Verstaubt, düster, ungeordnet – so stellt sich mancher landläufig ein Archiv vor. Wäre es so, würde das Archiv kaum seinen Zweck erfüllen. Denn es dient nicht nur der Aufbewahrung von Dokumenten und Sammlungen, sondern ist auch ein Ort des Forschens, wissenschaftlichen Arbeitens und der Suche nach neuen Erkenntnissen. Das sei Tagesgeschäft, sagt Kulturreferent Peter Weidisch. Er und seine einzige Archivmitarbeiterin Evelyn Bartetzko hüten die Archivbestände der Stadt Bad Kissingen von Anfang an, nämlich seit 1992.
Sie wachen über alle „Schätze“, die sich im Laufe von Jahrzehnten, ja sogar Jahrhunderten angesammelt haben. Und das sind nicht wenige. Was alles verborgen liegt, wollen wir in einer losen Serie vorstellen. Das schließt die Bestände, das Ordnungsprinzip innerhalb des Archivs, die Benutzung, die Zuführung von Sammlungen und Dokumenten und deren Aufarbeitung ein.
Aufgaben des Archivs
„Das Stadtarchiv ist ein Dokumentations- und geschichtliches Kompetenzzentrum“, umreist Weidisch die Aufgaben. Zum einen werde Schrifttum, das in der Stadtverwaltung anfällt, hier nach Prüfung der Archivwürdigkeit bewahrt. Dazu gehören Urkunden, Akten, Ratsbücher und Sitzungsprotokolle. Das bedeutet ein ständiges Anwachsen des Fundus.
Als nächste Aufgabe beschreibt Weidisch die konservatorische Aufbereitung des Materials. Dafür werden so genannte Findbücher erstellt. Das geschieht weitgehend elektronisch mit dem Archivierungsprogramm Augias, benannt nach dem Sohn des Gottes Helios in der griechischen Mythologie.
Die dritte Aufgabe sei, die Archivmaterialien zur Verfügung zu stellen. Und hier, so Weidisch, werde unterschieden zwischen wissenschaftlicher Forschung, rechtlichen Fragen, Familienforschung und Belangen der Stadt.
Die Nutzung der Archivbestände sei für jeden möglich. Das werde in der Satzung über die Aufgaben und Benutzung vom 9. Dezember 1992 geregelt. Auch die Höhe der Gebühren und Gebührenfreiheit etwa bei wissenschaftlicher oder heimatkundlicher Forschung sei in der Satzung aufgeführt.
Zu den Nutzern gehören auch Schüler von Gymnasium und Realschule. Mit ihnen hätte es schon zahlreiche Projekte gegeben. Als Beispiele nennt Weidisch Mythos Bismarck, die Ausstellung Jüdisches Leben oder die Biografien zu den Stolpersteinen. Es hänge von den Lehrern ab, wie sie stadtgeschichtliche Themen in ihren Unterricht einfließen lassen, so Weidisch.
Natürlich findet nicht alles Platz in der Villa Bringfriede. Einige Sammlungen befinden sich in Magazinen in anderen Gebäuden. Dabei unterscheidet Weidisch zwischen dem Bestand, also dem historischen Archiv und den Archivalien, und den Sammlungen.
Sowohl zur Dokumentation der Stadtgeschichte als auch im Bereich Sammlungen erhalte das Archiv hin und wieder Schenkungen. Damit es rechtlich korrekt abläuft, werde ein Schenkungsvertrag unterzeichnet. „Wir garantieren, dass die Materialien der Nachwelt erhalten bleiben“, betont Weidisch, der zugleich Stadtarchivar, Kulturreferent und Leiter des Museums Obere Saline ist.
Ältestes Ratsprotokoll von 1584
Seit 1992 befindet sich das Stadtarchiv zusammen mit dem Kulturreferat in der denkmalgeschützten Villa Bringfriede in der Promenadestraße 6. Vor dem Einzug wurde das Gebäude renoviert.
Die Archivfläche beträgt 140 Quadratmeter und verteilt sich über drei Geschosse. Durch den Einbau einer platzsparenden Schieberegal-Anlage können viele Dokumente gelagert werden. 1,5 Kilometer Akten seien derzeit vorhanden, sagt Weidisch. Darunter sind die Ratsprotokolle der Stadt, das älteste stammt aus dem Jahr 1584. Hier landen auch die aktuellen Sitzungsprotokolle.
Eine Klimaanlage mit Be- und Entfeuchtern sei aus Sicherheitsgründen nicht eingebaut worden, so Weidisch. In den Räumen gebe es eine „natürliche“ Klimatisierung, eine so genannte Verschattung, das heißt, die Fensterläden bleiben permanent geschlossen. Dadurch bleibe das Klima weitgehend stabil. Fragen zu Überwachungskameras und anderen Sicherheitseinrichtungen wollte Weidisch – verständlicherweise – nicht beantworten.