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BAD KISSINGEN: Der Clou in Ovids Werk

BAD KISSINGEN

Der Clou in Ovids Werk

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    Alles Latein – von der Wasserflasche über das Geschenk bis zur Tafel: Professor Nicklas Holzberg referierte über den römischen Elegien-Dichter Ovid.
    Alles Latein – von der Wasserflasche über das Geschenk bis zur Tafel: Professor Nicklas Holzberg referierte über den römischen Elegien-Dichter Ovid. Foto: Foto: Michael Nöth

    „Ovid – was iss'n das für einer?“ – so wurde Nicklas Holzberg vor Jahren im Bayerischen Rundfunk empfangen. Der Latein-Professor sollte in den heiligen Hallen des BR in München zu seinem ersten Buch über den römischen Liebes-Dichter ein Interview geben. „Sie scheinen mir nicht sehr gebildet zu sein!“, warf der Altphilologe dem plumpen Frager prompt vor die Füße.

    Nun. In Bad Kissingen ist der emeritierte Professor für Klassische Philologie im naturwissenschaftlichen Jack-Steinberger-Gymnasium eher herzlich empfangen worden. Lateinlehrerin Conny Rausch stellte ihn den 90 Schülern der zehnten Klassen als „unheimlich lebendigen“ Erzähler vor.

    Und in der Tat. Der 69-jährige, nicht nur durch seine Sprache recht juvenil wirkende Altphilologe verpackt den knapp eineinhalbstündigen Vortrag über die Werke des römischen Liebes-Dichters, speziell der Metamorphosen, in einen spielerisch-lustvollen Umgang mit der trockenen Literatur-Wissenschaft.

    Augenzwinkernd interpretiert er Ovids elegisches Jammern über die Unerreichbarkeit der Geliebten und das damit verbundene Loslassen mit dem verblüffenden Satz: „Da hat er halt alle Bilder von ihr von seinem Handy löschen müssen!“

    Damit sichert er sich die Aufmerksamkeit seiner jungen Zuhörer. Auch – wenn er im elegischen Versmaß im Proömium der Metamorphosen, Ovids Hauptwerk, detail- und kenntnisreich auf eine Penthemimeres hinweist, dann aber fragt: „Ist das noch okay? Oder bin ich schon sehr langweilig. Aber aufpassen, gleich kommt der Clou!“

    Den Clou bekommen die Schüler – und Lehrer – im launigen Vortrag geliefert. Holzberg arbeitet fein heraus, dass Ovid mit Witz, Augenzwinkern und durchaus anarchischem Gespür die literarischen Gattungen Epos und Elegie verwandelt, die Sichtweise auf die Empfindungen der Menschen, speziell der Frauen gelegt und der Prinzipat-Ideologie eine Weltsicht der Veränderung und der Zerstörung entgegenstellt hat – letzteres Leistungen, die jeder, der sich mit Ovid beschäftigt, durchaus auf die Jetztzeit mit ihren gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen adaptieren kann.

    Und wer zu diesem Transfer noch nicht bereit ist, dem öffnet Nicklas Holzberg die Augen. Beim Rezitieren von Apollos Verlangen nach der flüchtenden Daphne stolziert er gleichsam hexametrisch durchs Klassenzimmer, untermalt emphatisch die auf deutsch übersetzten Verse mit seiner Stimmlage. Und endet in der Jetzt-Zeit: „Das ist alles sehr frivol, sehr sexistisch. Wenn Ovid das heute geschrieben hätte, hätte er sich mit der Frauenbeauftragten herumschlagen müssen!“

    Und da lachen auch die Zehntklässer: „Ist schon okay, der Typ.“

    Offen bleibt, ob sie Ovid oder Holzberg meinen.

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