Doch die waren vor allem von Schleichs parodistischen Einlagen total begeistert. Der mehrfach ausgezeichnete Kabarettist hat für seine Inszenierung eine Körpersprache entwickelt, die ihn mühelos jede Rolle ausfüllen, jeden Charakter imitieren lässt - und wenns ein Semmelknödel ist. Hinzu kommen seine sprachliche Präsenz und Wandlungsfähigkeit, die das Bayerische ebenso pflegt wie das Böhmische, Sächsische oder den gelangweilten Tonfall eines Gourmet-Snobs.
Der 36-Jährige bedient sich für sein zweites Soloprogramm in der Speisekammer des Lebens - inhaltlich gesehen -, aber auch bei Kollegen mit bajuwarischer Vorbildfunktion. Stilistische Anleihen gibt es bei Gerhard Polt oder Günther Grünwald - doch mit dem Schuss Individualität, den man für den eigenen und langfristigen Erfolg braucht.
Dabei konzentriert sich Helmut Schleich weniger auf die politische Gesamtsituation in der BRD, sondern eher auf die gesellschaftlich-kritische Schiene, die das Äußere und Innere der Mitmenschen auf die unterhaltsam-satirische Bühne des Lebens hebt. Als glänzender Satirekoch stellt Schleich ein deftiges Menü zusammen. Geistreich, geschliffen und gemein ist dieses Typenkabarett, in dem der Kabarettist neben den Lebensmitteln auch deren Esser spielt.
Und hier bekam das aufnahmefähige und -willige Publikum reichlich Lach-Stoff geboten. Gibt es ein Leben nach dem Kochtopf? Oder endet alles in der Kläranlage? Philosophische Fragen, die sich eine bunt zusammengewürfelte Schicksalsgemeinschaft in Helmut Schleich's aktuellen Soloprogramm stellt. "Im Mog'n kimmt ois zamm" räsoniert Gemütsmensch Knödel, der physiognomisch dem seligen FJS ähnelt und erst mal prüft, ob die Zusammensetzung des Magensaftes stimmt. Skeptischer ist da der böhmisch-nuschelnde Herr Schaschlik, der mit Schwejk'scher List einen locker-leichten Fitness--Riegel für Zwischendurch wegen abgelaufenem Verfallsdatum nach oben schickt. Grünzeug werde nur aus schlechtem Gewissen und als Beilage gegessen.
Unvergleichbar ist dabei seine lebendige Mimik, denn ihm gelingen wundervolle Parodien auf längst und mehrfach durchgekaute Zeitgenossen: Da sitzt auf einmal der Bulle aus Tölz auf dem Stuhl auf der frühlings-grau verhangenen Bühne oder Alfred Biolek genießt mit einem "weiblichen Tundragourmet aus Sachsen Bratkartoffeln ("Gutes so einfach - mmmmh") und darf die zwei Meter lange Pfeffermühle drehen sowie am geliebten badischen Rotwein schlürfen.
Im Computerzeitalter hat nach dem Altersheim und dem Friedhof auch die Metzgerei Geil einen Internetanschluss mit eigener E-mail-Adresse für jede Aufschnittsorte ("Lieber Leberkäs, du warst gut. Gruß an die Gelbwurst"). Eigentlich wollte der Metzger das Kürzel "by" = Bayern, doch das ging nicht, also blieb "de" = Deutschland. Eine kulinarische Reise sind auch seine Tour-Termine, die ihn von Schlürflingen über Mampflingen nach Esslingen führen, wo es "oin Bolle Floisch" oder für fünf Euro Spätzle zum Spachteln gab "bis 's Ränzle spannte". Im Vergleich dazu hat's die Pflanze gut - sie steht nur da und braucht bloß Wasser. Noch besser hat's die Koralle - die Nahrung kommt zu ihr.
Dazwischen gab es unvermittelte Kontrast-Einlagen. Da beschimpft ein Körperhasser seinen erkrankten und nörgelnden Körper, um diesen dann mit Faustschlägen zu bestrafen. Andererseits stellt sich ein versnobter Gourmet die philosophische Frage, ob Lebensmittel nicht viel zu billig seien. Der Preis als Abgrenzung zum Volk, nur so könnte man Niveau bieten und verlangen. Restaurants ("bacchantische Generalsanierer") sollten 200 Euro Eintritt verlangen, so dass nur "Fachpersonal" komme. Dabei kommentierte Schleich den großen Kursaal als nett gemacht, einfach - aber sauber und parodierte den Rotweinkenner, der Genuss als soziale Abgrenzung verstand und dies auch mit dem Publikum praktizierte.
Dies verzieh jedoch dem Kabarettisten dies und anderes - es reagierte mit Begeisterung auf die kleinen Sticheleien und die Slapstick-Nummern, die sich im Umgang mit einem Gas-Campingkocher schon an der Brandschutzgrenze bewegten. Alles in allem bot Schleich keine leichte Kost, eher Trennkost - also für jeden etwas!
Der Schluss des Abends drehte sich um den finalen Gang jeder Mahlzeit - um die Verdauung. Herr Schaschlik fragte Herrn Knödel, ob er an die Kläranlage glaube: "Hast Schiss?" ist die Antwort. Gaudi im Dickdarm sei angesagt, doch was kommt danach? "Wir sehen uns - in der Kläranlage!"