzwischen verlegt, denn man wollte in Berlin Arbeitsplätze schaffen und die Bedeutung der geteilten Stadt unterstreichen – Berlins damaliger Bürgermeister Reuter hatte den Hertie-Chef darum gebeten. Zwei Tage vor dem Mauerbau heiratete Sternberg seine Frau Erna in Berlin, 1963 wurde Tochter Claudia geboren.
1970 orientierte sich der inzwischen erfolgreiche Geschäftsmann beruflich noch einmal neu. Er wechselte zu dem Kaufhaus-Konkurrenten Kaufhof. Die 68-er Jahre, die Proteste gegen den Vietnamkrieg, die Zeit der Blumenkinder und das Musical Hair hatten den damals 45-Jährigen dazu veranlasst, sein Leben noch einmal neu zu ordnen.
In dieser Zeit wurde auch sein Interesse für ein Thema geweckt, das heute zum Alltag gehört: es sind die dicken schwarzen und weißen Linien und die dreizehnstelligen Nummern, die in großen Geschäften die Vorgänge im Kassenbereich beherrschen – der Strichcode. Für Hans Sternberg war die Idee und die Entwicklung des Strichcode-Systems ein wichtiger Teil seines Lebenswerkes. Am 18. März 1980 verlieh ihm Bundespräsident Carstens für seine Verdienste um die Rationalisierung von Arbeitsabläufen das Verdienstkreuz am Bande.
Als die USA und Kanada Anfang der siebziger Jahre ein Strichcode-System entwickelten, wurde bei Sternberg das Interesse sofort geweckt. Während seiner Tätigkeit als Organisationschef bei Hertie und Kaufhof hatte es ihn immer gestört, dass die Preis-Etikettierung der Waren so arbeits- und personalaufwändig war. Sternberg reiste nach Ohio und Montreal, um sich erste Versuchsinstallationen des neuen Verfahrens selbst anzusehen. Obwohl er dieses amerikanische System als noch unzulänglich einschätzte, hat ihn die Idee nicht mehr losgelassen. „Sie war zukunftweisend“, wie er heute weiß.
Das amerikanische Artikel-Nummerierungssystem hatte eine zwölfstellige Nummer, die für die europäischen Länder nicht ausgereicht hätte. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, die EWG, bemängelte, dass dieses Verfahren die Zusammenarbeit des europäischen Marktes nicht behindern, sondern fördern müsse. Es dürfe keine Sondertour des deutschen Handels werden.
Zwölf Jahre im Vorstand
Damals hatten sich zwei große deutsche Verbände zusammengetan: der Markenverband der Industrie und die Rationalisierungsgemeinschaft des Handels gründeten eine Organisation, die sich für eine verbesserte Zusammenarbeit von Industrie und Handel einsetzte, die Centrale für Coorganisation. So eine Gemeinsamkeit hatte es zuvor nicht gegeben. Diese Centrale für Coorganisation war paritätisch besetzt aus Vertretern des Handels und der Industrie. Im Wechsel mit dem Vertreter der Industrie war Hans Sternberg zwölf Jahre lang Aufsichtsratsvorsitzender.
Schließlich gelang es der Computerfirma IBM, eine Codierung von 13 Zahlen zu entwickeln, die von jeder Scanner-Kasse gelesen werden konnte. Diese 13 Zahlen und der Strichcode werden heute in 120 Ländern weltweit genutzt.
„Trotz dieser Entwicklung dauerte es viele Jahre, bis sich dieses Auszeichnungssystem durchsetzen konnte“, so Sternberg. „Es kostete Überzeugungsarbeit, sowohl bei den Industriebetrieben wie bei den Handelsunternehmen“.
Endgültig durchgesetzt habe sich das Strichcode-System erst, sagt Hans Sternberg, als er schon im Ruhestand gewesen sei. Damals war er allerdings nach der Wende als Seniorberater in die neuen Bundesländer delegiert worden und baute dort voller Tatendrang unter anderem die Industrie- und Handelskammer Cottbus als Verwaltungschef mit auf.