Hilla Schütze schaut etwas gespannt auf das kleine Aufnahmegerät, dass Historikerin Birgit Schmalz auf den Tisch gestellt hat. Vor ihr sitzt der große Chinese, den kleinen Chinesen im Arm haltend. Eine letzte Aufmunterung folgt, bevor Schmalz den Aufnahmeknopf drückt: „Frisch von der Leber weg erzählen, nicht ablesen.“ Schütze schiebt ihre Handschriften beiseite und legt los. Sie erzählt die Geschichte, wie sie den „Chinesen aus der Kiste“ entdeckte.
Nach wenigen Minuten schaltet Schmalz das MP3-Aufnahmegerät ab. Alle sind zufrieden. Es ist die erste gut gelungene Aufnahme, lebendig und mitreißend wie bei einer persönlichen Führung.
Diese kurzen Geschichten über ausgestellte Exponate werden im Spielzeugmuseums in der Oberen Saline über sogenannte Mediastationen beliebig abrufbar sein. Drei Stationen mit etwa 20 Hörbeispielen seien geplant, so Schmalz. Die Geräte werden von den Besuchern dann selbst bedient. Sie können sich gezielt ihre Geschichten aussuchen.
Aber wie es mit der Technik so ist. Diese Mediastationen sind der Grund dafür, dass die Eröffnung des Spielzeugmuseums von Mai auf Herbst verschoben werden musste. Denn für das Funktionieren der Geräte sind kleine Chips nötig, die aus Japan geliefert werden (wir berichteten). Dort läuft aber die Produktion nach dem Erdbeben verzögert, die Folge sind Lieferschwierigkeiten.
Doch bis dahin soll die Entdeckung des „Chinesen aus der Kiste“ kein Geheimnis bleiben. Hier ist die Geschichte: Es war um das Jahr 1980, als Hilla Schütze in London in einer Zeitung von einer Spielzeug-Auktion las. Die ließ sie sich natürlich nicht entgehen. Aber sie wollte nur mal ein bisschen schauen. Unter einer Vitrine entdeckte sie dann einen Karton. Sie zog ihn vor und war begeistert: Ein Chinese grinste sie an. Daher der Name „Chinese aus der Kiste“.
Es war Liebe auf den ersten Blick, erzählt Schütze. Natürlich wollte sie ihn unbedingt haben, obwohl sie nicht mal Geld dabei hatte. So schob sie den Karton wieder unter die Vitrine, ganz weit nach hinten, damit niemand ihn sehen konnte. Hilla Schütze bot mit und bekam den Zuschlag.
Schnell eilte sie zur Bank, 180 englische Pfund war der Preis, besorgte sich Plastiktüten und fing an zu sortieren. Die Kiste stammte aus einem Museum, offenbar alles aussortierte Stücke. Der Chinese hatte sogar einen Brief dabei. Die Vorbesitzerin war eine alte Dame, bei ihr hatte der Chinese 30 Jahre lang auf dem Sofa gesessen. Er trägt noch Originalkleidung, hergestellt wurde er in den 30er Jahren in China.
Der kleine Chinese sieht dem Großen sehr ähnlich, meinte Schmalz zur Miniaturausgabe. Aber beide haben nichts miteinander zu tun. Hilla Schütze kramte in ihren Erinnerungen, weiß aber nicht mehr, woher der Kleine mit der Tonsur gekommen ist.
Noch einige andere interessante Stücke entdeckte die Spielzeugsammlerin aus Bad Kissingen in ihrer ersteigerten Kiste: eine amerikanische Mais-Strohpuppe, eine geschnitzte afrikanische oder andere Eingeborenen-Holzfigur mit Messingkette um den Hals. Die gibt noch einige Rätsel auf, deswegen will Hilla Schütze damit mal ins Volkskundemuseum nach München fahren. „Vielleicht erfahre ich dort etwas über dieses Stück.“